Mit den Narben der Apartheid. Michael Lapsley

Mit den Narben der Apartheid - Michael Lapsley


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Die Rückkehr nach Südafrika – auf der Suche nach einer neuen Identität

       10 Eingriff in die Zwangsläufigkeit der Geschichte

       11 Wahrheit, Amnestie und Entschädigung

       12 Täuschend einfach

       13 Die Gründung des Institute for Healing of Memories

       14 Kuba

       Teil IV Eine weltweite Mission

       15 Ruanda und der Völkermord

       16 Australiens gestohlene Generation

       17 Simbabwe – Schrecken ohne Ende

       18 Folter

       19 Das Heilen der Erinnerungen in den USA

       20 Pedro, ein Guerillakämpfer für den Frieden

       21 Mit Mut und Hoffnung in die Zukunft

      Vorwort

      Erzbischof emeritus Desmond Tutu

      Ich kenne Pater Michael Lapsley, seit er nach seiner Verbannung aus Südafrika Ende 1976 zum ersten Mal nach Lesotho kam. Es herrschten damals schwere Zeiten, denn wir litten alle unter der brutalen Knute der Apartheid. Obwohl er noch ein junger Priester war, erhob er unerschrocken seine Stimme gegen die Unterdrückung und wurde zur Belohnung dafür des Landes verwiesen. Anstatt nach Hause ins sichere Neuseeland zurückzukehren, ging er nach Lesotho, wo ich damals Bischof war. Dort setzte er den Freiheitskampf entschlossen fort und trat in der ganzen Welt für Freiheit und Gerechtigkeit in Südafrika ein. 1990, als er in Simbabwe lebte, forderte sein Engagement einen hohen Preis: Ihm wurde eine Briefbombe zugeschickt, die ihn schwer verletzte. Nachdem er sich von seinen Verletzungen erholt hatte, kehrte er nach Südafrika zurück, wo ich ihm eine Stelle als Priester in meiner Diözese anbot, der anglikanischen Diözese von Kapstadt. Dieses Amt übt er zu meiner Freude noch heute aus.

      Vor etwas mehr als einem Jahr, am zwanzigsten Jahrestag des Briefbombenanschlags, konnte ich zu meiner großen Freude den Dankgottesdienst in der St.-Georgs-Kathedrale in Kapstadt abhalten. Wir dankten dafür, dass Pater Michael überlebt hat, und würdigten seine Arbeit, die er mit dem von ihm gegründeten Institute for Healing of Memories (Institut für das Heilen von Erinnerungen) vollbringt und dessen Förderung mir eine Ehre ist. Ich hatte schon seit geraumer Zeit gehofft, dass er seinen Lebensweg im Dienste des Herrn schriftlich festhalten würde, und bin nun hocherfreut, dass man mich darum gebeten hat, dafür dieses Vorwort zu verfassen.

      Seit dem Anschlag betätigt sich Pater Michael als herausragender Fürsprecher für Heilung und Versöhnung, sowohl in Südafrika als auch in anderen zerrissenen Regionen der Welt. Er ist in der Tat ein Weltbürger geworden, und ich habe seine Arbeit mit zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht verfolgt. Obwohl er körperlich gebrochen wurde, ist er der vollkommenste Mensch, den ich kenne, im wahrsten Sinne ein verwundeter Heiler. Seine Erinnerungen werden seine Botschaft vielen Menschen in der ganzen Welt näherbringen und dem Institut neue Tätigkeitsfelder erschließen – ein Segen für alle.

      Einleitung

      Die Geschichte Südafrikas ist eine Parabel für eine Welt, die sich nach Hoffnung sehnt. Nach langem, erbittertem Kampf brach ein System zusammen, dessen Verfassung Rassismus institutionalisierte. Die Apartheid fand damit ein Ende und wurde durch eine facettenreiche Demokratie ersetzt. Dieser Triumph hatte jedoch seinen Preis, für das Land und für mich. Mein eigener Lebensweg spiegelt die Geschichte meiner Wahlheimat wider. Als junger anglikanischer Priester aus Neuseeland wurde ich auf dem Höhepunkt der rassistischen Unterdrückung in Südafrika von meinem geistlichen Orden dorthin entsandt. Ich schloss mich dem Freiheitskampf an, ging ins Exil und wurde zum Stachel im Fleisch des Apartheidregimes. Eine Briefbombe nahm mir beide Hände und ein Auge, aber nicht mein Leben, ebenso wenig wie die Apartheid dem südafrikanischen Volk seine Ziele und Hoffnungen nehmen konnte. Als ich nach Südafrika zurückkehrte, musste ich erkennen, dass die Zeit der Apartheid bei allen Narben hinterlassen hatte und jeder hat seine eigene Geschichte zu erzählen. So kam ich zu dem Entschluss, ganz Südafrika bei der Heilung zu unterstützen. In dieser Autobiografie schildere ich also meinen Weg vom Freiheitskämpfer für Südafrika zum verwundeten Heiler mit einer globalen Mission.

