der bauschaden-Spezial Schimmelpilzsanierung. Michael Thiesen
7.3 Ausbau unter lokaler Absaugung
7.4 Desinfektionsmaßnahmen nach Wasserschaden
7.5 Feinreinigung, aber richtig
Stichwortverzeichnis
Weiterführende Informationen
1.1 Unter welchen Bedingungen entsteht Schimmel?
Schimmelpilzsporen sind sowohl in der Innenraum- als auch in der Außenluft enthalten. Im Außenbereich schwankt die Konzentration witterungsbedingt jedoch sehr stark. Sie schweben in der Luft und werden durch Wind transportiert und können so in den Innenbereich gelangen. Gleichzeitig können sie auf bestimmten Nährböden auch direkt in Innenräumen entstehen.
Die Schimmelbildung ist ein sich stetig wiederholender Zyklus:
Die durch die Luft verteilten Sporen (als Verbreitungseinheiten der Pilze) siedeln sich auf den Oberflächen der Bauteile an, wobei sie bereits Stoffwechselprodukte an die Luft abgeben. An diesen Stellen wachsen die einzelnen Zellfäden (Hyphen), die das Geflecht (Myzel) auf den Oberflächen bilden. Dadurch entstehen erneut Sporen, die sich wiederum durch die Luft bewegen und an neuen Stellen mit den entsprechenden Wachstumsbedingungen niederlassen.
Wichtigste Voraussetzung für das Wachstum von Schimmel {Schimmel, Wachstum von} ist Feuchtigkeit, die sowohl aus der Raumluft als auch aus den Baustoffen, in der Fachliteratur als Substrat bezeichnet, aufgenommen werden können. Auch wenn die Temperatur – der Bereich liegt zwischen ca. 0 °C und 50 °C – ebenso wie der ph-Wert (optimaler Bereich 4,5 bis 6,5, bei einigen Arten auch 2 bis 11) für das Schimmelwachstum eine untergeordnete Rolle spielt, hat die Raumtemperatur durch den erhöhten Wassergehalt bei höheren Temperaturen Einfluss auf die Schimmelbildung.
Bild 1: Warme Luft kann mehr Feuchtigkeit aufnehmen als kalte Luft. (Quelle: Ingrid Kaiser)
In diesem Zusammenhang wird häufig auch von der Wasseraktivität {Wasseraktivität} aW gesprochen, die sich aus dem Feuchtigkeitsgehalt der Luft in unmittelbarer Umgebung des betreffenden Materials ergibt. Es handelt sich hierbei um freies Wasser, das heißt nicht chemisch gebundene Flüssigkeit, die von den Schimmelsporen optimal genutzt werden kann. Der aW-Wert {aW-Wert} (ohne Dimension) wird aus der Luftfeuchtigkeit [%]/100 % ermittelt. Liegt er längere Zeit (mehrere Tage) über 0,8, sind die Voraussetzungen für das Schimmelwachstum äußerst günstig. Bereits vor Entstehung von Tauwasser können also Schimmelpilze wachsen.
Als Nährboden {Nährboden} eignen sich vorrangig organische Stoffe (Kohlehydrate, z. B. Zellulose und Eiweißverbindungen) wie Tapete, Kleister, Holz, Dispersionsfarben, Textilien, Leder, Papier und einige Kunststoffe. Sie werden nach Sedlbauer[1] wie folgt eingeteilt:
• | Substratgruppe 0: optimaler Nährboden (Vollmedien) |
• | Substratgruppe I: gut verwertbare Stoffe wie Tapeten, Gipskarton, gut abbaubare Rohstoffe, Materialien für dauerelastische Fugen |
• | Substratgruppe II: kaum verwertbare Stoffe wie mineralische Baustoffe mit porigem Gefüge (Putze, Dämmstoffe) |
Für die Schimmelentstehung ist zunächst die oberste Bauteilschicht mit den entsprechenden Bedingungen maßgeblich. Im weiteren Verlauf dringt der Schimmel durch Zerstörung der einzelnen Stoffebenen in die tieferen Schichten ein. Daher ist beim Einbau von Baustoffen auf den Feuchtegehalt zu achten, der sich zusätzlich auch auf die Dämmwerte der jeweiligen Stoffe auswirkt (siehe DIN 4108-4[2]).
Bild 2: Je höher Feuchte und Temperatur und je günstiger der Nährboden, desto besser sind die Bedingungen für Schimmel. (Quelle: Ingrid Kaiser)
1.2 Welchen Umfang hat der sichtbare Befall?
1.2.1 Befall in unbeheizten Räumen
{Räume, unbeheizte}
Die Raumtemperatur wie auch die Wandtemperatur in diesen Räumen, insbesondere in Kellerräumen, ist im Sommer meist relativ niedrig. Aufgrund der höheren Außentemperaturen wird dann häufig gelüftet, in der Annahme, die Wärme trockne die Räume aus. Das Gegenteil ist der Fall, da warme Luft wesentlich mehr Feuchtigkeit aufnehmen kann als kalte (siehe Bild 1). Trifft nun die warme Luft mit hohem Feuchtigkeitsgehalt auf kalte Wand-, Decken- und Bodenflächen, kühlt sie sich ab und der Wasserdampf wandelt sich in Tauwasser {Tauwasser} um. Wie in Bild 3 dargestellt, bildet sich Tauwasser bereits bei einem Temperaturunterschied von beispielsweise 6 K (Außentemperatur 20 °C, Oberflächentemperatur 14 °C) und einer relativen Luftfeuchte von 70 %.
Bild 3: Tauwasserbildung in Abhängigkeit von Temperaturdifferenz und Luftfeuchtigkeit (Quelle: Ingrid Kaiser)
Bild 4: Tauwasserbildung durch einströmende Warmluft in kühle Keller (Quelle: Ingrid Kaiser)
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Unbeheizte Räume sollten nur dann gelüftet werden, wenn die einströmende Außenluft mit einer in Deutschland im Sommer durchschnittlichen relativen Luftfeuchte von ca. 80 % nicht mehr als ca. 5 K wärmer ist als die Bauteiloberflächen der zu belüftenden Räume. Feuchtere Außenluft mit entsprechend niedrigeren Temperaturen in den Nachtstunden ist wesentlich wirksamer. |
Kellerräume {Kellerräume} sind darüber hinaus durch die hier meist untergebrachten haustechnischen Anlagen wesentlich gefährdeter hinsichtlich Leckagen. Gleichzeitig kann Feuchtigkeit aus dem Erdreich aufgrund von Niederschlägen (Spritzwasser) durch mangelnde oder fehlerhafte Abdichtungen eindringen. Weiterhin besteht die Gefahr, dass durch Kapillarwirkung die Feuchtigkeit in den Kellerwänden nach oben zieht (siehe
Kapitel 2).Häufig kommen gerade in Kellerräumen mehrere der genannten Faktoren gleichzeitig zum Tragen, die zu einer massiven Durchfeuchtung der Bauteile führen. Verschmutzungen durch mangelnde Hygiene bieten dem Schimmel zusätzlichen Nährboden, sodass er sich auch auf ansonsten unempfindlichen, glatten Oberflächen bilden kann.
Bild 5: Umfangreiche Feuchte- und Schimmelschäden in einem Kellerraum (Quelle: Ingrid Kaiser)
Bild 6: Feuchtigkeitseinfluss in Kellern (Quelle: Ingrid Kaiser)