Trevellian und der Tod in Chinatown: Action Krimi. Pete Hackett
Wir machen das Geschäft – du und ich. Wir treffen uns, wie ausgemacht, genau heute in sechs Tagen. Du bringst die Ware mit, und ich zahle dich aus. Und wenn alles so läuft, wie ich mir das vorstelle, dann wird sich unsere Geschäftsbeziehung vertiefen und ganz gewiss noch eine Weile andauern. Alles klar?“
„Ich – ich weiß nicht ...“
„Du willst doch jetzt nicht abspringen?“, kam es drohend durch die Leitung. „Ich könnte es mir nicht leisten ...“
„Nein, Luigi. Gewiss nicht.“ Mortimer sprach es hastig und voll gemischter Gefühle. Er hatte unvermittelt das Empfinden, in einer Sackgasse zu stecken, aus der es kein Entrinnen gab.
„Dann ist‘s ja gut. Also in sechs Tagen.“
Stelario legte auf. Hardin hielt noch eine Weile den Hörer in der Hand. Er kniff die Lippen zusammen und versuchte eine gerade Linie in sein Denken zu bringen. Stelario hatte nicht den geringsten Zweifel aufkommen lassen, dass er den Ton angab und dass er einen Rückzieher nicht duldete. Stelario zum Feind zu haben war gleichbedeutend mit tot zu sein.
In Mortimer Hardins Eingeweiden begann es zu rumoren.
Als er ebenfalls auflegte, wurde die Tür geöffnet. Im nächsten Moment schob Anny March ihren Kopf durch den Spalt. „Was ich vorhin vergaß, Mort: Herb Morgan ist heute nicht zur Arbeit erschienen. Er hat auch nicht angerufen und sich entschuldigt.“
Mortimer Hardin zuckte zusammen, als hätte ihn jemand mit einem glühenden Eisen berührt.
„Er – er ... Morgan ist nicht zur Arbeit erschienen?“, stammelte er nahezu fassungslos, und er spürte, wie sich Puls und Herzschlag beschleunigten. Er schluckte mühsam. „Hast du bei ihm angerufen, Anny?“
„Ja. Er hebt nicht ab.“
Mortimer Hardins Blick schien sich nach innen zu kehren. „Ist schon gut, Anny. Vanderbildt soll zu mir kommen. Sofort.“
Annys Kopf verschwand, die Tür wurde zugezogen. Derart aufgelöst hatte Anny March ihren Chef und Geliebten noch nie gesehen.
Nach der Hiobsbotschaft ahnte er Fürchterliches. Er hatte Mühe, die Fassung zu bewahren. Er fühlte sich unvermittelt wie ein Seiltänzer bei einem gefährlichen Drahtseilakt ohne Netz und doppelten Boden.
Vanderbildt erschien. Ohne den Gruß des Mannes zu erwidern stieß Mortimer Hardin erregt hervor: „Hast du zu irgend jemand von der Sache gesprochen, Dave?“
Dave Vanderbildt, ein großer, schlaksiger Bursche von etwa 35 Jahren, schüttelte den Kopf. „Hältst du mich für doof?“, fragte er respektlos.
Hardin schluckte es. Sie waren nur nach außen hin Chef und Angestellter. Im Innenverhältnis waren sie Komplizen.
„Was ist mit Herb?“ Hardin spuckte die vier Worte regelrecht hinaus.
„Keine Ahnung.“ Vanderbildts Stirn legte sich in Falten. „Was soll mit ihm sein? Was ist los, verdammt? Du bist aufgeregter als eine Jungfrau vor dem ersten Mal. Mach den Mund auf und lass dir nicht die Würmer einzeln aus der Nase ziehen.“
Mortimer Hardin klärte seinen Komplizen mit dürren Worten auf. Vanderbildt nagte an der Unterlippe. „Schätze, da hat Herb Scheiß gebaut“, murmelte er dann. „Ich war ja gleich nicht dafür, dass wir diesen Windhund ...“
Hardin unterbrach Vanderbildt. „Er ist ein Experte auf dem Gebiet des Computer-Design. Darum brauchten wir ihn.“
Vanderbildt kam nicht mehr zu einer Erwiderung. Denn Anny March riss die Tür auf. Sie war leichenblass. Schreck weitete ihre dunklen Augen, ihre Lippen bebten. „Mr. Hardin, hier – mein Gott, es ist zu schrecklich ...“
Wenn Dritte anwesend waren, war er Mr. Hardin, und sie war Miss Anny oder einfach nur Anny. Kein Mensch in der Firma hatte eine Ahnung, dass sie ein Verhältnis hatten, nicht einmal Vanderbildt, im Verein mit dem und Herb Morgan er, Mortimer Hardin, den „großen Deal“, wie er sich auszudrücken pflegte, durchziehen wollte.
