Berauschende Bienen. Fabian Kalis
Bhramari Devi ist eine Göttin aus der Hindu-Mythologie. Ihr Name bedeutet »Göttin der Bienen«. Sie wird mit Bienen, Wespen und auch mit Hornissen assoziiert. Ihr Körper wird dabei stets von einem Schwarm dieser stachligen Insekten umschwebt. In einem Göttermythos wird beschrieben, wie sie den Dämon Arunasura besiegt.
Arunasura hatte das starke Verlangen, die Götter zu vernichten und an ihrer Statt über die Welt zu regieren. Da er aber nicht machtvoll genug war, um sein Ziel zu erreichen, versuchte er es mit einer List. Tausende und abertausende Jahre meditierte er selig am Ganges. Der Gott Shiva sah dies und war von der Geduld und Willensstärke des Dämons beeindruckt. So schenkte Shiva Arunasura die Gabe, dass kein zwei- oder vierbeiniges Wesen ihn in Zukunft würde vernichten können. Nachdem der Dämon diese Fähigkeit erlangt hatte, stellt er eine Armee von Dämonen auf, stürmte die Götterwelt und eine gigantische Schlacht begann.
Der unbesiegbare Arunasura war seinem Ziel nahe, die Götter für alle Zeiten zu vernichten, doch in letzter Hoffnung riefen die Götter Bhramari Devi zu Hilfe. Diese sendete sofort ihre Bienen-, Hornissen- und Wespenschwärme aus, die den Dämon attackierten. Gegen die sechsbeinigen kleinen Tiere war er nicht immun, so dass er zuletzt bezwungen werden konnte. Ein Schwarm unscheinbarer Bienen hatte die Götterwelt vor der endgültigen Vernichtung gerettet.
Kamadeva
Die Figur des Amor und seine Liebespfeile sind vielen ein Begriff. Der römische Gott, der mit seinem Bogen Pfeile entsendet und so die Liebe entfacht, ist eine wohlbekannte Götterpersönlichkeit. Jedoch ist diese Götterfigur keineswegs ein Unikat des römischen Pantheons. In der griechischen Mythologie ist es Eros, dem eine ähnliche Stellung zukommt, und auch in der Götterwelt der Hindus findet sich ein Äquivalent unter dem Namen Kamadeva. Die Vorstellung von einem mit Pfeil und Bogen bewaffneten Gottes als Auslöser von Liebesgefühlen existiert in vielen Kulturen. Aber was hat das alles nun mit den Bienen zu tun? Schauen wir uns Kamadeva einmal genauer an. Alte Überlieferungen und Gemälde zeigen, mit welchen Attributen Kamadeva beschrieben wird. Dort findet man ihn auf einem riesigen Papagei reitend, bereit, in die Lüfte zu steigen, um auf die Jagd nach seinen »Opfern« zu gehen. Seinen Bogen hält er dabei stets schussbereit. Der Bogen selbst besteht aus Zuckerrohr, die Bogensehne besteht aus summenden Bienen, die Pfeile, die er verschießt, aus fünf Frühlingsblüten. Hier finden sich also die Bienen. Doch warum besteht die Bogensehne aus Bienen, welche Bedeutung haben die Bienen in diesem Kontext und welche Symbolik steckt hinter der Erscheinung Kamadevas?
Als Gott, der die Liebe bringt und die Pfeile des Verlangens entsendet, ist Kamadeva ein Symbol der Fruchtbarkeit. Auch die Bienen, die unerlässlich sind für eine ausreichende Bestäubung und somit Vermehrung der Pflanzen, gelten deshalb in vielen Kulturen schon sehr lange als Fruchtbarkeitssymbol. Das Summen ihrer Flügel steht für das Kribbeln im Bauch, wenn man verliebt ist, und als Tiere der Lüfte geben sie dem Pfeil die Kraft, weite Strecken zu überwinden. Ihr schmerzhafter Stachel symbolisiert das plötzliche Erwachen von Lust und Liebe, das uns überkommt, sobald wir von den Liebespfeilen getroffen sind. Die Blütenpfeile stellen dabei das Gegenstück zu den Bienen dar. Wie in der Natur, in der die Blüten von den Bienen bestäubt werden, damit etwas Neues entstehen kann, vereint Kamadevas Bogen in sich diese beiden Aspekte der Fruchtbarkeit, die dann mit geballter Kraft auf die getroffenen Menschen oder Götter – denn niemand ist vor den Pfeilen des Kamadeva sicher – übergeht. Die Bienen und die Blüten sind dabei zwei Pole einer göttlichen Einheit. Und nur durch ihr Zusammentreffen entsteht etwas Drittes, etwas Neues, die Leben schenkende Liebe. Der Bogen aus süßem Zuckerrohr steht symbolisch für die wohlige Süße des Lebens, die Glücksgefühle, die Lebenslust und Energie, die mit dem Verliebtsein einhergehen.
