Drug trail - Spur der Drogen. Matthias Kluger

Drug trail - Spur der Drogen - Matthias Kluger


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über die Schultern.

      Die Bakers

      „Hi, Mom, frohe Weihnachten.“

      „Robert, lieb, dass du anrufst. Wie geht’s dir? Habt ihr das Fest schön verbracht?“

      „Kommt drauf an, Mom. Unser Truthahn hat dieses Jahr auf jeden Fall überlebt. Wir hatten alle Hände voll damit zu tun, dem Präsidenten irgendwelche Pläne auszuarbeiten.“

      „Mit ‚wir‘ meinst du bestimmt dich und William“, mutmaßte Birgit.

      „Ja, klar. Ich soll dir einen schönen Gruß von Dad ausrichten. Es geht hier tatsächlich drunter und drüber. Politik, du kennst das ja.“

      Und wie Birgit das kannte. Als sie nach ihrem Studium in Hamburg Anfang der Achtziger aus dem Norden Deutschlands nach München gezogen war, um dort eine Stelle am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung anzunehmen, hatte sie nicht geahnt, dass dieser Ortswechsel ihr bis dato so streng gehütetes Single-Dasein auf den Kopf stellen sollte.

      Professor Walter vom Institut hatte ihr 1982 die Aufgabe übertragen, das sogenannte Praxisreferat einzurichten. Eine Institution, deren Hauptaufgabe darin bestand, Medienunternehmen zu akquirieren, um Studenten zur Ergänzung der universitären Ausbildung Praktikumsplätze zur Verfügung zu stellen. Mit Liebe und Engagement widmete sich Birgit dieser Herausforderung. Ihr erklärtes Ziel war es, nicht nur in Deutschland ansässige Firmen zu gewinnen, sondern darüber hinaus Medienagenturen im Ausland. Dann, auf einer Werbeveranstaltung im Deutschen Hof in München, hatte sie ihn das erste Mal getroffen. Im maßgeschneiderten hellgrauen Anzug und mit seinen strahlend blauen Augen sah er umwerfend aus. Sie wusste, sollte er sie an diesem Abend ansprechen, würden sie über kurz oder lang im Bett landen. Und er sprach sie an, mit der zurückhaltenden und dennoch zielführenden Art der Diplomatie.

      „Fräulein Schmidt, darf ich Ihnen meinen Glückwunsch zu Ihrem überaus gelungenen Vortrag aussprechen?“, waren seine Worte, als er im Foyer auf sie zutrat. Er stellte sich ihr als William Baker vor, Generalkonsul der Vereinigten Staaten in München.

      So jung und schon Generalkonsul, überlegte Birgit, während sie innerlich bereits dahinfloss. Der Duft seines Rasierwassers, ebenso die gewählte Aussprache – er sprach perfekt Deutsch, wenn auch mit Akzent – das Gesamtpaket passte.

      Sie setzte ihr strahlendstes Lächeln auf, ließ sich liebend gern auf einen Drink an der Hotelbar einladen, und noch am selben Abend landeten sie in seiner Wohnung. Aus dem One-Night-Stand entwickelte sich eine, ja, man könnte es fast schon Beziehung nennen, die dem Wunsch beider entsprach, ihre persönliche Freiheit nicht aufzugeben. Wenn man sich ein-, zweimal die Woche traf, so stand unausgesprochen fest, dass dies rein zum Ausleben sexueller Fantasien gedacht war. Bis zu dem Tag, da ihr bewusst wurde, dass etwas nicht stimmen konnte. Eine Frau spürt so etwas und es wurde dann durch ein positives Ergebnis des Schwangerschaftstests bestätigt.

      Daraufhin hatte sie in Erwägung gezogen, für William italienisch zu kochen, um bei Pasta, Weißwein und Kerzenschein die Neuigkeit möglichst positiv zu verkaufen. Doch sie entschied sich dagegen, zog es vor, sich mit ihm in einem Fastfood-Lokal zu treffen, vielleicht unbewusst, um diese Angelegenheit, diese Schwangerschaft in der gleichen Geschwindigkeit zu besprechen, in der das Essen serviert wurde.

      „William, übrigens … mmh, ich bin schwanger“, sagte sie schmatzend, nachdem sie ihre Tabletts mit Burger und Pommes vor sich abgestellt hatten, um sogleich, ohne Luft zu holen und wie beiläufig, weiter auszuführen: „Du brauchst dir keinen Kopf zu machen. Ich stell keine Ansprüche, du hast keinerlei Verpflichtungen, sieh es einfach als … als kleinen Betriebsunfall.“ Sie zuckte etwas unbeholfen mit den Schultern, während sie Williams immer größer werdende Augen betrachtete. Wie schön blau sie doch waren. „Wir könnten nachher noch ins Kino gehen. Flashdance soll ganz gut sein. Was meinst du?“, fragte sie völlig belanglos, das Thema schneller wechselnd, als ein Boxenstopp bei einem Formel-1-Rennen dauert.