Sie hielt die New York Times in der Hand, ein Zittern durchlief ihre Gestalt.
„Was ist schrecklich, verdammt, reden Sie schon“, schnappte Hardin, war aber schon bei Anny und riss ihr die Zeitung aus der Hand. Er überflog die Seite, konnte aber auf Anhieb nicht entdecken, was Anny so sehr entsetzte, dass ihr die Stimmbänder versagten.
Anny fing sich. Tränen standen in ihren Augen. Sie tippte mit dem Zeigefinger auf eine kleine Meldung, die nur allzu leicht zu übersehen war. „Hier, Mor ...“ Sie verschluckte den Rest des Namens, als sie sich rechtzeitig besann, dass sie eine Rolle spielte. „Hier, Sir, ich – ich kann es noch gar nicht fassen. Der arme Herb ...“
Vanderbildt schaute misstrauisch von ihr zu Hardin, auf seiner Stirn hatten sich über der Nasenwurzel zwei steile Falten gebildet.
Hardin spürte, wie ihm die Knie weich wurden. Eine Bruchteile von Sekunden andauernde Blutleere im Gehirn ließ ihn auf der Stelle taumeln. Sein Gesicht entfärbte sich und bekam die Farbe des Papiers, auf dem schwarz auf weiß stand, dass Herb Morgan erwürgt und sein Leichnam in den Hudson River geworfen worden war.
Er musste sich setzen. Vanderbildt nahm ihm die Zeitung aus der Hand. Dave Vanderbildts Wangen begannen zu vibrieren. Ein Schatten lief über sein Gesicht. Schließlich gab er mit belegter Stimme zu verstehen: „Es ist gut, Anny. Lassen Sie uns allein.“ Er fingerte in seiner Jackentasche herum, holte eine Packung Marlboro heraus und zündete sich einen Glimmstängel an. Dann wartete er, bis Anny draußen war, die sich nur zögerlich zurückgezogen hatte, und schließlich quoll es aus ihm heraus: „Hast du jetzt noch einen Zweifel, Mort? Herb wollte uns hereinlegen und hat sich an irgendeinen Mafia-Clan gewandt, um das Geschäft alleine zu machen. Allerdings machte er die Rechnung ohne den Wirt, wie es aussieht.“
Mortimer Hardin schüttelte den Kopf. Zu mehr war er im Augenblick nicht fähig.
Vanderbildt trat vor ihn hin, beugte sich tief zu ihm hinunter. „Eine Frage am Rande, Mort“, dehnte er. „Anny wollte dich vorhin mit deinem Vornamen anreden. Ist da etwas?“
Ihre Blicke kreuzten sich. „Unsinn“, murmelte Mortimer Hardin. „Die Gute ist total verstört, völlig konfus. Ist ja auch kein Wunder, oder? Auch ich bin ziemlich verwirrt. Da kann schon mal ...“
„Wir können uns keinen Schwachpunkt leisten, Mortimer“, floss es schwer über Vanderbildts Lippen. „Und das weißt du auch.“
„Immerhin hatte ich ja die Idee“, brauste Hardin auf. „Ich war es auch, der die Verbindung zu Stelario geknüpft hat. Du und Herb – ihr seid die Asse am Computer. Planung und Organisation aber obliegen mir. Glaubst du im Ernst, dass ich einen Fehler mache?“
3
Mein Kollege Milo faltete die Zeitung zusammen und legte sie zur Seite, trank einen Schluck von seinem Kaffee und sagte in meine Richtung: „Sie haben gestern Abend einen gewissen Herb Morgan aus dem Hudson River gefischt. Sagt dir der Name was?“
Ich hatte es ebenfalls schon gelesen. Der Name sagte mir nichts.
„Nein“, erwiderte ich. „Höre ich zum ersten Mal. Hatte Würgemale am Hals, der arme Hund.“ Ich zuckte die Schultern. „Sache der City Police, würde ich sagen.“
„Du