Wörterbuch alttestamentlicher Motive. Группа авторов
einen Menschen zu einer bestimmten Aufgabe. Dabei handelt es sich immer um einen sprachlichen, in der Regel dialogischen Vorgang, der von nonverbalen Handlungen, wie bestätigenden Zeichen (Mose, Gideon), visionären Erlebnissen (Jeremia, Ezechiel) oder einer Salbung (Könige), begleitet werden kann. In dem komplexen Situationsmotiv können unterschiedliche Teilmotive kombiniert werden, wie die Anrede durch Gott, der Einwand des zu Berufenden, die Beseitigung des Einwands, eine Beauftragung usw. Dem Motiv der Berufung insgesamt kommt im Kontext des jeweiligen alttestamentlichen Buches eine bestimmte Leistung zu, die mit „Legitimation“ (vgl. LONG, 1980, 681) nur unzureichend beschrieben ist. Im AT ist Berufung weder gesellschaftlich-institutionell noch begrifflich definiert. Entsprechend findet sich zu dem deutschen Begriff „Berufung“ im biblischen Hebräisch kein Äquivalent. Unterschiedliche Lemmata werden im Zusammenhang des Motivs verwendet und rekurrieren auf unterschiedliche Aspekte des Gesamtvorganges. Das Verb „rufen“ (qarā) taucht gelegentlich auf (Ex 3,4; 1 Sam 3,4; Jer 1,5), bezeichnet aber eher eine Anrufung des zu Berufenden durch Gott als eine Berufung. Hier kommt der sprachlich-kommunikative Aspekt des Motivs zum Tragen. Entsprechend begegnet sehr häufig auch einfach das Verb „sagen“ (ʾamār). Gelegentlich wird betont, Gott habe den zu Berufenden schon „vom Mutterleib an erkannt“ (Jaḏaʿ, vgl. Jer 1,5), d.h. „erwählt“ (vgl. Jes 49,1; Gal 1,15). Hier ist der Aspekt eines lange schon feststehenden Plans Gottes präsent, der die Eigeninitiative des Berufenen ausschließt. In eine ähn liche Richtung geht die Bezeichnung des Berufungsvorgangs als ein „Nehmen“ oder „Packen“ Gottes (iaqaḥ, vgl. Am 7,15 und Jes 8,11). Schließlich ist auch von einem „Senden“ durch Gott (šaiaḥ, vgl. Jes 6,8; Jer 1,7; Ez 2,3) die Rede, das den Aspekt der Beauftragung hervorhebt. Daneben können Beistandszusagen („Fürchte dich nicht“ Ez 2,6) und -handlungen (Salbung 1 Sam 10,1, Verleihung des Geistes 1 Sam 16,13; Ez 2,2) treten, sodass unterschiedliche Begriff im Kontext des Motivs ein eigenes Wortfeld „Berufung“ ergeben.
2 Berufung von „Charismatikern“
In einem komplexen, inhaltlich vielschichtigen Text wird in Ex 3,1–4,17 die Berufung des Mose geschildert. Mose als eine der wichtigsten Figuren des AT hat sich nicht danach gedrängt, Israel aus Ägypten zu führen, sondern musste von Gott erst durch Argumentation und Zeichen davon überzeugt werden, diese Aufgabe anzunehmen. Ein institutionelles Amt ergibt sich aus der Aufgabe des Mose nicht. Allenfalls Teilaspekte seines Auftrages gehen auf seinen Nachfolger Josua über (vgl. Jos 1,1–9). Die Charakterisierung des Mose als „erwählten“ Propheten im Buch Deuteronomium (vgl. Dtn 18,15.18; 34,10) ist eine nachträgliche Rückbindung des Phänomens der Prophetie an die durch Mose repräsentierte Tora (→ Gesetz, Gesetzestafeln).
Das Richterbuch schildert Israel als eine in Stämme segmentierte Gesellschaft ohne staatliche Institutionen, stehendes Heer oder Königtum. Ständig bedroht durch äußere Feinde, wie die Midianiter oder Philister, bedarf das „Volk“ immer wieder bedeutender Führungspersönlichkeiten, vor allem zur Organisation der Kriegsführung (→ Krieg). Diese sogenannten „großen Richter“ kommen durch Berufungen durch Gott in ihren Dienst und erlangen militärische Erfolge auch nur durch Gottes Beistand. Mit dem Ende der äußeren Gefahr endet in der Regel auch ihr „Richteramt“. Das Richterbuch steht einem institutionalisierten Königtum zum Teil explizit kritisch gegenüber (vgl. Ri 9f.). Stattdessen werden die Berufungen charismatischer Rettergestalten wie Baraks durch die Prophetin Debora (vgl. Ri 4) oder Gideons direkt durch Gott bzw. einen „Engel JHWHs“ (vgl. Ri 6,11–24, → Engel) berichtet.
Den Übergang von dieser segmentierten zu einer staatlich verfassten Gesellschaftsform schildert das erste Buch Samuel. Die Figur des Samuel personifiziert diesen Übergang. Einerseits ist er selbst noch „Richter“ (1 Sam 7,15–18), andererseits salbt er Saul (1 Sam 9f.) und David zum König (1 Sam 16). Darüber hinaus bleibt Samuel aber ein charismatisches Gegenüber zu den Institutionen Priester- und Königtum. Dies wird in einem Berufungsbericht zum Ausdruck gebracht, in dem Gott Samuel bereits als Kind – an seinem Lehrer, dem Priester Eli, vorbei – zum Propheten beruft (1 Sam 3).
