Trevellian und der Tod in Chinatown: Action Krimi. Pete Hackett

Trevellian und der Tod in Chinatown: Action Krimi - Pete Hackett


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      Herb Morgan war in eine Sackgasse gerannt. Die Angst – die Todesangst – hatte ihn blindlings in diese Falle stolpern lassen. Und jetzt drohte ihm der Verstand auszusetzen. Links und rechts wie die Wände in einer Schlucht die hohen Mietskasernen, vor ihm eine etwa 3,5 Meter hohe Mauer aus Backsteinen, glatt und unüberwindlich, um ihn herum Finsternis, Unrat und einige Mülltonnen.

      Herb Morgan spürte Seitenstechen. Seine Bronchien pfiffen und rasselten, seine Lungen pumpten. Er lauschte. Sein Herz hämmerte hinauf bis in seine Schläfen, und er wusste nicht, ob es die hastigen Schritte seiner Verfolger waren, die er hörte, oder das Rauschen des Blutes in seinen Ohren, oder ob ihm seine überreizten Sinnen nur etwas vorgaukelten.

      Er blickte an den Häuserwänden in die Höhe. Über ihm waren nur vereinzelte Fenster beleuchtet. Es war weit nach Mitternacht, und die meisten Chinesen, die in den heruntergekommenen Wohnungen hausten, schliefen.

      Herb sprang an der Mauer in die Höhe. Er legte alle Kraft, die noch in seinen Beinen steckte, in diesen Sprung. Und er erwischte sogar die Kante des Mauersimses. Erschreckt stöhnte er auf. Stechender Schmerz fuhr ihm durch die linke Hand. Man hatte in die Mauerkrone spitze Glasscherben eingegossen, und an einer dieser rasiermesserscharfen Kanten hatte er sich den Handballen aufgeschnitten.

      Warm lief das Blut in Herb Morgans Handfläche. Herb presste die verletzte Hand unter seine rechte Achsel. Das er seinen nagelneuen hellen Anzug mit Blut besudelte, war ihm in diesen Sekunden egal.

      Er war gefangen. Herb Morgan fühlte sich wie ein in die Enge getriebenes Raubtier. Gehetzt schaute er sich um. Schweiß rann ihm in den Hemdkragen.

      Es waren weder die Geräusche seines Körpers, es war auch nicht sein Unterbewusstsein, das ihm einen Streich spielte, es waren tatsächlich leise, schleichende Schritte, die sein Gehör erreichten.

      Jemand pirschte heran. Es war ganz deutlich. Da war das Knarren von Schuhen, das Wetzen von Stoff gegen Mauerwerk, und Herb glaubte sogar gepresstes Atmen zu vernehmen.

      Herb Morgans Linke rutschte unter der Achsel hervor.

      Die Anspannung krümmte seine Gestalt. Er zwang sich zur Ruhe – doch vermochte er die fast unerträgliche Unrast, die ihn erbeben ließ, nicht völlig unter Kontrolle zu bringen.

      Mit der Rechten griff Herb Morgan unter sein Jackett. Als sie wieder zum Vorschein kam, umklammerte sie den Griff einer Beretta. Matt schimmerte der Stahl der Waffe in der Dunkelheit, die vom Sternenhimmel, der sich über Chinatown spannte, etwas gemildert wurde.

      Herb Morgan schluckte, dann rief er heiser: „Wenn ihr mich umlegt, werdet ihr einen Dreck erfahren! Ich glaube nicht, dass dies im Sinne eures großen Meisters ist.“

      Herb lauschte seiner eigenen Stimme hinterher, die sich langsam von ihm entfernte und schließlich von der Nacht geschluckt zu werden schien. Er bohrte seinen Blick in die Finsternis hinein, spürte das Zittern seiner Hand, die die Pistole hielt, und bemühte sich nach wie vor, den Aufruhr seiner Empfindungen unter Kontrolle zu bringen.

      „Ist das ein Trick, du kleine Ratte?“

      Herb Morgan zuckte zusammen, als die Stimme erklang. Die Kerle waren näher, als er gedacht hatte.

      „Kein Trick!“, rief er schnell. „Ich ...“

      „Dann lass die Kanone fallen und heb die Pfoten in die Höhe. Wir haben dich vor den Läufen.“

      „Natürlich, sicher. Ich hatte nie im Sinn, auf euch Jungs zu schießen.“

      Ein kehliges, hohnvolles Lachen war die Antwort.

      Herb wusste selber, wie unglaubwürdig und deplatziert seine Erklärung in dieser Situation war.

      Herbs Hand öffnete sich, die Beretta schepperte auf den Boden, langsam wanderten seine Arme gen Himmel.

