Operation Terra 2.0. Andrea Ross

Operation Terra 2.0 - Andrea Ross


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Kopftüchern oder gar Burkas steht jedenfalls nichts in den Heiligen Büchern«, sagte Solaras betrübt.

      »Das ist richtig. Aber wir müssen nach vorne sehen, dürfen nicht ständig auf Vergangenes zurückblicken und uns grämen. Hast du dich schon entschieden, welcher Sternwarte wir die Aufzeichnung auf unserem Holographen vorführen werden? Das sollten wir gleich zu Beginn des neuen Jahres in Angriff nehmen. Inzwischen sprechen wir schließlich beide gut genug

      Deutsch, um Zusammenhänge erklären zu können.

      Auch wenn wegen Alannas fatalem Hang zu Intrigen nicht vollständig sicher ist, ob wirklich bald ein Asteroid auf Terra einschlagen wird oder das Ganze nur meisterlich inszeniert war – wir müssen die Bevölkerung zumindest warnen. Es ist in jedem Fall angezeigt, Vorkehrungen für einen solchen Fall zu treffen. Das Weltall ist voll von vagabundierenden Brocken. Alles nur eine Frage der Zeit, wann sich einer von ihnen hierher verirren wird. Diese Gefahr unterschätzt man auf Terra bis dato noch.«

      »Ein wahres Wort. Mit ein bisschen Glück werden die Astronomen erkennen, was an Fachkenntnissen in mir steckt. Und dann ade, Tankstelle. Ich habe im Internet recherchiert und würde am liebsten zum LeibnizInstitut für Astrophysik in Potsdam fahren. Die unterhalten mehrere Observatorien und sind Partner von Einrichtungen in Arizona, Teneriffa und der Antarktis. Das Institut forscht auf den Gebieten Astronomie und Astrophysik. Ich bin Wissenschaftler mit Leib und Seele, und als solcher würde ich mich endlich gerne wieder betätigen.«

      *

      Kalmes drehte sich vor dem Spiegel, betrachtete kritisch ihr Abbild. Wie fremdartig ihr das leuchtend sonnengelbe Gewand inzwischen doch vorkam! Solaras, der

      sich ebenfalls in die traditionelle tiberianische Tracht geworfen hatte, erging es ähnlich.

      »Wie gut, dass man jetzt im Januar auf Terra Mantel tragen muss. Wir würden sonst wohl auf der Straße ziemlich auffallen«, lachte der in Blau gekleidete Wissenschaftler.

      »Stimmt. Aber glaubst du wirklich, dass unsere Gewänder die Story, die wir den Astronomen in Potsdam auftischen werden, glaubhafter erscheinen lassen?«, zweifelte Kalmes.

      »Einen Versuch ist es wert. Eigens zu diesem Zweck haben wir sie ja mit auf unsere abenteuerliche Schlauchbootfahrt genommen, nicht wahr? Außerdem fühle ich mich so selbstsicherer, wieder mehr wie ein anerkannter Wissenschaftler.

      Aaron und Levi hat einst die Ausstrahlung des Holographen tief beeindruckt, sie haben uns geglaubt. Wissenschaftler müssten eigentlich erst recht sehr daran interessiert sein, ihre rudimentären Kenntnisse über das Weltall zu erweitern und dankbar brisante Informationen von waschechten Außerirdischen anzunehmen. Unser andersartiger Blickwinkel auf dieses Sonnensystem müsste sie über die Maßen faszinieren. Ach, es wird schon gut gehen.«

      »Das hoffe ich sehr.«

      Es sollte bedauerlicherweise ganz anders kommen. Schon bei der Ankunft in der Sternwarte gab es die ersten Schwierigkeiten. Man wollte sie nicht ohne weiteres zum Leiter der Einrichtung vorlassen, sie borniert mit der Bemerkung abspeisen, sie sollten sich per EMail mit der für Presseund Öffentlichkeitsarbeit zuständigen Dame in Verbindung setzen. Es war nur Solaras‘ Hartnäckigkeit zu verdanken, dass sie am Ende doch noch bei der Sekretärin des Wissenschaftlichen Vorstandes ihre Bitte um einen Gesprächstermin vortragen durften.

      »Wir sind extra aus Köln angereist. Er wird doch eine halbe Stunde für uns erübrigen können? Es geht um eine Entdeckung globaler Tragweite«, bemerkte Solaras trocken.

      Die Dame blickte säuerlich drein, wirkte desinteressiert. »Wir haben hier öfters mit Hobbysternguckern zu tun, die meinen, einen neuen Himmelskörper entdeckt zu haben. Da wären Sie beileibe nicht der erste!«

      Solaras zog den Holographen aus dem Stoffbeutel. »Um so etwas geht es doch gar nicht. Auf diesem Gerät befindet sich die Simulation eines Asteroideneinschlags mitsamt den zugehörigen Daten, wie er sich in der – in kosmischen Zeitdimensionen gesehen – nächsten Zukunft hier auf der Erde ereignen wird.«

      »Ach so … und das wissen Sie … aus welcher Quelle?«, fragte die Sekretärin schnippisch.