3 Berufung von Königen
Dass auch das Königtum in einer gewissen Kontinuität zu den von Gott charismatisch erwählten Richtern steht, hält u.a. das Motiv der Berufung fest. So wird Israels erster König, Saul, von Samuel berufen und gesalbt (1 Sam 9f.). Die Salbung wird ursprünglich nur von Königen berichtet und hebt so die „Gesalbten“ über alle anderen Ämter in Israel heraus. Neben der Salbung wird von Saul aber auch gesagt, dass er wie die „großen Richter“ bei Gefahr eines Krieges unmittelbar von Gott mit dem „Geist“ begabt wurde (vgl. 1 Sam 11,6ff.). Auch David wird im Zuge einer Berufung gesalbt (vgl. 1 Sam 16,11–13). Da aber mit David das Königtum im Südreich Juda dynastisch wird und bis zum sogenannten Babylonischen → Exil ab 587 v. Chr. (→ Babylon) stets Davididen auf dem Thron in Jerusalem regieren, wird hier keine Berufung einzelner mehr berichtet. Im Nordreich Israel kommt es dagegen nicht zu einer dauerhaften Dynastiebildung. Hier scheint die königskritische Tradition der von Gott berufenen Charismatiker lebendiger geblieben zu sein. Bereits der erste Nordreichskönig, Jerobeam I., wird von dem Propheten Ahija von Schilo berufen (vgl. 1 Sam 11,29–39). Später beruft und salbt der Prophet Elischa den Offizier Jehu zu einer Art „Gegenkönig“, der in einem blutigen Putsch die Dynastie der Omriden ausrottet (vgl. 2 Kön 9ff.).
4 Berufung von Propheten
In drei prophetischen Büchern des AT lässt sich das Motiv der Berufung eindeutig ausmachen: Bei Jesaja (Jes 6,1–12), Jeremia (Jer 1,4–10.11–19) und Ezechiel (Ez 1,1–3.11). Dabei handelt es sich in Jes 6 und Ez 1–3 um Visionsschilderungen (vgl. BEHRENS 2002; 2006) und auch in Jer 1 spielen Visionen im Kontext der Berufung eine wichtige Rolle (vgl. BEHRENS 2002, 105ff.). Das Motiv der Berufung unterstreicht dabei eine wesentliche, sprachpragmatische Funktion der Textsorte/Gattung Visionsschilderung, nämlich die der Legitimation der Propheten. Keiner der großen Propheten ist zu seiner Aufgabe aus eigener Initiative gekommen, sondern wurde von Gott unmittelbar in den Dienst genommen. Insofern sind die Visionen des Amos (vgl. Am 7–9) hier einzubeziehen, auch wenn dort das Motiv Berufung eher zurücktritt.
5 Die Designation eines „Gottesknechtes“
Einen Sonderfall stellt das erste der sogenannten „Gottesknechtslieder“ bzw. „Ebed-JHWH-Lieder“ bei „Deuterojesaja“ dar (Jes 42,1–4; 49,1–6; 50,4–9; 52,13–53,12). In Jes 42,1 heißt es: „Siehe (das ist) mein Knecht, ich halte ihn; mein Erwählter, an dem mein Leben Gefallen hat. Hiermit lege ich meinen Geist auf ihn, Recht bringt er zu den Völkern hinaus.“ In zwei deklarativen Sprechakten (vgl. WAGNER 1997, 147ff.) wird der „Knecht“ von Gott präsentiert und ihm wird Gottes Geist zugeeignet. Seine Aufgabe besteht darin, die Botschaft von Israels Gott („Recht“) zu allen Völkern zu bringen. In ungewöhnlicher Dichte wird hier das Motiv der Berufung dargestellt. Berges erkennt ikonographische Parallelen zu dem Vorgang in hethitischen Reliefs, die eine Gottheit zeigen, die ihren König im Arm hält und so schützt und leitet (vgl. BERGES 2008, 226f.). Sprachpragmatisch hat der Text eine enge Parallele in Mt 3,13–17, wo in der Taufe Jesu die Designation und Geistbegabung durch Gott ebenfalls zusammenfallen.
6 Berufungserzählungen
Das Situationsmotiv der Berufung durch Gott, mit ihm und einem zu Berufenden als wichtigsten Akteuren, hat zu einer ganzen Reihe markanter, erzählender Texte geführt, die oft zusammenfassend als Berufungsberichte bzw. -erzählungen bezeichnet werden. Dies sind vor allem die Berufung des Mose am brennenden Dornbusch (Ex 3), die Berufung Gideons (Ri 6) und Samuels (1 Sam 3), Jesajas Vision im Heiligtum (Jes 6), Jeremias Berufung (Jer 1) und Ezechiels Thronwagenvision (Ez 1–3).
Seit der Analyse durch RICHTER (1970) wird davon ausgegangen, dass es sich bei dem Berufungsbericht um eine alttestamentliche Gattung handelt. Als Elemente dieser Gattung gelten „1. Anspielung auf eine Notsituation; 2. Beauftragung; 3. Einwand; 4. Beistandszusage, 5. Zeichen“ (LONG 1980, 678). Dabei sind aber viele dieser Elemente häufig in den