Bereuen. Dong Xi
7
Was für ein Gefühl hegt man, wenn man weiß, daß man ein Geheimnis in sich birgt? Das Gefühl wäre gleich dem, als hätte man in der Brust eintausend oder zehntausend Pferde, die rollend und grollend galoppieren. Die Gefahr könnte existierten, daß sie jeden Moment herausrennen. Ich war seit damals wie mein Vater geworden, der kaltes Wasser in großem Zug trank. Manchmal trank ich an einem Tag zwei Kannen. Weil ich dermaßen weiter trank, bekam mein gesunder Körper eine Nierenkrankheit. Seinerzeit dachte ich mir, daß mein Vater hartherzig und rücksichtslos wäre. Er hatte für seinen eigenen Körper ein Plätzchen gefunden, aber den quälenden inneren Druck dieses Erlebnisses zwang er mir jetzt auf. Man soll wissen, daß ich damals erst 15 Jahre alt war!
Für eine Zeitlang kam mein Vater regelmäßig nachts nicht nach Hause. Er behauptete stets, eine wichtige Sitzung zu haben. Er hätte in der Nacht Überstunden gehabt, um bessere Lautsprecher zu produzieren. Von der oberen Leitung wäre er aufgefordert worden, die Lautsprecher für noch lautere und deutlichere Qualität zu produzieren. Am besten sollte man das aus einer Entfernung von 10 Li (1 Li = 1/2 Kilometer) hören. Kein einziges Wort durfte überhört werden, nicht einmal ein kompliziertes Wort. In der Fabrik war eine Gruppe für die Lösung der Schlüsselaufgaben organisiert worden. Mein Vater war ein Mitglied davon. Wenn er nicht nach Hause kam, zeigte sich im Gesicht meiner Mutter erstaunlicherweise ein Lächeln. Das war so komisch, als wären Süßkartoffeln gegessen worden, war aber nicht ganz ehrlich. Eines Abends brachte meine Mutter mir und Blümchen bei, sich zu waschen. Wir sollten viel Seife benutzen und uns wiederholt waschen, je sauberer desto besser. Dann holte sie uns zum Anziehen zwei nagelneue Hemden aus dem Schrank. Da sie strahlend weiß waren und wir uns nicht trauten, uns hinzusetzen, standen wir dumm herum. Wir fanden sogar keinen Platz für unsere Hände. Meine Mutter sagte: „Ihr könnt euch ruhig hinsetzen. Alle Hocker zu Hause habe ich eben mit Seifen sauber geputzt.“ Blümchen und ich nahmen auf den Hockern Platz. Meine Mutter sagte jetzt: „Bleibt da sitzen! In wenigen Minuten lasse ich euch etwas erleben.“ Wir hielten unseren Kopf aufrecht, legten beide Hände auf die Knie und schlugen nicht nach den Mücken, die uns im Gesicht stachen.
Hochkonzentriert verfolgten wir die Wassergeräusche, die meine Mutter im Bad beim Duschen zustande brachte.
Endlich kam meine Mutter in einem ausgeblichenen und karierten Hemd aus dem Bad. Das Hemd war zwar nicht mehr neu, denn am Kragen war der Rand rau geworden, aber es sah sogar noch sauberer aus als unsere Neuen. Sie öffnete die kleine Holzkiste in der Hand: „Mama zeigt euch eine neue Erfahrung.“ Wir traten zu ihr und sahen, daß in der Kiste ein Parfümfläschchen lag. „Das habe ich heimlich zurückbehalten. Ihr sollt niemand ein Wort darüber sagen!“ Sie nahm das Fläschchen in die Hand und tropfte etwas auf unsere Körper. Ich zuckte mit meinen Nasenflügeln und machte einen tiefen Atemzug, eine Welle von Blumenduft ließ mich abheben. Blümchen meinte: „Wie herrlich!“ Meine Mutter drückte sofort einen Finger auf ihren Mund und machte ein „pst“. Das war das erste Mal für mich, mit Parfüm in Kontakt zu kommen. Dieser Duft tauchte später in meinem Leben nie wieder auf. Meine Mutter träufelte auch auf ihren Körper einige Tropfen, dann schloss sie ihre Augen und atmete sanft ein: „Dieser Duft erinnert mich sofort an meine Mädchenzeit.“ Wir drückten uns fest an ihr Kleid, in der Furcht, daß die Reste des Duftes unbemerkt und umsonst verschwanden.
„Das ist eine bourgeoise Sentimentalität. Wenn ihr das weitersagt, werden wir verurteilt werden. Ausnahmsweise biete ich euch heute dieses Erlebnis. Wisst ihr warum? „
Wir schüttelten den Kopf. „Weil Guang-xian heute sechzehn geworden ist.“
Erst in diesem Moment konnte ich mich erinnern, heute Geburtstag zu haben. Meine Augen wurden langsam nass. Es entstanden viele Tränen. Auch zitterten meine Lippen. Die in meinem Bauch vergrabenen Worte wollten heraus. Manche sammelten sich in der Tiefe, manche krümmten sich, manche waren bereit, jeder Zeit aus dem Mund zu schießen. Ich aber spürte plötzlich eine Kälte, die über meinen Rücken kroch und schlug eilig auf meinen Mund, um die nach draußen eilenden Worte mit Kraft zurückzuschlagen. Meine Mutter schloss weiter genüsslich ihre Augen. Ihre Brust hob und senkte sich langsam, ihre langen Augenlider bebten sanft. An beiden Seiten der Nase blähten sacht die Nüstern. Ihre Gesichtsfarbe war weiß wie Lauchzwiebeln und ruhig wie ein Spiegel. Sie konnte sich durchaus niemals vorstellen, betrogen zu werden. Komischerweise neigte mein Mund dazu, sich mehr zu öffnen, je ruhiger ihr Gesichtsausdruck wurde. Das Stadttor war kaum noch zu verteidigen. Ich sah mich gezwungen, meiner Handfläche mehr Kraft zu geben, um meinen Mund noch fester zu schlagen.
