Siana. Jasmin Windfeder

Siana - Jasmin Windfeder


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in die Luft.«

      »Glaubst du es mir jetzt, dass wir sie niemals bis zum Turnier fit haben werden?« Ich betrachte ihn prüfend.

      »Ja, aber ob wir wollen oder nicht, wir müssen.« Mit der Hand fährt er sich über das unrasierte Kinn.

      Ich habe das Gefühl, dass er in den letzten Tagen um Jahre gealtert ist. Seine Augenringe sind tiefer, was die grünen Augen blasser aussehen lässt.

      »Wir müssten heute mit dem Springtraining beginnen, damit wir es schaffen«, sage ich nachdenklich. »Meinst du, ich kann es wagen, in den Sattel zu steigen?«

      »Wir können es probieren, vielleicht benimmt sie sich, wenn sich jemand auf ihrem Rücken befindet. Aber du sitzt erst auf, wenn ich dabei bin, klar?« Ich nicke. »Ich bin jetzt für drei Stunden weg, danach können wir es in Angriff nehmen.«

      Er wartet noch mein okay ab und geht dann aus der Halle. Ich führe Darcon, der schon ungeduldig unter mir tänzelt, zurück auf den Hufschlag und fahre mit seinem Training fort.

      ***

      Ungeduldig ziehe ich zum wiederholten Mal mein Handy aus der Halterung und checke die Zeit. Richard müsste seit zwanzig Minuten von seinem Termin zurück sein.

      ›Wo bleibt er nur?‹

      Ich stecke das Handy an seinen Platz. River steht nun schon eine Ewigkeit gesattelt im Stall und wartet, dass sie endlich aus der Box geholt wird.

      »Hi!«, höre ich plötzlich Phelan und fahre erschrocken herum.

      »Müsst ihr euch immer anschleichen?«, gifte ich ihn an, streichle dabei River, die ihrem Besitzer leise zuwiehert.

      »Musst du so schreckhaft sein?«

      Ohne jegliche Emotionen sieht er mich an.

      Ich hole nochmals das Handy raus. Wieder sind fünf Minuten vergangen. Jetzt reicht es! Entschlossen nehme ich River an den Zügel und führe sie aus der Box. Länger kann und will ich nicht mehr warten. Ich habe in einer halben Stunde Feierabend und den werde ich dieses Mal nicht verschieben.

      Gedankenverloren laufe ich in die Halle und mache River zu Fuß einige Runden warm. Es ist nicht normal, dass Richard unpünktlich ist, oder sich bei Verspätungen nicht meldet. Er ist die gewissenhafteste Person, die ich kenne und wenn er einmal zu spät kommt, ist es meist kein Verschulden von ihm. Aber weswegen ruft er nicht an oder schreibt zumindest eine Nachricht? Ob ihm etwas passiert ist?

      Ich horche erleichtert auf, als ich die Hallentür höre, doch die Enttäuschung ist groß, als mir nur Phelan in die Halle gefolgt ist.

      ›Anderseits kennt er die Stute am besten, vielleicht ist es gar nicht so schlecht, ihn dabei zu haben‹, denke ich bei mir, führe die Stute in die Mitte, ziehe den Sattelgurt nach, die Steigbügel runter und sitze auf. Die Stute bleibt zu meiner Verwunderung ruhig stehen.

      »Na, dann wollen wir mal«, murmle ich, streichle ihr freundschaftlich den Hals und nehme die Zügel auf.

      Kaum schnalze ich mit der Zunge, läuft sie mit schnellem Schritt vorwärts. Nach wenigen Metern habe ich mich an ihren Rhythmus angepasst, weswegen ich tief in den Sattel rutsche. Wir machen einige Runden im Schritt, die sie brav unter mir läuft. Kein einziges Mal habe ich das Gefühl, dass sie gegen mich arbeitet. Auch im Trab läuft alles reibungslos. Ich muss sogar gestehen, dass ich selten ein Pferd unter mir gehabt habe, das so einen weichen und federnden Trab besitzt. Sogar das Aussitzen fühlt sich wie auf Wolken an.

      Bevor ich in den Galopp wechsle, beschleicht mich eine befremdliche Emotion, als will sich mein Bauchgefühl melden.

      ›Bis jetzt läuft doch alles gut. Entspann dich!‹, rede ich mir selbst zu. Aber es ist nicht nur das Gefühl, auch die Blicke, die ich auf mir spüre, machen mich nervös. Obwohl mich Phelan sicherlich schon die ganze Zeit beobachtet, bemerke ich sie erst jetzt.

