Umgelegt vom Killer: Krimi Koffer 9 Romane. A. F. Morland
können ...
Mit einundzwanzig war er schon dick im Geschäft, verdiente hervorragend, und hatte bereits gelernt, sich dem Zugriff der Polizei immer rechtzeitig zu entziehen. Er kannte eine Menge Tricks, die es ihm ermöglichten, seine Aufgaben gewissermaßen mit der linken Hand zu erledigen.
Die Commissione erwähnte ihn immer wieder lobend, und so kam es, dass er bald nicht mehr bloß für einen Don, sondern einmal für diesen und dann wieder für jenen die Kastanien aus dem Feuer holte.
Das brachte ihn auf die Idee, mit dem Segen der Ehrenwerten Gesellschaft eine eigene kleine Organisation zu gründen, die allen Mafia-Familien zur Verfügung stehen sollte.
Er kam mit seinem Vorschlag erstaunlich gut an.
Die Familien gaben ihm eine kräftige Finanzspritze, und er baute mit diesem Geld sein eigenes kleines Imperium auf, das heute so gut funktionierte. dass man in Cosa Nostra Kreisen immer wieder voll des Lobes war.
Patanas Erfolg beruhte zum Teil auch auf seiner großen Umsicht und auf seiner noch größeren Vorsicht. Er hatte eine feine Nase für Dinge, die faul waren, und reagierte darauf zumeist schon, wenn andere noch nicht einmal ahnten, was im Busch war.
So auch diesmal.
Er hatte zwei Soldati zu sich beordert, Männer, denen man besser nicht im dunklen begegnete. Kraftstrotzende Typen, deren Geschäft das Morden war. Es waren zwei seelenlose Schlächter, die ein Menschenleben auslöschten, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Patana hatte die beiden in letzter Zeit etwas kürzertreten lassen, weil er wollte, dass über all die Dinge, die sie in seinem Auftrag erledigt hatten, erst mal wieder Gras wachsen sollte.
Doch nun erschien es ihm angeraten, sich dieser Männer wieder zu bedienen.
Der eine hieß Alfredo Sevardo, hatte scharfe Luchsaugen und eine wulstige Narbe an der linken Wange.
Der muskulöse Bursche, der neben ihm stand, hieß Bingo Celentano und besaß Zähne, die so kräftig aussahen, dass man meinen konnte, er würde es mühelos schaffen, Drahtseile durchzubeißen.
Patana stand vor einem antiken Schreibtisch. Er hielt den Soldati ein hölzernes Zigarrenkistchen hin und bat sie, sich zu bedienen. Sie waren sich dieser Auszeichnung bewusst und strahlten.
Auch Sergio Patana nahm sich eine Zigarre. Wenig später nebelten sie sich paffend mit blauen Rauchschlieren ein.
„Ich könnte mir vorstellen“, begann Patana das Gespräch, „dass ihr darauf brennt, mal wieder etwas tun zu dürfen.“
Sevardo grinste. „Wer rastet, der rostet, Boss.“
„Die Pause, die wir gemacht haben, war lange genug“, meinte Celentano.
Patana nickte mit einem zufriedenen Lächeln. Die viele Ruhe hatte Sevardo und Celentano tatendurstig gemacht. Wenn er sie von der Leine ließ, würden sie doppelt so gefährlich sein wie früher.
Patana kratzte sich hinter dem Ohr. „Mir macht da ein Mann Kummer.“
„Sie brauchen uns nur seinen Namen sagen, Boss, den Rest erledigen wir“, sagte Sevardo eifrig.
Der Boss von „Black Friday“ nahm die Zigarre aus dem Mund und betrachtete angelegentlich die rote Glutkrone. „Der Name ist Mel Kowalski“. sagte er leise, und er merkte, wie durch die beiden ein Ruck ging. Kowalski war ein Todesbringer von ganz besonderem Format. Bisher war Patana mit dem Mann immer sehr zufrieden gewesen. Hin und wieder hatte Patana Mel Kowalski sogar als leuchtendes Beispiel hingestellt und den Wunsch geäußert, alle seine Männer sollten versuchen, so zu sein wie er.
