Dunkler Paladin. Cole Brannighan

Dunkler Paladin - Cole Brannighan


Скачать книгу
wenigen Schlägen wurde Bruder Malesen kleiner und kleiner. Der Innenhof des quadratischen Tempels schrumpfte. Über dem Dach des Tempels verlagerte Finn sich nach vorn und ließ die Flugechse Fahrt aufnehmen. Sie schwebten über Helinas mit seinen engen Gassen und Dächern mit Schieferschindeln. Sie überflogen den Markt und gewannen weiter an Höhe, bis Finn die Zwillingsgipfel des Sigispass im Osten erspähen konnte. Die beiden Massive waren so riesig, dass sie Wildschweinhauern ähnelten, die den Himmel aufzureißen drohten.

      Winde zerrten an seinem Umhang und zerzausten sein Haar. Seine erste Flugstunde lag drei Sommer zurück. Das Gefühl des Aufs und Abs hatte ihm damals Probleme bereitet, was sich mit weiteren Flugstunden gelegt hatte.

      Finn schmiegte sich an die Halsschuppen von Flöckchen und betrachtete den Horizont. Er würde durch den Sigispass fliegen, dann geradeaus nach Rugand und von dort der Trümmerküste in den Norden folgen. Es versetzte ihm einen Stich, an Rugand zu denken. Alles an dieser Stadt erinnerte ihn an Schmerz, doch er schob die Gedanken beiseite und konzentrierte sich auf seine Flugroute.

      Die Monde Großlaib und Rotlaib standen am Firmament, Nordwind hingegen vertrieb die Wolken und legte die Sternendecke allmählich frei. Das fahle Mondlicht ruhte auf Hirand und strahlte auf den Fluss, der die Stadt in zwei Teile spaltete. Schräge Giebelspitzen, an denen Flaschenzüge hingen, ragten über das Gewässer und unterstrichen den Charakter der Speicherstadt.

      Finn rieb sich die Kälte aus den Fingern, während er auf dem Rücken der Flugechse dem Klacken der Krallen auf dem Kopfsteinpflaster lauschte. Der Höhenwind hatte seine Kräfte ausgezehrt und er war froh, dass er den dicken Mantel trug.

      Finn steuerte die größte Taverne im Ort an, dort erhoffte er sich Informationen und ein Abendmahl für seinen Bauch. Die Letter »Zur Speichermeisterei« prangten über einer Taverne an der Hauptstraße, ein zweistöckiges Fachwerkhaus, vor dem mehrere Pferde angebunden waren.

      Er saß ab und machte Flöckchens Kette an einer Öse am Wassertrog fest. Sollte die Echse Lust auf Pferdefleisch verspüren, würde sie die Kette davon abhalten.

      Die Pferde schnaubten unruhig und drängten sich auf die andere Seite des Balkens.

      Finn durchschlug mit dem Knauf seiner Lahras die Eisschicht auf dem Wasser und ließ sein Reittier saufen.

      Beim Eintritt in die Stube empfing ihn der Lärm von lautstarken Händlern, die sich mit Einheimischen in schiefergrauen Fellmänteln unterhielten. Sie feilschten um die Speicherpreise und vergruben ihre Finger in gebratenen Hähnchen.

      Finn wühlte sich durch die Stehgäste und pflanzte sich an einen Zweiertisch. Noch bevor er saß, drängte sich die Wirtin durch die Menge und strahlte ihn an: »Was darfs sein, Fremder?« Ihr Dekolleté war so eng geschnürt, dass der obere Teil ihrer herausgepresst wurde.

      »Ein halbes Hähnchen, bitte. Ähm, und ein Schwarzbier«, fügte er entschlossen hinzu. Vielleicht war es kein Fehler, ab und an dem Beispiel von Bruder Eferus zu folgen. Dennoch war es gut, dass man seinen Indigoumhang unter dem Mantel nicht sehen konnte.

      Während er in seinem Beutel nach Geld kramte, kehrte die Wirtin zurück, deponierte einen Teller mit Hähnchen und Krustenbrot auf der ramponierten Tischplatte und stellte einen Krug Schwarzbier ab, von dessen Rand Schaum nach unten lief.

      »Fünf Groschen für die Mahlzeit und eine Jorvenkrone für Eure Dienste«, sagte Finn und schmunzelte sie an.

      Ihre Wangen röteten sich. »Meinem Mann würde das nicht gefallen«, sagte sie und drehte dabei eine blonde Locke mit dem Zeigefinger.

      Finn genoss die kleine Eroberung. Bruder Eferus hatte in allem recht, man musste seinen Genuss planen. »Nein, meine Liebe, ich möchte nur Informationen, obwohl Ihr meinen kalten Tag verschönert. Kennt Ihr eine Ordensschwester mit Namen Meena?«

      Sie spielte noch einen Moment mit ihren Locken. »Nein, die kenne ich nicht. Ich kann meinen Mann fragen, der kennt jeden Furz.« Sie wandte sich ab und tauchte im Gedränge unter.

