106. Ausgabe der allmende – Zeitschrift für Literatur. Группа авторов

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Unrecht, ist das schon problematisch. Natürlich ist vieles davon kompletter Blödsinn.

      K: Ihr habt beide dieses Jahr ein Buch herausgebracht, habt ihr dabei die Krise bemerkt?

      B: Lesungen sind weniger, aber immerhin gibt es noch Veranstaltungen, nur kann in der Regel bloß ein Drittel der Leute kommen, die sonst kommen könnten.

      P: Mein Buch ist tatsächlich eine Woche, bevor die Buchhandlungen zugesperrt haben, erschienen. Das Timing war ganz großartig. Mit den Zahlen ist es immer noch einigermaßen gegangen, aber man spürts auf jeden Fall. Die Leute haben halt völlig andere Sachen gekauft und nicht einen Krimi, der auf einem Friedhof spielt.

      K: Mein Buch, das schon ein Jahr alt ist, wurde dafür im Frühjahr relativ häufig gekauft. Ich habe in den Buchhandlungen nachgefragt, und die haben mir erzählt, dass sie totale Probleme damit haben, Neuerscheinungen zu verkaufen. Die Leute haben eher das gekauft, was sie schon kennen, was ihnen jemand empfohlen hat. Das ist ein Sicherheitsdenken.

      E: Man möchte wohl lieber etwas Vertrautes nehmen in so einer Zeit, etwas, das sich schon ein bisschen bewährt hat. Abenteuer sind eh grade genug, da braucht man nicht auch noch ein neues Buch, wo man nicht weiß …

      K: Ich hatte in der Zeit des Lockdowns drei Interviewanfragen zum Thema: »Frau Kaiser, wie arbeitet man zu Hause?«

      P: Das fand ich auch so lustig! Wie geht’s Ihnen jetzt, was hat sich an Ihrem Arbeitsalltag verändert?

      E: Bei den Interviews, die bei mir auch zum Teil reinkamen, war das immer eine Frage. Da fragt man sich natürlich schon, ob der jetzt mitdenkt. Das liegt aber vielleicht daran, dass man nach wie vor ein komisches Bild von uns Autorinnen und Autoren hat. Nichten und Neffen von mir, die noch nicht im Berufsleben stehen, haben Jahre lang nicht verstanden, was ich eigentlich mache. Arbeiten kann man nur im Büro, weil alle Eltern und die Eltern im Umfeld das so machen. In der Sicht der Leute ist außerdem jeder, der ein Buch veröffentlicht hat, Millionär.

      B: Bei mir ist das eher umgekehrt: Jeder, der ein Buch veröffentlicht hat, ist ein armer Schlucker.

      K: Wird sich denn die Literatur durch dieses Jahr ändern, beziehungsweise der Literaturmarkt? Was die Leute schreiben, wer schreibt? Wird sich unsere kleine Insel der Seligen ändern oder wird es nach nächstem Jahr wieder so werden, wie es immer war?

      E: Die Langzeitfolgen bleiben abzuwarten, und wenn die Wirtschaft jetzt noch einmal zusammenbröckelt, kann das schon noch einmal einiges bewegen. Was dann passiert, wissen wir nicht so recht. Dann könnte für vieles alles noch existenzieller schwierig werden. Was ich mich gefragt habe, ist: Was bedeutet Literatur zum Beispiel für eine Kriegsgeneration und für heutige Leser? Was ist da der Unterschied? Was für eine Literatur schreibt man für Leute, die nie Extremsituationen erlebt haben? Wir alle haben immer nur Überfluss und Wohlstand erlebt und erleben jetzt zum ersten Mal so etwas wie ein bisschen eine Krise. Da wird vielleicht interessant, ob sich etwas verändern wird, wobei ich nicht sagen könnte, was. Was für Bücher wollten Leute lesen, die den Zweiten Weltkrieg erlebt haben? Ob das nicht andere Bücher waren, als das, was unsere Generation lesen wollte, weil sie solche existenziellen Erfahrungen nie gemacht hat? Wenn es da einen Unterschied gibt, vielleicht kommt der wieder ein bisschen raus. Aber ich würde, wie gesagt, nicht wissen, was das dann wird.

      P: Ich hatte eine uralte Großmutter, die zwei Weltkriege erlebt hat, und die wollte immer nur lustige Sachen im Kino sehen. In Krisen- und Kriegszeiten hatte man immer diese heile Welt, speziell von Filmen.

      B: Das war damals anders als heute. Es war eine scharfe Trennung zwischen E und U, zwischen Unterhaltung und dem Wertvollen. Wir wollen nicht daran erinnert werden, wir wollen lachen, wir wollen Romanzen.

      E: Natürlich gab es auch »Draußen vor der Tür«.

      B: Aber das waren zwei voneinander getrennte Welten.

      P: Ich glaube, da spielt so viel rein, dass ich eine Prognose irrsinnig schwierig finde.

