Umgelegt vom Killer: Krimi Koffer 9 Romane. A. F. Morland

Umgelegt vom Killer: Krimi Koffer 9 Romane - A. F. Morland


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verdiente diese Auszeichnung seine Schwester Claire.

      Nichts hatte sich verändert.

      Nur an der Ecke, da wo die Wäscherei gewesen war, war jetzt, ein Fotogeschäft.

      Die Straße, in der Claire wohnte, hatte nichts von ihrer Trostlosigkeit eingebüßt. Der Driver stoppte den Wagen. „Wir sind da, Sir.“

      Kowalski nickte. Er bezahlte die Fahrt, holte seine Reisetasche aus dem Kofferraum und verschwand in einem grauen, schmalbrüstigen Haus.

      Claire hatte noch vom Schlaf verquollene Augen. Auf der linken Wange zeichneten sich die Abdrücke des Kopfkissens ab. In ihrem kastanienbraunen Haar baumelten Lockenwickler. Sie trug einen malvenfarbenen Morgenrock, der sich eng an ihre makellose Figur schmiegte. Obwohl sie unausgeschlafen war, sah sie sehr hübsch aus – und damit unterschied sie sich auch äußerlich auffallend von ihrem Bruder.

      Kowalski grinste sie an. „Hallo, Schwester. Darf ich reinkommen?“

      „Du hast Nerven. Was fällt dir ein, mich mitten in der Nacht zu wecken?“, fragte Claire schnippisch.

      „Von wegen mitten in der Nacht. Es ist neun Uhr. Andere Leute kommen um diese Zeit bei der Arbeit schon ins Schwitzen.“

      „Die sind bestimmt nicht erst im Morgengrauen nach Hause gekommen“, murmelte Claire und gab die Tür frei. „Na, komm schon rein.“

      „Deine Begeisterung über unser Wiedersehen ist direkt ansteckend“, feixte Kowalski.

      „Was erwartest du von mir? Dass ich mich vor Freude überschlage?“

      „Du könntest irgend etwas Nettes sagen.“

      „Weshalb? Du hast dich ein ganzes Jahr nicht um mich gekümmert. Es war dir egal, wie‘s mir geht ...“

      „Ich habe oft an dich gedacht.“

      „Davon habe ich nichts gemerkt. Nach zwölf Monaten erscheinst du plötzlich wieder auf der Bildfläche und tust so, als wärst du nur mal weg gewesen, um Zigaretten zu holen. Darf ich erfahren, was mir die Ehre deines Besuches verschafft?“

      Sie hatte keine Ahnung, in welcher „Branche“ er tätig war, und so sollte es auch in Zukunft bleiben. Er zuckte die Achseln, die rechte etwas mehr als die linke.

      „Ich bin ohne Grund hier“, sagte er.

      „Das kannst du mir doch nicht weismachen. Du bezweckst mit allem, was du tust, etwas. Warst immer schon ein nüchterner Rechner, der niemals etwas tat, das ihm nicht in irgendeiner Form Profit einbrachte.“

      Kowalski grinste. „Ist das nicht die beste Einstellung, die man sich zulegen kann?“

      „Ich finde sie zum Kotzen.“

      Kowalski wurde schlagartig ernst. „Hör zu, du verdammtes Luder, ich erwarte nicht von dir, dass du mir vor Freude an den Hals fliegst, aber wenn du mit mir keinen Verdruss haben willst, wäre es gut, wenn du dir einen anderen Ton aneignen würdest.“

      Es funkelte in Claires nussbraunen Augen. „Wenn dir mein Ton nicht gefällt, kannst du gern wieder gehen!“

      Sie ahnte nicht, wie knapp sie in diesem Augenblick an einer Ohrfeige vorbeiging. Kowalski schluckte seinen Zorn mühsam hinunter, trug seine Reisetasche in den Livingroom, ließ sich in einen Sessel fallen, streckte die Beine weit von sich und knurrte: „Ich werde ein paar Tage hier wohnen.“

      Claire folgte ihm. Sie blieb in der Tür stehen und stemmte die Fäuste in die Seiten. „Ach, und ich hab dazu wohl gar nichts zu sagen, wie?“

      „Richtig“, sagte Kowalski mit einem frostigen Lächeln um die Lippen. „Ich bleibe hier, solange es mir gefällt, ob dir das nun passt oder nicht!“

      „Na, das sind ja schöne Aussichten.“

      „Du musst dich durch mich in deinen Lebensgewohnheiten nicht stören lassen. Tu ganz so, als wäre ich nicht da.“

      „Das schaffe ich nie.“

      „Ist mir auch egal. Mach jetzt Frühstück. Ich habe Hunger.“ Verdrossen begab sich Claire in die Küche. Sie brachte wenig später ein Tablett mit Kaffee, Butter, Toast und Honig. Alles nur für eine Person.

