DRECKIGES GOLD. Robert Blake Whitehill

DRECKIGES GOLD - Robert Blake Whitehill


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spätes siebzehntes Jahrhundert. Vierhundert durch sechzehn sind glatte fünfundzwanzig imperiale Pfund. Das ist ein altes Maß. Altes Gold. Was ist mit dem Stempel? Wie ein Grinsegesicht, aber ein bisschen schief.«

      Ben starrte seinen Sortierer an. »Du bist ziemlich gut informiert, Ellis. Aber sag nichts. Du hast dich über Investitionsgüter informiert für …«

      »Für meinen Ruhestand, ja, Ben. Als Absicherung für schlechte Zeiten.« Ellis antwortete gelassen, aber die Warnung an Ben, nicht weiterzugraben, war deutlich.

      »Da du so schön in Fahrt bist, würdest du eine Vermutung anstellen, wie viel eine Feinunze wert ist, sagen wir, gegen Ende des gestrigen Goldmarkts?«

      Ellis kratzte sich am Kopf. »Weiß nicht. Wenn ich schätzen müsste …«

      Ben verschränkte seine Arme. »Oh, bitte.«

      »Das käme so auf 1732 Penunzen. Ist in letzter Zeit ziemlich schnell gestiegen, aber nicht so schnell wie Silber oder Palladium. Ist trotzdem eine ordentliche Absicherung, wenn der Aktienmarkt weich wird und mit Feiglingen und Betrügern durchlöchert ist. China und Indien sind die großen Goldmärkte, aber hauptsächlich für Schmuck. Da es immer ein paar Jahre dauert, neue Goldminen einzubringen, ist die Nachfrage für ein Weilchen ein bisschen höher als das Angebot, bevor sich der Preis stabilisiert, ganz zu schweigen von einer Korrektur nach unten. Aber nimm mich nicht beim Wort.«

      Ben nahm den Goldbarren in die Hand und sprach leise: »Dieses kleine Ding ist sechshundertdreiundneunzigtausend Dollar wert?« Knocker Ellis lächelte. »Mehr oder weniger. Und du glaubst, davon sind noch mehr da unten?«

      »Ja, ich würde sagen, ziemlich viele. Was geht hier vor sich, Ellis? Hinter jedem Wort von dir stecken noch ein halbes Dutzend mehr. Würdest du mich vielleicht aufklären?«

      Nun war Ellis an der Reihe, gen Horizont zu sehen. »Ich würde sagen, wir haben Probleme. Und mit allem gebührlichen Respekt, wir haben auch einen Toten.«

      »Der hält sich.«

      Ellis Augenbrauen zuckten einen Millimeter nach oben, was bei ihm eine Zurschaustellung enormer Überraschung war. »Könnte tüchtig Ärger geben, falls wir das für uns behalten, Ben. Bußgelder. Deine Lizenz wäre weg. Laut Gesetz …«

      Bens Stimme war fest. Seine Augen klar. »Das Gesetz ist gerade nicht an Bord. Ich beende die Austernsaison dieses Jahr etwas früher.«

      Ellis sah wieder auf den Goldbarren und lächelte ein wenig. »Aye aye, Captain Blackshaw.«

      Ben war sich sicher, dass Knocker Ellis mehr wusste, als er vorgab. In diesem Moment war die plötzliche Geschwätzigkeit des Sortierers die geringste der heutigen Überraschungen. Ben fühlte sich von den Geheimnissen derart umzingelt, wie das Wasser der Bucht hart und kalt von allen Seiten drücken konnte. Ging man zu tief, konnte es das Leben aus einem herauspressen.

      KAPITEL 5

      Das alte, abgeschiedene Holzrahmenhaus außerhalb von St. Mary's City, Maryland, war so dunkel wie eine Bärenhöhle. Die Wolken hielten sämtliches Mondlicht von den Fenstern fern. Die Stromversorgung zu dem einsamen Außenlicht, installiert in einer alten Eiche, war am Sicherungskasten gekappt worden. Chalk war bei dieser Art von Einsätzen in seinem Element. Er hasste es, Zeit mit der Senatorin zu verbringen. Sie war ein alter Hund, der keine neuen Tricks lernte. So, wie der Gebrauch von Chaos Chalk belebte, kostete es ihn jedes Mal ein Stück seiner dunklen Seele, sich mit der Senatorin gut zu stellen. Und trotzdem, Geschäft war Geschäft. Er ließ den Nachmittagsflug hinter sich. Natürlich hatte Tom Chase, Chalks durchgebrannter Kurier, es nicht für nötig befunden, sich um sechs Uhr zu melden. Das Warten war vorüber, die Zeit zu handeln gekommen.

       Chalk hatte seine Agenten drinnen und um das Haus herum verteilt. Wie eine Plage von Spinnen, bereit für die Ankunft einer einzelnen Fliege, warteten sie auf eine Frau namens Nelly Vickers.

