Operation Terra 2.0. Andrea Ross

Operation Terra 2.0 - Andrea Ross


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Noch immer war das ideale Gefährt für Einsätze auf dem Roten Planeten nicht gefunden. Seit man dort regelmäßig Regenfälle verzeichnete, mussten die Dinger auch auf schlammigem Boden souverän zurechtkommen. Was besonders für bemannte Missionen galt.

      Bei der fehlgeschlagenen NASA/ESAMarsmission Stepstone von 2038 waren zwei der Astronauten ums Leben gekommen, weil deren Fahrzeug an einem steilen Hang abrutschte, sich mehrfach überschlug und in einen Krater stürzte. Die beiden verunglückten Männer hatten auf dem Heimflug gefehlt, so dass der Rest der Crew mit der aufwändigen Routine an Bord überfordert gewesen war. Die übrigen zwei Männer und drei Frauen bezahlten das menschliche Versagen mit ihrem Leben.

      Noch heute flog die Raumkapsel mit ihren fünf toten Insassen ohne Treibstoff durch die Weiten des Alls. Ein sehr unangenehmer Gedanke. Es verging kein einziger Tag, an dem Maier sich nicht bittere Vorwürfe machte, weil er sich selbst eine kleine Teilschuld anrechnete. Vielleicht wäre das Unglück zu vermeiden gewesen, wenn er rechtzeitig andere Kommandos gegeben hätte …

      Ein junger Kollege riss ihn unsanft aus seinen schwermütigen Überlegungen. »Stimmt es, was ich heute früh auf dem Flur aufgeschnappt habe? Du willst heuer noch in Rente gehen?«

      Maier drehte sich gemächlich auf seinem altersschwachen Bürostuhl um. Das gut dreißig Jahre alte Möbelstück knarzte und ächzte unter seinem Gewicht. Thomas Maier weigerte sich seit Jahren, einen der moderneren und wirbelsäulenfreundlichen Sitzbälle anzufordern. Er galt bei der ESA als verschrobenes Urgestein, das sich Innovationen meist verschloss und mit altbackenen Klamotten umher lief. Alles Moderne beäugte er skeptisch – es sei denn, es ging um Technik.

      »Von Wollen kann gar keine Rede sein. Man hat es mir … sagen wir, nahe gelegt, und Sheila piesackt mich auch andauernd. Es wäre besser für meine Gesundheit, meint sie.«

      »Da hat sie nicht ganz Unrecht. Dir fehlt Bewegung, wie man sieht. Bald können wir dich rollen«, grinste Will Urban.

      Thomas Maier hatte noch nie zu den Schlanksten oder Sportlichsten gehört. Doch mittlerweile hatte sein Körper Ausmaße angenommen, die an ein fettes Nilpferd erinnerten. Dazu gingen ihm die Haare aus, nur ein dünner Kranz zog sich wie ein nach unten verrutschter Heiligenschein um seinen Hinterkopf. Dafür sprossen ihm dichte Haarbüschel aus Nase und Ohren, und sein ergrauter Vollbart reichte ihm bis auf die Brust.

      »Komm du nur erst mal in mein Alter. Hundertfünfzig Kilo sind dann noch das Harmloseste, was du mit dir herumschleppen musst«, gab er milde lächelnd zurück. Er drehte sich um und richtete den Blick wieder auf die Plexiglasfläche. In der Mitte zeigte ein großes Bild die CydoniaRegion, während die sieben kleineren Ausschnitte rundum das übertragene Bildmaterial der anderen Rover wiedergaben.

      Urban trat einen Schritt näher heran, kniff beide Augen zu Schlitzen zusammen. Kannst du mal auf Bild 4 umschalten? Ich habe da was Seltsames gesehen … bin nicht sicher, aber das sah wie eine Pyramide aus.«

      »Ausgerechnet in der unwegsamen Xanthe Terra–Region? Eher unwahrscheinlich«, brummte Maier ungläubig, kam dem Wunsch aber nach.

      »Potzblitz! Du könntest Recht haben. Der Laufrover Arachnon wird von Britt Ballwitz gesteuert. Du weißt schon, die rothaarige NASATante mit den Nippelringen, die man immer so schön durch das TShirt sehen kann. Könntest du schnell hinüber laufen und ihr sagen, dass sie das spinnenbeinige Ding weiter Richtung Nordost tappen lassen soll?«

      »Wird erledigt!« Urban verschwand auf dem Flur.

      Zehn Minuten später kam er zurück, seine grasgrünen Augen versprühten Funken. Thomas Maier bemerkte es gar nicht, er klebte mit der Nase an der Scheibe.

      »Eindeutig von Menschen hergestellt, keine Frage. Endlich, wir haben so lange nach halbwegs erhaltenen Bauwerken der früheren Marskultur gesucht«, murmelte er erregt.