      Das Apartheidregime versuchte oft, die Repression mit einer pervertierten Interpretation der Bibel zu rechtfertigen: eine Entscheidung für den Tod, die im Namen eines lebensbejahenden Evangeliums gefällt wurde. Als Priester im Freiheitskampf zweifelte ich an der religiösen und moralischen Legitimität, die sich das Regime selbst zusprach. Nach einer tiefen Glaubenskrise gab ich den Pazifismus widerstrebend auf und befürwortete den bewaffneten Kampf als Notwendigkeit, um die Menschen Südafrikas zu befreien. Ich wurde von der Apartheidregierung vertrieben und ging ins Exil, zunächst nach Lesotho und anschließend nach Simbabwe. Dort wurde ich durch die Briefbombe schwer verletzt und trug eine dauerhafte Behinderung davon. Meine Genesung verlief zeitlich parallel zu den Verhandlungen, die in das Ende der Apartheid und die Einführung der Demokratie mündeten, so dass ich nach meiner Gesundung nach Südafrika zurückkehren konnte. Dort wurde ich Seelsorger im Trauma Centre for Victims of Violence and Torture (Zentrum für traumatisierte Gewalt- und Folteropfer) und gründete später das Institute for Healing of Memories.

      Wo auch immer Gewalt, Armut und Unterdrückung herrschen, inspiriert die Geschichte Südafrikas nach wie vor die Menschen, die körperliche, geistige und seelische Verletzungen erlitten haben und erleiden. In unserer finstersten Stunde erwies sich die Macht des Guten als der des Bösen überlegen – das Apartheidregime stürzte, und die Gerechtigkeit siegte. So macht auch meine eigene Geschichte anderen Menschen Mut. Die Briefbombe ließ mir nicht nur mein Leben, sondern auch meine einzige Waffe gegen die Apartheid: meine Zunge. Durch meine sichtbaren Verletzungen entsteht jedoch eine Verbundenheit mit anderen Menschen, deren Verletzungen häufig weniger sichtbar, aber nicht minder spürbar sind. Und Schmerz bringt Menschen einander näher. Bei meiner Arbeit als Heiler höre ich von vielen, dass sie mir vertrauen können, weil ich selbst Schmerz erfahren habe. Am wichtigsten ist letztendlich unsere Fähigkeit, den Schmerz in eine lebensspendende Kraft umzuwandeln. Doch kann dies eine Reise in vielen kleinen Etappen sein. Unsere Arbeit bei Healing of Memories bietet Menschen die Chance, einen Anfang zu machen.

      Diese Autobiografie besteht aus vier Teilen. Im ersten Teil schildere ich das Schlüsselerlebnis: den Briefbombenanschlag, durch den ich beide Hände und ein Auge verlor. Ich erzähle von der langen Zeit meiner Genesung und der Anpassung an meine Behinderung. In Teil II hören Sie die Geschichte meines Lebens als Freiheitskämpfer. Ich beginne jedoch mit einem Rückblick auf meine Kindheit in Neuseeland und auf die Entwicklung meines Glaubens, der jeden Aspekt meines Lebens geprägt hat und weiterhin prägt. Dann teile ich mit Ihnen, wie sehr mich die Konfrontation mit der Apartheid in Südafrika schockierte und wie mein Glaube dadurch erschüttert wurde, und schließlich meine Verbannung aus Südafrika und meine Jahre als Freiheitskämpfer in Lesotho, später in Simbabwe. In Teil III nehme ich den Briefbombenanschlag als Ausgangspunkt für die Veränderung


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