      E: Ich würde aber nicht sagen, dass es sein wird wie nach dem Zweiten Weltkrieg, sondern dass wir vielleicht wieder ein anderes Publikum erreichen können, mit dem Zweiten Weltkrieg kann man das natürlich nicht vergleichen. Es ist ja etwas völlig anderes, ob du ausgehungert in einer kaputten Stadt sitzt oder in einem Lockdown, in dem es in Wahrheit drei Vierteln der Bevölkerung immer noch ziemlich gut geht. Wenn man Leute sucht, denen es dreckig geht, dann schau nach Moria. Das ist eine Krise, eine der eigentlichen Krisen unserer Zeit, dass hier Leute behaupten, unser Land könnten nicht ein paar 100 Kinder aufnehmen.

      P: Wenn man das ganze Emotionale rausnimmt, finde ich es extrem interessant, zu sehen, was Leute als unzumutbar empfinden, nämlich sich in der U-Bahn eine Maske aufzusetzen. Dass es ihnen aber völlig egal ist, wenn Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken oder im Gatsch versinken in Moria. Das ist so interessant, wie unterschiedlich Maßstäbe angelegt werden, sobald es dich selbst betrifft.

      B: Ganz klassisch, wie am Anfang, es gibt kein Klopapier mehr, es gibt keine Pasta mehr oder nur noch bestimmte Sorten, die sonst nicht gekauft werden, und viele Menschen finden das unglaublich arg, was für den Großteil der Weltbevölkerung ganz normal ist oder sogar ein Luxusangebot wäre.

      E: Das meine ich ja: Wir leben nach wie vor in keiner echten Krise, es ist schon eine Krise, aber sie ist nicht vergleichbar mit Krisen, die wir in Wahrheit ganz woanders sehen. Aber die Frage ist letztendlich, ob das etwas machen wird mit der Literatur. Ich glaube sowieso, dass Literatur ein aussterbendes Ding ist.

      P: Ich glaube nicht, dass sie aussterben wird, ich glaube, es wird sich ausdünnen.

      E: Aussterben ist übertrieben, aber es wird dünner werden. Die Konkurrenz ist so attraktiv und so groß. Wenn ich da draußen 1000 Streamingdienste habe, die mir jeden Tag jeweils fünf neue Serien vor die Nase setzen, warum soll ich dann noch ein Buch lesen?

      K: Wobei wir da ja gerade in den nächsten zwei Jahren einen ziemlichen Startvorteil kriegen, weil die meisten nicht drehen konnten oder drehen können. Auf die Dauer wird das aber nichts ändern.

      E: In der Buchbranche gibt es ja dasselbe Problem. Es wird momentan so gut wie nichts mehr angeboten. Einerseits könnten die Verlage ein sehr gutes Jahr haben, aber gleichzeitig dünnen sie ihre Programme aus. Das heißt, die Konkurrenz wird zwar vielleicht momentan geringer durch die anderen Angebote, andererseits möchte man momentan auch kein Debütant sein. Das ist schon einmal ein Ausdünnungssymptom.

      P: Ich glaube aber, es liegt auch daran, dass sie die jetzt einfach zurückgestellt haben und gesagt haben: Nein, nicht jetzt! Weil ja das Frühjahrsprogramm sehr zurückgestaut hat. Ich glaube, dass es daran liegt und dass sich das dann wieder einpegeln wird.

      K: Ein bisschen Sorge macht mir das Gefühl, dass in der Buchbranche gerade ein Generationenwechsel passiert, mit einer gewissen Mutlosigkeit auf der Verlagsseite. Man merkt immer mehr, wie Verlage versuchen, immer alles richtig zu machen, auch auf der politischen Seite, also das ist zum Beispiel wirklich eine Sorge, die ich habe. Wenn ich beobachte, was Autoren und Autorinnen vorgeworfen wird bei einem falschen Satz.

      P: Ich glaube tatsächlich, dass wir in einer Art Umbruchszeit leben, weil sich die Gräben immer weiter aufmachen zwischen wohlhabend, nicht wohlhabend, gebildet, ungebildet, rechts und links. Ich glaube, dass das immer weiter auseinanderklafft und dass man jetzt merkt, dass Gespräche zwischen politisch unterschiedlich gepolten Menschen fast nicht mehr möglich sind. Wenn ich zum Beispiel zufällig mit FPÖ-Wählern an einem Tisch sitze, gehen bei mir, und das tut mir dann fast schon Leid, die Jalousien runter, weil ich mir dann denke, wenn man einigermaßen Hirn im Kopf hat, kann man das nicht, das geht nicht, die können mir auch keine Argumente bringen, die in mir Verständnis auslösen würden. Und umgekehrt wahrscheinlich auch. Ich glaube, das war vor 10 Jahren noch nicht so. Ich glaube, die Gräben gehen weiter auf und


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