2020 hatte ich anders geplant. Esteban Luis Grieb
beiden Tagen in der Großstadt vorbereiteten.
Da auch meine Eltern Rollstuhlfahrer sind, organisierte ich die Reise bereits im Vorhinein, damit wir vor Ort keine unüberwindbaren Probleme hätten. Am ersten Tag in Berlin absolvierten wir eine klassische Sightseeingtour mit Start vor dem berühmten Hotel Adlon beim Brandenburger Tor. Mein Vater war mit dem Auto direkt dorthin gefahren und wir bekamen tatsächlich einen Parkplatz. Dort einen zu ergattern, ist normalerweise ein Ding der Unmöglichkeit. Wir aber hatten Glück und auch einen Behinderten-Parkausweis.
Die Tour führte zum Denkmal für die ermordeten Juden, zum Potsdamer Platz mit dem Sony Center, zur „Topographie des Terrors“ mit Teilen der alten Berliner Mauer, zum Checkpoint Charlie und wieder zurück zum Ausgangspunkt. Sehr einprägsam, diese Tour, und so sammelte ich auch viele Eindrücke über die grausame Kriegs- und Nazi-Zeit vor ungefähr 80 Jahren. Am nächsten Tag besuchten wir den Zoologischen Garten Berlin, direkt neben dem berühmten Bahnhof Zoo. Am darauffolgenden Tag traten wir wieder die Heimreise an. Ich muss sagen, dass die deutsche Hauptstadt auf jeden Fall einen Besuch wert ist und dass diese Metropole für Menschen mit Beeinträchtigung top-rollstuhlgerecht ist.
Auf der Heimfahrt machten wir noch in Dresden halt und besichtigten die beeindruckende Altstadt. In Budweis aßen wir zu Abend, bevor wir schließlich wohlbehalten zu Hause ankamen.
Es ging in diesem Jahr Schlag auf Schlag in puncto Reisen. Wie geil war das, ich konnte – natürlich nur mit meinem PA – auch nach Paris fahren! Da sich unser österreichisches Herren-Fußballteam endlich, nach unzähligen Versuchen, für eine Endrunde der Europameisterschaft qualifiziert hatte, ergatterte ich für mich und einen Begleiter ein Ticket für das Spiel Österreich gegen Island. Aber natürlich sind wir nicht nur deswegen nach Paris gefahren, um das Spiel zu sehen. Wenn man schon mal dort ist, gehört das Sightseeing bei den vielen bekannten Attraktionen selbstverständlich auch dazu.
Wir besuchten, ich sag mal so, die „Hauptwahrzeichen“. Paris ist riesig, und allzu viel Zeit hatten wir nicht, um alles zu besuchen. Ich sah den Eiffelturm und war sogar auf dessen erster Ebene mit Rundblick über Paris. Auch der Arc de Triomphe und die Champs-Élysées standen auf dem Programm. Das alles konnte man schön zu Fuß erreichen bzw. ich mit dem Rollstuhl mit meinem PA als „Antrieb“. Natürlich mit einigen Pausen, bei denen wir uns stärkten, dann schlenderten wir weiter durch die Straßen von Paris. Etwas entfernter vom Zentrum erreichten wir, vorbei am Kunstmuseum Louvre, die Kathedrale Notre-Dame, die ich unbedingt sehen wollte. Sie ist weltweit auch wegen der Verfilmung des Romans „Der Glöckner von Notre-Dame“ bekannt.
Das Fußball-Länderspiel, eigentlich der Hauptgrund der Reise, war sehr spannend, und das große Stade de France, nördlich von Paris, wo das Spiel stattfand, war eindrucksvoll. Zehntausende österreichische Fans feuerten unser Team an. Leider verloren wir das entscheidende Spiel der Vorrunde in der Nachspielzeit gegen das Sensationsteam aus Island 1:2. Dennoch war es ein Riesenerlebnis.
Nur schade, dass die Metro in Paris ein altes U-Bahn-System ist. Für beeinträchtigte Menschen ist dieses öffentliche Verkehrsmittel daher nicht benutzbar, und so waren wir zu Fuß oder mit dem Bus unterwegs. Insgesamt war es sehr schön, für einige Tage das geschichtsträchtige Paris zu erleben. Auf der Rückfahrt machten wir einen kurzen Halt in Ulm. Ich wollte schon immer mal das Ulmer Münster sehen. Es war sehr eindrucksvoll, die Kirche mit dem höchsten Kirchturm der Welt (161,53 m) aus unmittelbarer Nähe zu betrachten.
Nach so viel Umherreisen innerhalb kurzer Zeit war wieder etwas Pause angesagt. Die Reisen sind auch körperlich anstrengend für mich. Zu dieser Zeit nahm ich diese Anstrengungen aber sehr gerne in Kauf, da ich sehr viele tolle Eindrücke sammeln konnte und viele neue Menschen kennenlernte. Ich dachte mir, solange ich noch genügend Power und Lust zu solchen weiten Reisen habe, mache ich sie! Andere Länder zu besuchen und dabei viele Menschen und Kulturen kennenzulernen, ist eine große Leidenschaft von mir und gibt mir ungeheuerlich viel Kraft.