      Tom Chase hatte Miss Vickers im vorigen Jahr zur Weihnachtsfeier von Right Way Umzüge und Lagerung begleitet. Obwohl sie nicht gerade ihren Hintern auf dem Firmenkopierer vervielfältigt hatte, war sie beschwipst und quirlig gewesen und Chalk hatte sie angequatscht und sich ein paar Details gemerkt. Tom Chase war zu dem Zeitpunkt noch neu bei der Firma gewesen. Ein Buch mit sieben Siegeln. Nelly, ein steiler Zahn um die vierzig, wusste nicht sonderlich viel über ihr Date. Sie hatte ihn erst neulich kennengelernt. Heute Abend hatte Chalk sich ein wenig Hilfe von den Spionagenerds in Quantico verschafft. Sie verfolgten Vickers Spur bis zu ihrem Haus in diesem abgelegenen Waldstück. Momentan hatte sie die zweifelhafte Ehre, Chalks einziger Anhaltspunkt zu sein. Sein einziges Guckloch in ein Privatleben, welches Chase völlig von der Arbeit getrennt hatte. Vielleicht hatte sie Chase seit der Party etwas besser kennengelernt. Vielleicht konnte Chalk ihr helfen, sich an etwas zu erinnern, wenn sie stocknüchtern, nackt und mit Kabelbindern an die Metallbeine ihres Küchentisches gefesselt war. War einen Versuch wert, oder nicht? Chalk lehnte sich in einem durchgesessenen Fernsehsessel im grabesstillen Wohnzimmer zurück. Wenn er sein Nachtsichtgerät aufsetzte, hatte er eine klare Sicht auf die Eingangstür. Tiefe Spurrillen und Schuhabdrücke Größe vierzig draußen auf dem Boden verrieten ihm, dass sie dort reinkommen würde. Nicht durch die Seitentür in der Küche.

      Er schwenkte ein Glas mit achtunddreißigjährigem Balblair-Scotch aus seinem eigenen Flachmann. Er nippte und badete seine Zunge im Hochlandhonig. Sobald das alles vorbei war, wollte er vielleicht die Flasche mit dem sechzigjährigen MacAllan anbrechen, die er für eine besondere Gelegenheit aufgehoben hatte. Er scherte sich einen Dreck um den Lalique-Kristalldekanter oder das Zwanzigtausend-Dollar-Preisschild. Nach diesem Desaster würde er etwas brauchen, das wahrhaft Wiedergutmachung in einer rauchig-flüssigen Sprache verkündete, die er und sehr wenig andere sprachen. Seine Glock 21 lag auf einem Beistelltisch, eine Kugel in der Kammer. Da war ein kleiner Ölfleck von der Pistole auf ihrer Ausgabe des Chesapeake-Bay-Magazins. Das war egal. Ihr Abonnement war im Begriff, gekündigt zu werden. Im Dunkeln betrachtete Chalk die Kette von Dummheiten, die ihn zu diesem Haus geführt hatte. Er war genauso verärgert über seinen neuen Mann, Bill Slagget, wie über seinem altbewährten Stellvertreter, Simon Clynch. Beide Schergen kauerten hinter Möbeln ganz in der Nähe. Wo zum Teufel kam das Wort Scherge eigentlich her? Trotz alledem hoffte Chalk, dass sie es unbequem hatten und Krämpfe bekamen. Hauptsächlich war Chalk sauer auf sich selbst. Er hätte Tom Chase nicht allein mit einem so wichtigen Auftrag betrauen sollen. In seinem Innersten wusste Chalk, dass er selbst Schuld an dieser Misere hatte. Das konnte allem ein Ende setzen, sein Leben eingeschlossen, selbst wenn Senatorin Morgan es nicht bereits auf ihn abgesehen hätte.

      Bei diesem Job hätte Simon Clynch mit Tom Chase zusammenarbeiten sollen. Doch dazu war nicht gekommen. Clynch war einem üblen Fall von Lebensmittelvergiftung zum Opfer gefallen, zugezogen bei einem normalerweise sicheren Sushi-Laden, den sie mochten, nahe des U-Circles in D. C. Clynch hatte gejammert, dass er auf dem Höhepunkt seiner Krankheit auf fünfzig Metern Entfernung durch ein Nadelöhr scheißen könnte. Auf die gleiche Weise war auch Slagget mit Dünnpfiff auf dem Porzellanthron gefangen gewesen, genau zu dem entscheidenden Zeitpunkt, als der Auftrag bei Right Way einging. Chalk hatte den Bakterien mit etwas Übelkeit getrotzt, seinen gusseisernen Darm jedoch nicht entleert. Er hätte persönlich mit Tom Chase in den Einsatz gehen können und sollen. Trotz besseren Wissens hatte er sich dagegen entschieden. Er war zu Hause geblieben. Es war immerhin sein Geburtstag gewesen. Er hatte es vorgezogen, diesen besonderen Abend nach alter Gewohnheit zu verbringen: mit seiner Lieblingsprostituierten, Phoebe DeLyte.

      Als er an seine eigenartigen Beziehungen zu Senatorin Lily Morgan und Phoebe DeLyte dachte, fühlte Chalk sich ein wenig wie Robin Hood. Er, der Stecher der Witwen und Waisen, beraubte die Reichen und verteilte das Geld unter seinen Armen. Genauso wie in den letzten Jahren hatte sich Phoebe ihr Geld verdient, wie Aphrodite selbst, hatte ihn bis zum Morgen fröhlich gevögelt, bis Chalk in einen sabbernden, katatonischen Zustand verfallen war. Nun musste Chalk für diese Fehleinschätzung bezahlen. Jesus im Himmel. Vielleicht würde er Tom Chase kreuzigen, sobald sie ihn gefunden hatten. Dar Gavin, einer von Chalks Männern, der am Eingang von Vickers langer Auffahrt postiert war, gab Chalk durch einen Funkohrhörer Bescheid.


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