      Aus der Dunkelheit lösten sich zwei Schemen. Eng an den Häuserwänden zu beiden Seiten waren sie herangeglitten, ihre Gestalten waren mit dem schwarzen Hintergrund verschmolzen. Langsam näherten sie sich.

      Als sie auf fünf Schritte heran waren, ließ einer von ihnen eine Taschenlampe aufblitzen. Der Lichtkegel traf Herbs Gesicht und ließ ihn geblendet die Augen schließen. Als er sie vorsichtig wieder öffnete, konnte er seine beiden Verfolger leidlich erkennen.

      Es waren Chinesen, sie hatten helle, runde Pfannkuchengesichter, keiner von beiden war größer als eins-fünfundsechzig, und keiner von ihnen wog mehr als fünfundsechzig Kilo.

      Einzelheiten konnte Herb nicht ausmachen, denn sie standen hinter dem Licht der Stablampe. Die Waffen in ihren Fäusten reflektierten das Licht.

      Sie wechselten einige Worte auf chinesisch, dann sagte einer in fast akzentfreiem Englisch:

      „Also gehen wir, Mister. Und keine Zicken. Du willst doch nicht im Hudson als Fischfutter landen?“

      „Dazu ist das Leben viel zu schön“, versuchte Herb Morgan zu scherzen, wobei ihm nach allem anderen zumute war. Deshalb kamen seine Worte ausgesprochen lahm.

      Er lebte, und das war im Moment wichtig. Ihr Chef, der fette Chu Han Chingh, wollte etwas von ihm, an das er nur herankam, so lange er, Herb Morgan, reden konnte. Da Tote nicht reden können, war sein Geheimnis die beste Lebensversicherung. Zumindest so lange, bis Chu Han Chingh der Geduldsfaden riss.

      Kopf hoch, Herb! So lange du lebst, hast du eine Chance, durchrieselte es ihn hoffnungsvoll, fast optimistisch.

      Er verdrängte einfach den Gedanken an ein vorzeitiges, gewaltsames Ableben.

      Die beiden kleinen Chinesen, von denen jeder ein eiskalter Killer war, bugsierten ihn vor sich her den Weg zurück, den er vor wenigen Minuten wie ein olympiareifer Sprinter gekommen war. Seine Beretta steckte unter der Jacke eines der Schlitzaugen im Hosenbund.

      Herb Morgan schwitzte mehr denn je. Es war der Angstschweiß, den es ihm aus sämtlichen Poren trieb.

      Ihr Ziel war eine Bar in der belebtesten Straße von Chinatown, der Name der Bar prangte in riesigen Neonlettern über der Tür: Royal Dragon.

      Von hier aus dirigierte Chu Han Chingh das Geschäft mit dem Verbrechen. Sein Ziel war es, der ungekrönte König von Chinatown zu werden. Das hieß vor allem die Kontrolle über den Rauschgifthandel, das illegale Glücksspiel und die illegale Prostitution in dem Stadtteil an sich zu reißen.

      Herb Morgan spürte Beklemmung, als ihn seine beiden Bewacher durch die schummrige Bar schubsten, wo viel zu viel Gewühl war, als dass jemand auf das seltsame Trio geachtet hätte.

      Chu Han Chingh residierte in einem hell erleuchteten Hinterzimmer; glatzköpfig, fett, einen brutalen Zug um den wulstigen Mund, Augen so kalt wie glasiertes Porzellan. Herb Morgan schaute in diese Augen und – sah den Tod. Seine Hoffnungen auf ein langes Leben fielen in sich zusammen wie ein Kartenhaus.

      Zwei Figuren, die Herb Morgans Häschern zum Verwechseln ähnlich sahen, lümmelten auf einem Ledersofa herum. Chu Han Chinghs Leibgarde. Alle starrten sie ihn an wie Pythons, in deren Nest sich ein Kaninchen verlaufen hatte.

      Einer der Kerle hinter Herb Morgan sprach auf chinesisch zu seinem Chef, über dessen feistes Mongolengesicht huschte ein zufriedenes Grinsen, dann richtete er die tiefliegenden, dunklen Augen auf Herb.

      „Dann sprich, mein amerikanischer Freund: Aus welcher Werkstatt stammen die Blüten, die du mir andrehen wolltest?“

      Herb Morgan schluckte würgend, die Stimmbänder drohten ihm den Dienst zu versagen, denn er begriff jetzt endgültig und mit aller Schärfe, dass er mit seiner Habgier sein eigenes Todesurteil gefällt hatte. Ob er redete oder ob er schwieg, es war egal. Er war so gut wie tot.

      Die bessere Chance aber rechnete er sich aus, wenn er den Mund aufmachte. Also redete er. Sein Hals war trockener als Sandpapier ...


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