Mörder sind keine Engel: 7 Strand Krimis. Cedric Balmore
hereinzubitten?“
Bount erhob sich. Er durchquerte Zimmer und Diele, dann öffnete er die Tür. „Hallo“, sagte er.
Vor ihm stand seine Klientin Leslie Harper.
In Jeans und dunkelblauer Seglerjacke sah sie jung und sportlich aus, keineswegs wie eine junge Dame der Gesellschaft oder wie eine prominente Lady aus einem Haus am Battery Park. Sie starrte ihm verdutzt in die Augen.
„Ich verstehe“, sagte Bount. „Mrs. Finch hat vorhin mit Ihnen telefoniert, deshalb war die Leitung besetzt. Mrs. Finch hat Sie hergebeten.“
Leslie Harper antwortete nicht. Sie ging an ihm vorbei ins Wohnzimmer. Joyce Finch lächelte der Besucherin ins Gesicht. „Reiniger hat die Schüsse gehört“, sagte sie. „Es wäre sinnlos gewesen, ihm etwas vormachen zu wollen.“
Leslie Harper setzte sich abrupt. „Du bist verrückt“, murmelte sie.
Bount zog behutsam die Wohnzimmertür hinter sich ins Schloss, lehnte sich dann gegen die Wand, musterte die beiden jungen Frauen und stellte fest: „Sie schulden mir eine Erklärung, meine Damen.“
„Sie wissen bereits genug“, sagte Joyce Finch. „Ich musste Bruce Copper töten. In Notwehr. Er hat versucht, mich zu vergewaltigen. Außerdem wollte er mich erpressen. Seine Leiche liegt in meinem Schlafzimmer. Sie werden den Toten verschwinden lassen.“
„Ich werde nichts dergleichen tun“, sagte Bount ruhig. „Sie sollten endlich die Polizei informieren. Sonst muss ich das übernehmen.“
„Das hast du nun davon!“, sagte Leslie Harper zu ihrer Freundin.
Joyce Finch zuckte mit den Schultern. „Du bist seine Klientin. Er kann dich nicht in die Pfanne hauen, davon werde ich profitieren. Außerdem spielt er sich nur auf. Er bemüht sich, den Schein zu wahren. Reiniger ist käuflich wie alle anderen. Es ist nur eine Frage des Preises. Also gut – handeln wir ihn aus!“
„Mrs. Harper hat mir eine Komödie vorgespielt“, sagte Bount. „Unter diesen Umständen sehe ich mich außerstande, weiterhin ihre Interessen zu wahren.“
„Er meint es ernst“, sagte Leslie Harper.
„Dann“, erklärte Joyce Finch und zog mit raschem Griff ihre Pistole unter dem losen Sitzkissen des Sessels hervor, „müssen wir die Konsequenzen ziehen. Es spielt schließlich keine Rolle, ob wir dem Meer eine oder zwei Leichen anvertrauen.“
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Bount grinste. Das Grinsen fiel ihm nicht leicht. Er spürte, dass Joyce Finch eine sehr merkwürdige Einstellung zum Wert des menschlichen Lebens hatte. Er schätzte die Entfernung ab. die zwischen ihm und der Waffe in Joyces Hand lag und kam zu dem Schluss, dass er sie nicht einmal mit einem Panthersprung überbrücken konnte.
„Ich bin Profi“, sagte er. „Nach den Schüssen habe ich nicht nur mit Ihnen telefoniert. Man weiß, wo ich mich im Augenblick befinde.“
„Er blufft“, sagte Joyce Finch.
„Da bin ich mir nicht sicher“, meinte Leslie Harper mit schmal gewordenen Augen.
„Was wird hier gespielt?“, fragte Bount.
Joyce Finch lachte höhnisch. „Der große Detektiv! Er ist noch immer nicht dahintergekommen.“
„Lege die Pistole aus der Hand, bitte“, drängte Leslie Harper. Ihre Lippen zuckten nervös. „So kann es einfach nicht weitergehen, Joyce. Wir wollten ein Syndikat gründen, keine Killerclique!“
„Wir haben uns geschworen, vor nichts zurückzuschrecken“, sagte Joyce Finch. „Vor nichts! Was Männer fertigbringen, schaffen wir auch, nur machen wir es besser, das hast du selber gesagt, nicht wahr? Und wir haben dir applaudiert!“
„Du hast das falsch verstanden“, meinte Leslie Harper gequält. „Ich wollte es diesen Kerlen zeigen, sicher, aber doch nicht so! Ich wollte vor allem gerissener sein als sie – nicht unbedingt brutaler!“
„Wenn du nicht brutaler als sie sein kannst, hast du verloren, dann haben wir alle verloren, das muss dir doch klar sein“, meinte Joyce Finch.
Bount löste sich von der Wand. Er machte einen Schritt nach vorn. Joyce Finch riss die Waffe hoch, ihr Finger erreichte den Druckpunkt des Abzugs, sie zielte geradewegs auf Bounts Herz. „Stehenbleiben!“, sagte sie scharf. „Noch eine Bewegung und ich ziehe durch!“
Bount stoppte. Er sah, dass die junge Frau es ernst meinte. Leslie Harper erhob sich. Sie streckte die Hand nach der Waffe aus.
„Gib sie mir, bitte!“
„Willst du ihn umlegen?“
„Ich will, dass wir mit diesem Unsinn Schluss machen“, sagte Leslie Harper.
„Das ist Verrat, wir können nicht mehr zurück“, meinte Joyce Finch. „Für uns gibt es nur eines: die Flucht nach vorn.“
„Gib mir die Pistole, los!“
„Seien Sie vorsichtig“, warnte Bount. Er spürte, dass Leslie Harper sich in tödlicher Gefahr befand und nicht bereit war, sich ihr zu entziehen. Alles in ihm drängte danach, das Ganze in den Griff zu bekommen, aber Joyces Finger am Druckpunkt und die beherrschte, eisige Kälte in ihrem Wesen ließen es nicht geraten erscheinen, in diesem Moment etwas zu unternehmen.
„Wir werden ihm alles erklären“, sagte Leslie Harper. „Er kann, er wird uns helfen.“
„Du hast gehört, was er sagte!“
„Ich nehme das nicht ernst“, meinte Leslie Harper.
„Du bist eine Närrin. Dich muss man vor vollendete Tatsachen stellen“, erklärte Joyce Finch. „Ich lege ihn um!“
Sie zielte. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte Bount die Gewissheit zu haben, dass er verloren hatte, dass alles aus und vorbei war, aber dann geschah das Unerwartete und zugleich Entsetzliche: Leslie Harper warf sich der Freundin entgegen, und Joyce Finch drückte ab.
Leslie Harper brach zusammen wie vom Blitz getroffen.
Bount schnellte nach vorn. Mit einem Handkantenschlag fegte er der jungen Frau die Pistole aus der Hand. Joyce Finch stieß einen Schrei aus, gemischt aus Wut und Schmerz, sie umklammerte ihr Handgelenk und fiel zurück in den Sessel.
Bount hob die Waffe auf, schob sie in seine Tasche und beugte sich über Leslie Harper. Sie lebte noch. Er sprang zum Telefon, wählte die Telefonnummer und sagte: „Sofort eine Ambulanz mit Arzt zum Hause Battery Park 11.“ Er ließ sich die Adresse bestätigen, dann legte er auf.
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