      Finn aß mit dem Hunger eines Bären, der aus dem Winterschlaf erwacht war. Fleischsaft tropfte durch seinen Dreitagebart und er vergaß alles um sich herum.

      Erst als er die Reste von den Knochen nagte, nahm er die Lautstärke der anderen Gäste bewusst wahr. Mit einem Schluck Schwarzbier spülte er nach und ließ sich den Schaum schmecken. Der prickelte in seinem Hals und fühlte sich unendlich gut an.

      »Ihr seid also Kampfpriester des heiligen Durhelian?«, wollte ein Mann mit brauner Bepastonfelljacke wissen, der sich ihm gegenübersetzte.

      »Woher wisst Ihr das?«

      »Euer indigofarbener Umhang verrät Euch, der Saum schaut unter Eurem Mantel heraus. Ich bin Ewan und züchte Zugpferde, die besten in Hirand. Und Ihr seid?«

      »Ich bin Bruder Finn.« Er wusste, was jetzt kommen würde.

      »Ich habe einen Stall in der Nähe. Meine Viecher finden seit zwei Nächten keine Ruhe. Könntet Ihr sie nicht segnen?«

      Nein, keine Lust. Ich habe Besseres zu tun. Der Rotz in meiner Nase interessiert mich mehr. Langweilt mich nicht. Das waren die Antworten, die Finn spontan einfielen. »Ja natürlich, ich diene dem Heiligen und tue sein Werk.« Er leierte die Worte herunter, kein Mensch merkte den Unterschied. Finn kippte sein Schwarzbier herunter und wischte sich mit dem Handrücken den Schaum von der Oberlippe. »Geht voran, ich folge Euch.«

      Der Viehzüchter eilte im rötlichen Schein des Doppelmondlichts über das Kopfsteinpflaster Hirands. Der kleinere Rotlaib stand bereits im Zentrum von Großlaib und verdeckte den Größeren, sodass nur noch ein Ring von ihm zu sehen war. Dadurch kam der rötliche Schein des Zwergs stärker zum Tragen.

      Finn ließ sich mit Flöckchen im Schlepptau in einen Außenbezirk leiten, in dem mehrere Häuser und Stallungen nebeneinanderstanden. Es stank nach Pferdeäpfeln und Heu.

      Finn machte seine Echse an einem Steintrog vor den Stallungen fest.

      »Bruder Finn, bitte tretet ein.« Der Viehzüchter drehte am Rädchen einer Öllampe. Ihr Glas war gelb angelaufen, doch ihr Licht reichte, um den Stall mit Pferdeboxen auszuleuchten.

      Die Tiere bliesen ihre Nüstern auf und wippten mit den Köpfen.

      »Ich gehe zu meinem Weib. Sie hat heute frisches Brot gebacken, dazu kann ich Euch noch Räucherfleisch von der Hammelkeule aus dem Keller holen«, bot der Viehzüchter an und verschwand durch den Spalt in der Schiebetür.

      Finn fand die Segnerei lästig, aber er hatte nichts gegen die Gaben der Bittsteller einzuwenden. Wegzehrung brauchte er somit nicht mehr zu kaufen und konnte Geld sparen.

      Er leierte ein Segensgebet herunter: »Heiliger, schenk diesen Tieren Deinen Segen, gib ihnen Ruhe, schenke ihnen das Licht.«

      Ein Knistern riss ihn aus seiner Litanei. Unwillkürlich riss er die Lahras aus der Scheide und ging in Kampfstellung.

      Die Pferde prusteten und stapften, also spüren auch sie etwas.

      Finn nahm eine Geruchsprobe: Kein Schwefel. Er ging eine Box nach der anderen ab und spähte jeweils vorsichtig hinein. Er atmete ein und aus und versuchte, seinen Herzschlag so zu kontrollieren, wie Waffenmeister Senash es ihn gelehrt hatte.

      In der letzten Box stand das Pferd dicht ans Gitter gepresst, als würde es sich von etwas distanzieren, das hinter ihm in den Schatten lag. Es war nicht auszumachen, ob es nur ein Schatten, eine Pferdedecke oder Einbildung war.

      »Gebt Euch zu erkennen!«, forderte Finn.

      Ein paar Herzschläge vergingen ohne irgendeine Reaktion. Dann schälte sich unter einem beigefarbenen Wintermantel eine Frau hervor. Sie trug ihr weizenblondes Haar oben lang, an den Seiten hatte sie sich Zöpfe geflochten, die eng an der Kopfhaut anlagen. Sie kniff die Augen zusammen und schenkte ihm einen trotzigen Blick.

      »Ich kenne dich«, sagte sie.

      »Gut,


Скачать книгу