Jetzt kam dann mal der Sommer und es war Zeit zu entspannen, die unzähligen Eindrücke meiner Trips durch halb Europa zu verarbeiten und viel Vitamin D zu tanken. Natürlich kamen mein Sport und meine Therapien auch nicht zu kurz. Ich musste und wollte mich so gut es ging körperlich betätigen, um für die kommenden Aufgaben und Ziele gerüstet zu sein.
Außer den von mir organisierten Resthofer Basketball-Event, den ich seit 1999 veranstalte, wollte ich das einzige große Sportereignis im Sommer in Österreich nicht versäumen, den Beachvolleyball-Grand-Slam in Klagenfurt, den ich seit seinem Bestehen fast jedes Jahr besuchte. Außerdem fand die Veranstaltung zum letzten Mal in Kärnten statt, dann übersiedelte sie nach Wien auf die Donauinsel. Natürlich genoss ich diesen aus meiner Sicht besten und coolsten Sommerevent, bei dem auch unser Steyrer Weltklassespieler Clemens Doppler vertreten war. Mit seinem Partner Alex Horst spielte er dort in diesem Jahr leider kein erfolgreiches Turnier. Doch im Sport geht es immer weiter und weiter, und es würde ja im Jahr darauf die Beachvolleyball-Weltmeisterschaft nach Wien kommen.
Und wie schon vor einigen Monaten geplant, stand dieses Jahr noch eine große Reise bevor: London, meine Lieblingsstadt, war mein nächstes Ziel, natürlich mit meinem Persönlichen Assistenten. London deshalb, weil ich unbedingt wieder, wie im Vorjahr, eine der größten Organisationen der Welt in Sachen Friedreich-Ataxie besuchen wollte, Ataxia UK. Dort erhielt ich die neuesten Informationen zur Forschung und zu Projekten beziehungsweise geplanten Studien, die weltweit bezüglich unserer Krankheit anstanden. Damit war ich wieder up to date. Mir war und ist es sehr wichtig, immer auf dem aktuellen Stand zu sein.
Eine große Freude hatten wir bei der Ankunft im Hotel in London-Wembley, als wir erfuhren, dass am selben Abend im Wembley-Fußballstadion das Länderspiel England gegen Spanien stattfinden sollte. Ich dachte: Wäre das geil, dieses Match live im geschichtsträchtigen Stadion zu sehen! So checkten wir gleich den Ticketcounter ab und konnten glücklicherweise noch ein Ticket für mich samt einem Begleiter ergattern. Wow! Wir genossen das Spiel mit der außergewöhnlichen Stimmung in diesem Fußballstadion, dem zweitgrößten in Europa.
Geplant war, dass wir eine weitere große Sportveranstaltung in London besuchen. Und zwar fanden genau in der Zeit, als wir dort waren, in der riesigen O2-Arena in Greenwich die ATP World Tour Finals im Tennis statt. Bereits 2009 war ich mit meinem Amigo Jakob in dieser riesigen Halle, und 2012 waren meine Eltern, mein Schwager Jörg und ich ebenfalls einmal dort, um einige Rollstuhl-Basketballspiele der Paralympics (Olympiade für Athleten mit körperlicher Beeinträchtigung) mitzuerleben. 2016 war es ebenfalls ein besonderer Abend in der O2-Arena, denn wir konnten unser österreichisches Tennis-Aushängeschild Dominic Thiem anfeuern, der sich zum ersten Mal für das Turnier der besten acht Tennisspieler der Welt qualifizieren konnte.
In London kann man extrem viel unternehmen und alles ist super barrierefrei. Man fühlt sich sehr wohl in dieser Metropole, weil einem nur sehr wenige Hindernisse als Rollstuhlfahrer in den Weg gelegt werden. Eines, was ich schon immer machen wollte, war es, eines der unzähligen Theater zu besuchen. Der Stadtteil West End gilt neben dem Broadway in New York sozusagen als die bekannteste Theatermeile der Welt. Also recherchierte ich im Vorfeld und besorgte Tickets für das Musical „Thriller“ über die Geschichte des King of Pop, Michael Jackson. Die Vorstellung war großartig, und ich kann sie nur jedem empfehlen, der sich nach London begibt.
Ein Highlight gab es dieses Jahr noch, und zwar machte ich bekannt, dass ich meine Autobiografie „Aufgeben, was ist das? Mein Leben mit der unheilbaren Friedreich-Ataxie“ im Ennsthaler Verlag in Steyr veröffentlichen werde. Was für eine Freude, diesen tollen Verlag gefunden zu haben, der meine Lebensgeschichte in Buchform herausbringt, und wie toll die Reaktionen meiner Familie, Freunde und Bekannten darauf waren. Wie schön!
Ausflug zu meinem 40. Geburtstag nach Salzburg.
Mit meinen Eltern vor dem Brandenburger Tor in Berlin.
Bei der Paris-Reise vor der Kathedrale Notre-Dame.