Die Augenlieder meiner Mutter sprangen auf, sie betrachtete mich. Ich drehte mich um und schlug weiter auf meinen Mund. „Dummkopf! Auch wenn du deinen Mund bis zum Anschwellen schlagen würdest, würde das Parfüm nicht am Mund hängen bleiben.“ Sie öffnete das Fläschchen, strich mit dem Finger über die Öffnung und gab mir ziemlich verschwenderisch eine große Menge an meinen Hals. Meine klatschende Hand hörte nicht auf. Wie einer, der seinem Vorgesetzten Honig um den Mund schmieren wollte, erhöhte ich das Tempo. Sie brach in Gelächter aus. Sie lachte sehr leise und sehr würdig. „Ma, man betrügt dich.“ Kaum war das ausgesprochen worden, drückte ich mit der Hand meinen Mund zu, in der Befürchtung, daß noch mehr Worte heraussickerten. Ihre Augen vergrößerten sich mäßig: „Wer hat mich betrogen?“ „Das war Pa.“ Warum hatte ich meinen Mund nicht zudecken können.
„Hatte Vater denn keine Nachtschicht?“ „Ich meine das nicht.“
„Wie kann er mich noch betrogen haben?“
„Ich sah, daß er mit Bergfluss schlief. Er verbat mir, davon etwas zu erzählen.“
Meine Mutter war bestürzt. Sie setzte sich langsam hin: „Das ist also passiert. Das habe ich erwartet, entweder heute oder morgen, wenn nicht mit Bergfluss Zhao, dann mit Zierapfel Fang. Das war todsicher.“ Sie drehte die Parfümflasche fest zu und legte sie in die Holzkiste zurück, als ob diese Nachricht für sie kein besonderer Schlag wäre. Als sie mit ihrer ausgestreckten Hand die kleine Knopfschlinge an der Kiste schloss, bemerkte ich, daß ihre Hand zitterte. Trotz mehrmaligem Versuch schaffte sie das nicht.
Im Geheimen hatte ich mir selber nicht wenige Ohrfeigen verpasst. Als ich die Schritte meines Vaters im Haus hörte, fing mein Körper unwillkürlich an zu zittern. Mein Ohr begann vorab zu schmerzen, aus Furcht, daß die beiden wegen Bergfluss in eine Schlägerei geraten und sogar Wasserkannen, Spiegel, Gläser zerschlagen würden. Ich hatte bereits wiederholt auf dem Boden Scherben gesehen. Aber nach einem kurzen Augenblick war der Holzboden wieder sauber gewesen und nichts mehr zu sehen. Das war wie eine Täuschung gewesen. Unsere Familie konnte den Status quo ante bewahren, essen wie normal, schlafen wie immer, das alles hing von der Selbstbeherrschung meiner Mutter ab. Trotz eines so bestürzenden Ereignisses änderte sie all ihre Gewohnheiten nicht, wie zum Beispiel Sauberkeit zu lieben, fein zu zerkauen und langsam zu schlucken. Nur als sie den Tisch abwischte, war ihre Hand sichtlich langsamer geworden. Ab und zu hielt sie ein Wasserglas in der Hand und stand wie betäubt da.
Ich hasste es, nicht an meinem Mund einen Reißverschluss befestigen zu können und bemühte mich insgeheim, nie mehr über meinen Vater zu sprechen. Aber ich sprach gern mit Hunderthaus über alles. Wie eine Maus das Restfutter vom Vorabend nicht liegen ließ, konnte ein Trunkenbold eine halbe Flasche nicht aufbewahren. Hunderthaus war um zwei Jahre älter als ich. Sein Gesicht war wie durch ein Messer ausgeschnitten, mit Ecken und Kanten, sah noch standhafter aus als Revolutionäre, die trotz Folterbank und Chiliwasser kein Geständnis ablegen wollten. Nachdem ich ihm das erzählt hatte, bekam ich etwas Angst im Nachhinein. Ich ließ ihn schwören, niemandem davon weiter zu sagen. Er hob als Garantie seine Hand zum Schwur. „Soll ich das verraten, möge mein Mund verderben.“ Einige ruhige Tage waren verstrichen, bis er sich nicht mehr beherrschen konnte und offenbarte das seinen Eltern. Sein Vater schimpfte: „Halt das Maul! Gott sei Dank, daß das unsere Familie nichts angeht!“
Der Verrat von Hunderthaus war wie ein Schlag auf meinen Kopf. Ich biss meine Zähne zusammen und sagte es seitdem keinem mehr weiter, weder zu Hellhübsch Chen, noch zu Zierapfel Fang, obwohl sie sehr gerne meiner Erzählung zuhören würden. Eines Tages kam Tausendjahr zurück, klopfte auf meinen Kopf und lachte: „Den Liebesbrief hat nicht dein Vater