      »Ich glaube nicht, dass diese Dinger uralt sind. Sie wirken zu intakt. Sieh doch hin! Auf der Oberfläche ist eine Art Muster zu sehen … ja, genau, die Blume des Lebens, wenn dir das etwas sagt.«

      Maier blickte ihn verständnislos an.

      »Stimmt ja, du interessierst dich nicht für Esoterik. Die sogenannte Blume des Lebens besteht aus sich überschneidenden Kreisen, als Sinnbild für die Verschmelzung des männlichen und weiblichen Prinzips. Die Überschneidungsmenge symbolisiert das neu entstandene Dritte … wenn du so willst, das Produkt der Verschmelzung, die nächste Generation. Mehrfach aneinandergereiht sehen die Überschneidungsmengen dann aus wie symmetrische Blütenblätter.«

      »Ach so?«, staunte Maier. »Für mich wirkt das eher, als hätte jemand riesengroße Förmchen benutzt und den roten Marssand damit zusammengepresst, genau wie ein Kind im Sandkasten. Ich frage mich nur ernsthaft, wozu das Ganze dienen soll. Schwer vorzustellen, dass jemand symbolträchtige DekoObjekte von mangelhafter Haltbarkeit herstellen wollte. Wie viele sind das insgesamt? Ich zähle vier Stück – oder?«

      Das Bild blieb auf einmal bewegungslos stehen. Die neunundzwanzigjährige Britt Ballwitz betrat den Raum. Ihre vielen bunten Tattoos verliehen ihr die Optik eines lebenden Bilderbuchs. Motive der alten Kultserie Star Trek verzierten ihre Arme und es sah von weitem aus, als stecke ein rosarotes Laserschwert in ihrem schlanken Hals.

      »Hallo Jungs! Na, schon die starken Beruhigungspillen aus dem Schrank geholt?«, flachste sie.

      »Dass du auch nie ernst bleiben kannst. Was meinst du zum Sinn und Zweck dieser Pyramidenstrukturen?«

      Die Ballwitz verschränkte ihre Arme hinter dem Kopf, streckte sich, bis die Gelenke knackten. Will Urban beobachtete fasziniert, wie sich ihr sehenswerter Busen nach vorne reckte, die Ringe sich durch den Stoff ihres Shirts drückten. Sie bemerkte es, quittierte das offensichtliche Interesse mit einem Lächeln.

      »Was da aussieht wie gepresster Marssand, muss wohl aus einem anderen, stabileren Material bestehen. Seht euch mal die Spitze der zuvorderst stehenden Struktur an, sie glänzt golden im Sonnenlicht. Also ist sie höchstwahrscheinlich aus irgendeinem Metall gefertigt.«

      Drei Augenpaare richteten sich neugierig auf das obere Achtel der Strukturen. Maier atmete tief durch.

      »Mensch, richtig analysiert! Dann handelt es sich vielleicht um eine Maschine, die nur mit diesen sandartigen Platten getarnt ist. Um ein Haar hätten wir sie übersehen. Man muss wirklich nah dran sein, um die Pyramidenformen in der gleichfarbigen Umgebung überhaupt zu erkennen. Aber könnten sie tatsächlich neueren Datums sein? Von uns stammen die Dinger definitiv nicht. Wartet mal, das würde ja bedeuten … «

      » … dass sich außer uns noch jemand anderes auf dem Mars tummelt«, beendete Britt ungeduldig den Satz. »Diese Vermutung wird schließlich schon länger laut, weil wir uns die Entstehung der neuen, noch recht dünnen Atmosphäre nicht anders erklären können. Wenn man genau hinsieht, könnte man meinen, dass über den glänzenden Pyramidenspitzen besonders dichte Wolkenformationen hängen, nicht wahr?«

      »Du meinst, da betreibt – wer auch immer – Marsforming? Das ist nun doch ein wenig weit hergeholt«, protestierte Urban.

      »Wieso? Die Symbolik der Blume des Lebens würde perfekt dazu passen. Schließlich entsteht durch diese Maschinen etwas Neues für die nächste Generation«, sinnierte Thomas Maier.

      Britt nickte, anscheinend war auch sie esoterisch bewandert. Anschließend verschwand sie wieder in ihrem eigenen Büro, um sich mithilfe von Arachnon noch näher heranzutasten. Das stellte sich jedoch als unmöglich heraus. Spitze, etwa fünf Meter hohe, dicht nebeneinander aufragende Felsnadeln versperrten dem Laufrover rundum den Weg, vereitelten ein sicheres Durchkommen.

      »Wetten, diese spitzigen Scheißdinger sind auch nicht natürlichen Ursprungs«, knurrte Maier frustriert.

      »Und wer, glaubst du, könnte sich da oben herumtreiben? Wir hätten es doch sicher gemerkt, wenn sich jemand heimlich von der Erde aus zum Mars aufgemacht hätte.«

      »Ha, den Russen traue ich alles zu. Wer weiß, was die in der Abgeschiedenheit Sibiriens alles ersonnen und getestet haben, ohne dass der Westen Wind davon bekommen


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