      »Verzeihen Sie, aber darüber würde ich gerne mit jemandem reden, der wissenschaftlich ausgebildet ist«, gab der Tiberianer bissig zurück. Er war am Ende seiner Geduld angelangt.

      Die Tür zum Allerheiligsten öffnete sich einen Spalt, und der Wissenschaftliche Leiter steckte den Kopf heraus. Die hitzig geführte Diskussion in seinem Vorzimmer war ihm offensichtlich nicht verborgen geblieben.

      »Was gibt es hier?«

      Die Sekretärin schnaubte wie ein wütendes Walross. »Diese mir nicht bekannten Herrschaften hier behaupten … «

      »…dass sie sehr wichtige Informationen für Sie und Ihre Kollegen haben«, beendete Solaras den Satz. Das kobaltblaue Wissenschaftlergewand schien ihm tatsächlich Selbstbewusstsein zu verleihen. Er entledigte sich demonstrativ seines Mantels, und Kalmes tat es ihm nach.

      Der Mann trat vollends ins Vorzimmer, taxierte die beiden Besucher in den farbigen Gewändern erstaunt von oben bis unten. Die Sekretärin räusperte sich, grinste hochmütig.

      »Sie tauchen hier in Karnevalskleidung auf und erwarten, dass man Sie ernst nimmt?«

      Solaras ließ sich nicht beirren. »Das ist auf dem Planeten, von dem wir kommen, die Bekleidung der Wissenschaftssektion, ergo Ihres Standes. Meine Begleiterin ist dort eine angesehene Dozentin und trägt daher Gelb. Die Farbe unserer Gewänder zeigt die Sektionszugehörigkeit an.«

      Missbilligendes Kopfschütteln.

      Die Tiberianer merkten, dass sie mit Reden nicht weiter kamen. Verstohlen aktivierte Solaras den Holographen, was die beiden Ignoranten mit einem erschrockenen Keuchen quittierten. Wie damals auch Aaron und Levi, wähnten sie sich urplötzlich umgeben vom Weltall, welches aus undurchdringlicher Schwärze zu bestehen schien.

      Als der bedrohlich aussehende Asteroid schließlich in einem Flammenmeer durch die Erdatmosphäre raste, wimmerte die Sekretärin, die inzwischen merklich an Arroganz verloren hatte, wie ein kleines Kind. Der Wissenschaftliche Leiter wirkte wie paralysiert, er drehte die Augäpfel heraus.

      Die eindrucksvolle Show war kurz darauf zu Ende. Die überrumpelten Terraner brauchten eine Weile, bis sie sich wieder gefangen hatten. Beide waren ein wenig blass um die Nase.

      »Ich muss schon sagen! Etwas Vergleichbares habe ich in der Tat noch nie zuvor gesehen«, krächzte der terrestrische Professor. »Was sind Sie wirklich – ein Entwickler für PCGames oder ein FXSpezialist aus der Filmindustrie? Ich werde Ihre Vorführung gerne im Gedächtnis behalten und Sie informieren, wenn wir eine gelungene Simulation zu Unterrichtszwecken oder für unsere Webseite gebrauchen können. Lassen Sie Frau Stenglein einfach Ihre Visitenkarte da. Und nun entschuldigen Sie mich bitte«, sagte er in versöhnlichem Ton. Er stand immer noch sichtlich unter dem Eindruck des Erlebten.

      Solaras riss der Geduldsfaden.

      »Nein, warten Sie! Ich bin kein FX … Dingsda. Bitte verzeihen Sie, dass wir uns noch nicht richtig vorgestellt haben. Wir hatten einen negativen Start und fangen einfach noch mal ganz von vorne an, ja?

      Auch wenn das für Sie schwer zu akzeptieren sein muss – jedes Wort ist wahr. Wir beide kommen von einem zirka zweitausenddreihundert Lichtjahre entfernten Planeten namens Tiberia, der im CygnusSystem angesiedelt ist. Wir beherrschen die Raumzeitkrümmung und haben in der Vergangenheit wiederholt in die terrestrische Geschichte eingegriffen. Der Raumgleiter, mit dem wir direkt vom Mars hierher reisten, liegt in der Nähe der libyschen Stadt Darna unter Wüstensand begraben. Ich heiße Solaras, bin meines Zeichens Raketenwissenschaftler. Das hier ist meine Lebensgefährtin Kalmes, eine angesehene Dozentin für Bildung und Ideologie.

      Was Sie vorhin beobachtet haben, war die holographische Simulation eines fatalen Asteroideneinschlags, und zwar mitsamt sämtlichen Berechnungen, wie er sich in einigen Jahrhunderten zutragen wird. Wir wollen die Erdbevölkerung warnen, damit sie rechtzeitig Vorkehrungen treffen kann, die Katastrophe abzuwehren.«


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