Wodurch war Kowalski so plötzlich in Ungnade gefallen?
Er hatte eben erst George Burke und Fatty Booger mit einem glatten Handstreich aus dem Verkehr gezogen. Die beiden Morde waren reibungslos über die Bühne gegangen. Patana hatte sich mit äußerst zufrieden klingenden Worten darüber geäußert.
Sergio Patana blickte seine beiden Soldati an und schmunzelte. „Ich sehe, ihr seid sehr erstaunt.“
„Allerdings, Boss“, sagte Sevardo.
Bingo Celentano nickte beipflichtend.
„Kowalski ist ein ausgezeichneter Mann“, sagte Sevardo.
„Das bestreite ich nicht“, meinte Patana. „Ich schätze ihn nach wie vor sehr. Was er für Black Friday getan hat, ist beispiellos. Aber wir wollen Kowalski nicht auf ein Podest stellen, vor ihm niederknien und ihn anbeten. Er hat in der Vergangenheit gute Arbeit geleistet und wurde dafür auch gut bezahlt. Black Friday schuldet ihm also nicht das Geringste. Ich würde ihn gewiss weiter verwenden, wenn ...“ Patana brach ab. Er rauchte und sah seine Männer durchdringend an.
Sevardos Miene nahm einen erschrockenen Ausdruck an. „Hat er sich etwas zuschulden kommen lassen, Boss?“
Patana schüttelte langsam den Kopf. „Es ist nicht sein Verschulden, dass ich mir Sorgen mache.“
„Sondern?“, fragte Celentano.
„Woran denkt ihr. wenn ihr den Namen Roberto Tardelli hört?“, fragte Sergio Patana unvermittelt.
Sevardo schluckte nervös. „Der Mann ist ein Erzfeind der Cosa Nostra.“
„Wer Roberto Tardelli auf seinen Fersen hat, ist schlimm dran!“, behauptete Bingo Celentano.
Patana nickte. „Das ist es!“
„Was?“, fragte Celentano verwirrt.
„Mel Kowalski hat Tardelli auf seinen Fersen. Begreift ihr jetzt, weshalb ich mir Sorgen mache? Gewiss, Mel Kowalski hat seine Vorzüge, aber er hält nichts von Omertà. Er bekennt sich nicht zu unserer Schweigepflicht. Es ist zu befürchten, dass er, wenn Roberto Tardelli ihn erwischt, nicht den Mund halten wird, um selbst ein bisschen besser wegzukommen. Mit anderen Worten: Mel Kowalski wurde über Nacht zum Risiko für Black Friday. Ihr wisst, dass ich der Auffassung bin, dass sich unsere Organisation kein Risiko leisten darf ...“
„Was soll also geschehen?“, fragte Alfredo Sevardo mit harten Zügen.
Patana wies auf das Telefon, das neben ihm auf dem Schreibtisch stand. „Mel hat vor einer Stunde angerufen. Er hat mir erzählt, dass er einen Zusammenstoß mit Tardelli hatte. Er wurde dabei leicht verletzt. Ein Streifschuss nur, aber Mel hat mich gebeten, sich zuerst auskurieren zu dürfen, ehe er neue Aufträge übernimmt. Anschließend möchte er sich Roberto Tardelli vornehmen. Ich ließ ihn in dem Glauben, alles sei in Ordnung. Er weiß nicht, was auf ihn zukommt. Ein großer Vorteil für euch. Mel wird bis zum letzten Augenblick ahnungslos sein.“
„Wo finden wir ihn, Boss?“, fragte Bingo Celentano gespannt.
„Er hält sich zur Zeit in Baltimore auf. Er wohnt bei seiner Schwester. Ich möchte, dass ihr dafür sorgt, dass ich mich um ihn nicht mehr zu sorgen brauche.“
„Wird gemacht, Boss“, sagte Sevardo.
„Und sollte euch Tardelli dabei über den Weg laufen ...“
„Knipsen wir ihn gleich mit ab. Ist ganz klar, Boss“, grinste Celentano.
19
Claire kam gegen achtzehn Uhr nach Hause.