      Gänzlich überrumpelt starrte William sie an. „Bist du sicher?“, flüsterte er und schob die zwischen ihnen liegende Tüte Pommes beiseite.

      „Wenn man den Filmkritiken Glauben schenkt, ja. Auch soll die Musik zu Flashdance der Hammer sein.“

      „Birgit, hör bitte auf, derart banal zu diskutieren. Seit wann weißt du es?“

      „William, ich, ich …“ Jetzt verschlug es Birgit die Sprache. Ihre Brust hob und senkte sich vor Aufregung. Vorsichtig tupfte sie sich eine Träne aus dem Winkel ihres Auges. „Ich weiß, das war alles nicht so geplant. Ich bin ebenso überrascht wie du. Aber sieh doch mal: Eine Abtreibung kommt nicht infrage. Du kennst mich! Ich bin ein Mensch, der über sein Leben und über das Wie und Wann selbstständig entscheidet. Ich werde gewiss ganz gut alleine klarkommen, ein Kind großzuziehen. Meinst du nicht auch?“

      William antwortete nicht sofort. Ohne den Blick von ihr abzuwenden, schien er in seinen Gehirnwindungen nach der passenden Antwort zu kramen. Schließlich hatte er diese anscheinend in Form einer Frage gefunden: „Wieso grenzt du mich von vornherein derart aus? Ich meine … ich habe doch ein nicht ganz unerhebliches Wort mitzureden.“

      „Ich werde nicht abtreiben, wenn du das meinst!“ Birgit funkelte ihn nervös und gleichzeitig kampfeslustig an.

      „Wer spricht denn von Abtreibung? Du doch, nicht ich. Ich spreche vielmehr von einer gemeinsamen Wohnung, mindestens sechs Zimmern mit zwei Bädern, damit wir uns ab und an aus dem Weg gehen können. Wir sollten einen Babysitter engagieren, der perfekt Windeln wechseln kann. Und wenn du willst …“

      „Pssst.“ Birgit unterbrach ihn lächelnd, während sie ihm den Zeigefinger auf die Lippen legte. „Genau das wollte ich vermeiden. Dass du dich verpflichtet fühlst.“

      „Sicher fühle ich mich verpflichtet“, entgegnete William sanft. „Aber es ist ein schönes Gefühl.“

      Noch im selben Jahr heirateten sie standesamtlich, 1984 kamen die Zwillinge Philipp und Robert zur Welt. Die gemeinsame Wohnung am Starnberger See, etwas außerhalb Münchens südlich gelegen, besaß sogar acht Zimmer – was allerdings auch nicht verhindern konnte, dass ihre Ehe nach nur drei Jahren vor dem Aus stand. Pragmatisch trafen sie rechtzeitig die Entscheidung, getrennte Wege zu gehen, bevor die Phase der gegenseitigen Vorhaltungen in ihrer Lebensgemeinschaft die Oberhand gewann. Während Birgit mit Philipp in der Wohnung am Starnberger See blieb, willigte William ein, den Posten des Beraters für Auslandsfragen in Washington D.C anzunehmen. So wurden die Zwillinge Philipp und Robert im zarten Alter von drei Jahren getrennt, da William seinen Sohn Robert mit in die Vereinigten Staaten nahm, während Philipp bei seiner Mutter blieb.

      Über all die Jahre des Erwachsenwerdens trafen sich die Brüder sowie Birgit und William, sooft es die Zeit und die Ferien zuließen, abwechselnd in München und Washington D.C. – für Philipp und Robert, trotz der Tausenden von Kilometern Entfernung, ein ganz normales, außergewöhnlich multikulturelles Familienleben.

      Übergabe Ramirez

      Dem Sheriff des Metropolitan Police Departments – kurz MPDC – missfiel es sichtlich, als zwei Beamte des Secret Service mit ernster Miene in seinem Büro erschienen.

      „Wie kann ich Ihnen helfen?“, fragte er daher, ohne von seinem Tisch aufzusehen.

      „Sie haben seit gestern Abend einen gewissen Rodrigo Ramirez in Gewahrsam.“

      „Kann sein. Was ist mit ihm, dass ihr Jungs vom Secret Service bei mir antanzt?“ Noch immer würdigte der Sheriff die Agenten keines Blickes.

      Ohne auf die Frage einzugehen, legte einer der in dunkle Wintermäntel gehüllten Anzugträger ein gefaltetes Blatt Papier auf den Tisch des Sheriffs. Der kannte diese Art von Schreiben, diese Direktiven, die ihm wieder einmal vor Augen führten, dass er und sein Department außen vor gelassen wurden, wenn es um die wirklich wichtigen schlimmen Jungs ging. Doch dieses Mal schien es sich bei der nachgefragten Person um einen ganz großen Fisch zu handeln. Die Verfügung zur sofortigen Überstellung des genannten Häftlings an den Secret Service war von keiner geringeren Person


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