Mellona und Melissa
Mellona oder auch Mellonia war eine römische Göttin. Als Bienengöttin war sie verantwortlich für die Süße und den Erhalt des Honigs. Sie geht zurück auf den griechischen Namen Melissa, der »Honigbiene« bedeutet (von griech. Meli, »Honig«). Melissa hieß eine der Ammen, die den jungen Zeus umsorgten. Sie fütterte ihn jedoch nicht mit Milch, sondern ließ Honig direkt in seinen Mund fließen. Als Dank dafür machte Zeus sie später zu einer Göttin. Die Zitronenmelisse (Melissa officinalis) hat ihren Namen von der Bienengöttin, weil sie eine sehr beliebte Bienentrachtpflanze ist. Auch der Artenname der westlichen Honigbiene, Apis mellifera, und die Bezeichnung für den Tribus der stachellosen Honigbienen, Meliponini, gehen auf diese Göttin zurück.
Aristaeus und die Bugonie
In der Mythologie des antiken Griechenland gibt es eine Figur mit dem Namen Aristaeus. Er ist ein Gott der Jagd, des Olivenanbaus sowie der Bienen und der Imkerei. Somit besitzt er viele Aspekte eines Fruchtbarkeitsgottes. Die Mythologie um ihn ist eine typische Göttergeschichte. Aristaeus verliebte sich einst in die schöne Eurydike. Leider wurde seine Liebe nicht erwidert, so dass sein unbefriedigtes Verlangen immer größer wurde. Als er es nicht mehr aushalten konnte, machte er sich auf, um Eurydike zu vergewaltigen. Auf ihrer Flucht vor dem lüsternen Bienengott wurde sie von einer giftigen Schlange gebissen und starb. Als Strafe für diese Tat sorgten Eurydikes Schwestern dafür, dass alle Bienen des Aristaeus ebenso den Tod fanden. Ohne seine Bienen trauerte der Gott. Auf Anraten des Gottes Proteus vollzog er ein Opferritual an Eurydikes Grab. Hier opferte er vier Stiere und vier Rinder, die er anschließend neun Tage lang an gleicher Stelle verwesen ließ. Am neunten Tag erhoben sich aus den verwesenden Stieren neue Bienen.
Historische Darstellung des Aristaeus von 1680
In diesem Mythos spiegelt sich die Vorstellung vieler antiker Kulturen wider, dass Bienen aus toten Stieren entstehen würden. Diese Vorstellung war so verbreitet, dass sie sogar einen eigenen Fachbegriff bekommen hat: Bugonie. Seinen Ursprung hat dieser Glaube vermutlich in Persien, von wo aus er sich im kompletten Reich der Antike verbreitet hat. Gehalten hat sich die Vorstellung von der Bugonie noch bis weit ins Mittelalter. Stiere zu opfern, um neue Bienenvölker zu erschaffen, war lange Zeit eine gängige Praxis. Dabei hat sich eine ziemlich genaue Anleitung entwickelt, wie die zu opfernden Stiere bearbeitet werden müssten, damit das Ritual Erfolg bringen würde. Plinius berichtet in seiner Naturalis historia sehr detailliert über die Praktik. Demnach müsste ein Stier, der mindestens zwei Jahre alt ist, entweder durch Erdrosseln oder durch Schläge mit stumpfen Gegenständen getötet werden. Anschließend müssten die Gedärme des Tieres ebenfalls durch stumpfe Gewalt zu einem blutigen Brei zerschlagen werden. Wichtig sei jedoch, dass die Bauchhöhle des Stiers unversehrt bliebe, da sich aus ihr das neue Bienenvolk entwickeln würde. Da der Bugonie jede biologische Grundlage fehlt und Bienen auch nicht an verwesenden Kadavern zu finden sind, ist es fraglich, warum sich diese Vorstellung eine so lange Zeit gehalten hat. Es handelte sich wohl eher um eine symbolische Handlung als um die Anwendung natürlicher Vermehrungsprinzipien der Honigbienen.
Telipinu
Bei den Hethitern und Hattiern gibt es den Mythos von Telipinu. Er ist der Sohn der Sonnengöttin Arinna und des Wettergottes Taru. Telipinu selbst ist ein Fruchtbarkeitsgott, der vor allem mit dem Wachstum von Getreide und den nährenden Regenschauern in Zusammenhang gebracht wird. Seine Gattin ist die Göttin Maliya, die Göttin der Gärten, die vorwiegend mit dem Wachstum des Weines in Verbindung steht.
Eines Tages, so heißt es in dem Mythos, wird Telipinu sehr erzürnt. Daraufhin verlässt er seinen Götterposten und mit ihm verschwindet auch die Fruchtbarkeit im ganzen Land. Da die Welt kurz vor dem Untergang