      »So, Mädchen, jetzt wollen wir dich mal testen«, flüstere ich, rutsche etwas tiefer in den Sattel, presse leicht meine Schenkel an sie und schnalze. Mit einem kleinen Ruck fällt sie in einen weichen Galopp.

      ›Diese Stute hat Traumgangarten‹, schießt es mir durch den Kopf und kann nicht anders, als zu lächeln. Ich fliege förmlich mit der Stute, die uns in den letzten Tag solche Probleme gemacht hat. Wir reiten einmal durch die ganze Halle, wechseln die Seite, danach beende ich das Training. Stolz auf River streichle ich ihr über die rötliche Mähne.

      »Sie hat tolle Gangarten«, sage ich zu Phelan, während wir an ihm vorbeireiten.

      »Ich weiß«, antwortet er knapp.

      Als er kurz wegsieht, verdrehe ich die Augen. Wieso ist er ständig so wortkarg? Das ist ja nicht auszuhalten!

      Nachdem ich River im Schritt trockengeritten habe, bringe ich sie in der Mitte zum Stehen, nehme meine Füße aus den Steigbügeln und lasse sie hängen.

      »Feines Mädchen.« Ich kraule sie am Hals, den sie streckt und laut durch die Nüstern schnaubt. Ich will mich soeben aus dem Sattel schwingen, als außerhalb der Reithalle eine Autotür zugeknallt wird. River erschrickt. Ohne Vorwarnung beginnt sie zu bocken. Davon komplett überrumpelt rutsche ich aus dem Sattel und knalle unsanft in den Sand.

      »Mist!«, fluche ich.

      River galoppiert unterdessen davon.

      »Alles okay?«, fragt plötzlich Phelan über mir und kniet sich neben meinem Kopf in den Sand.

      »Ja, ich glaube schon.«

      »Schmerzt irgendetwas?«

      Ich bewege Arme und Beine und schüttle dann den Kopf.

      »Nein, zum Glück nicht. Nur mein Stolz ist angekratzt.«

      Grinsend steht er auf, dabei streckt er mir seine Hand entgegen. Kurz überlege ich, ob ich den Funken Stolz, den ich noch habe retten will, und selbst versuche aufzustehen, nehme daraufhin doch seine Hilfe an. Das dabei entstehende kribbelnde Gefühl in meinem Magen ignoriere ich. Mit einem festen, aber sanften Ruck lande ich auf den Beinen.

      »Danke«, nuschle ich und klopfe den Sand von meinen Kleidern.

      »Ist wirklich alles in Ordnung?«, erkundigt er sich, sieht mich dabei prüfend an.

      Eine Sekunde verharrt er dabei in meinen Augen. Blau, wie eine Meereswelle, die tänzelnd an das Ufer gespült wird. Erschrocken senke ich den Blick, weil sich erneut das Kribbeln meldet.

      ›Was soll das? Phelan ist ein Macho, völlig anders als Kay. Was ist mit mir los? Seit wann spielen meine Gefühle unkontrollierbar Tango?‹, fahre ich mich selbst gedanklich an.

      »Ich fange dann mal River ein.« Er marschiert in Richtung seiner Stute.

      Verwirrt sehe ich ihm nach, bevor ich aus der Halle verschwinde. Aus reiner Neugierde, wer die Schuld an meinem Fall hat, gehe ich durch den Stall, raus auf den Hof. Vor der Halle steht Richards Auto. Verdutzt sehe ich mich um, aber keine Spur von ihm. Erst kommt er zu spät, dann steht sein Auto an einem falschen Platz und nun ist er nicht zu entdecken? Mein Chef kann es nicht ausstehen, wenn man nicht auf dem richtigen Parkplatz steht, aber macht es selbst? Irgendwas kann da nicht stimmen.

      Ohne weiter nachzudenken, gehe ich zu seinem Haus und klingle. Einmal. Zweimal. Dreimal. Dann endlich höre ich ein Geräusch.

      »Was?«, knurrt Richard, kaum hat er die Tür geöffnet.

      Perplex starre ich ihn an.

      »Ist etwas passiert?«, sind meine ersten Worte, nachdem ich mich gefasst habe.

      »Nein! Was willst du?«, bringt er weniger knurrend, aber noch immer aufgebracht heraus.

      »Ich wollte nach dir sehen, da du anscheinend das Training mit River vergessen hast«, antworte ich vorsichtig, in der Hoffnung, dass er nicht vollständig ausflippt.

      So habe ich ihn noch nicht erlebt. Er ist schnell wütend, ja, aber er wirkt jetzt eher zerstreut.

      »Habe ich vergessen!«,


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