      „Du isst nichts?“, fragte Kowalski.

      „Mir ist der Appetit vergangen“, antwortete Claire missmutig und verschwand im Schlafzimmer, um da Ordnung zu machen. Danach ging sie ins Bad. „Was hättest du gemacht, wenn ich einen Freund hier gehabt hätte?“, fragte sie ihren Bruder.

      „Ich hätte ihn mir angesehen, und wenn er mir gefallen hätte, hätte er bleiben dürfen.“

      „Und du?“

      „Ich wäre natürlich auch geblieben. Deinen Freund hätte das doch sicherlich nicht gestört.“

      Als Claire aus dem Bad kam, sah sie hinreißend aus. Mel Kowalski stieß einen anerkennenden Pfiff aus. „Donnerwetter. Ich hatte ganz vergessen, dass ich eine so bildhübsche Schwester habe. Dir laufen die Jungs bestimmt in Scharen nach.“

      „Kann schon sein“, gab Claire trocken zurück.

      Kowalski versuchte sie auszuhorchen. Er wollte wissen, ob es einen Mann in Claires Leben gab, doch das Mädchen wich seinen direkten Fragen entweder aus oder überhörte sie einfach. Nachdem sie im Wohnzimmer ein wenig aufgeräumt hatte, blickte sie auf ihre Uhr.

      Kowalski grinste. „Du kannst getrost zur Arbeit gehen, Baby. Ich pass inzwischen hier auf, dass nichts geklaut wird.“

      Er wollte wissen, was für einen Job sie hatte, doch sie sagte es ihm nicht. Sie war überhaupt sehr wortkarg. Als es auf elf Uhr zuging, schlüpfte sie in ihre hochhackigen Pumps und verließ die Wohnung, ohne Mel zu sagen, wohin sie ging und wann sie zurückzukommen gedachte. Er zog die Mundwinkel nach unten. „Die Dame hat schon lange keine feste Hand mehr gespürt“, knurrte er. „Nun, das wird jetzt anders werden!“

      Er fand es ganz selbstverständlich, dass er in Claires Schränken herumwühlte, sich alle Laden vornahm, das unterste zuoberst kehrte. Dabei fiel ihm ein Sparbuch in die Hände, in dem lächerliche zweihundert Dollar eingetragen waren. Rosig schien es Claire also nicht gerade zu gehen. Aber sie wäre viel zu stolz gewesen, dies ihm gegenüber zuzugeben. Er fand eine Telefonkladde mit vielen Nummern und wenigen Namen. Das kam ihm eigenartig vor, doch ehe er sich damit gedanklich eingehender befassen konnte, schellte es an der Tür.

      Er öffnete.

      Draußen stand ein mickriger Kerl im schwarzen Anzug. Seine Haut war blass. Er hatte tiefliegende, nichtssagende Augen, eine große, schiefe Nase, dünne Lippen und nervöse Hände. Er versuchte einen ungeduldigen Blick in die Wohnung zu werfen, doch Kowalski füllte die Öffnung voll aus. So war der Mickrige gezwungen mit seiner dünnen Fistelstimme zu fragen: „Ist Claire da?“

      „Was wollen Sie von ihr?“, fragte Kowalski eisig.

      Der Kleine kicherte verlegen und senkte den Blick. Kowalski stellte fest, dass der Bursche nicht minderbemittelt sein konnte. Der schwarze Anzug war Maßarbeit, ebenso die Schuhe. Und an den dünnen Fingern trug der Mann mehrere Ringe, die bestimmt keine Imitationen aus Hongkong oder Taiwan waren. Kowalski forderte den Mann auf, einzutreten. Er sagte ihm, Claire sei nicht zu Hause, und er habe keine Ahnung, wann sie wiederkommen würde.

      „Oh“, stöhnte der Kleine enttäuscht. „Das ist aber schade. Ich bin nur für ein paar Stunden in Baltimore, und da Claire gesagt hat, ich könne ruhig vorbeikommen, wenn ich mal in der Stadt sei, dachte ich ... Jammerschade ist das.“

      Kowalski erklärte dem Mann, er sei Claires Bruder.

      Der Mickrige sah ihn daraufhin mit großen Augen an. „Claire hat nie erwähnt, dass sie einen Bruder hat, und Sie sehen ihr auch nicht im entferntesten ähnlich.“

      „Tja, das ist nun mal nicht zu ändern, Mister ...“

      „McIntosh.


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