Wörterbuch alttestamentlicher Motive. Группа авторов

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Darüber hinaus sind die sehr allgemein beschriebenen Elemente inhaltlich oft sehr unterschiedlich gefüllt. Während bei Mose ein „Zeichen“ die Verwandlung seines Stabes in eine Schlange ist, fehlt bei den Propheten etwas Vergleichbares. Zudem finden sich bei konsequenter Definition einer Gattung/Textsorte keine signifikanten sprachlichen Eigenarten im hebr. Wortlaut, die alle genannten Texte verbinden würden (vgl. BEHRENS 2002, 4–13; 66–70). Jes 6 und Ez 1ff. lassen sich eindeutig der Gattung „Visionsschilderung“ zuordnen (vgl. LONG 1980, 677 und WASCHKE 1998, 1348). Von einer auch sprachlich zu definierenden Gattung/Textsorte sollte daher in Bezug auf Berufung nicht gesprochen werden. Vielmehr handelt es sich um ein Situationsmotiv, das formgeschichtlich nicht festgelegt ist, und daher in unterschiedlichen Text zusammenhängen und Gattungen wieder auftauchen kann. Unterschiedliche Einzelmotive können dabei verschiedene Aspekte betonen, ohne dass das Fehlen eines bestimmten Einzelmotivs das Vorliegen einer Berufung infrage stellen würde.

      Die Funktion des Berufungsmotivs wurde vor allem in der Legitimation des Auftrags des Berufenen in einem außerhalb seiner selbst liegenden Handeln Gottes gesehen. Insbesondere im Hinblick auf die Prophetengestalten Jesaja, Jeremia und Ezechiel lag immer wieder eine biographische Deutung nahe. Dagegen ist zu sagen, dass es sich hier um ein literarisches Situationsmotiv mit einer bestimmten Funktion im Kontext alttestamentlicher Literaturwerke handelt. Ein Zusammenhang zur Biographie der im Motiv als Aktanten auftretenden handelnden Personen ist nicht gänzlich auszuschließen, aber methodisch nicht fassbar. Die Texte greifen auf eine Fülle vorgegebener Traditionen zurück (vgl. WANKE 1992) und sind zum Teil voneinander literarisch abhängig. Die legitimatorische Funktion ist Bestandteil des literarischen Situationsmotives „Berufung“. Die in dem jeweiligen alttestamentlichen Buch überlieferten Botschaften und Ereignisse sollen als von Israels Gott initiiert verstanden werden. Sie sind nicht lediglich Ergebnis menschlichen Wollens und Reflektierens. Zugleich wohnt insbesondere der dialogischen Struktur des Berufungsmotivs eine „argumentative“ Leistung inne (vgl. BEHRENS 2009). Leserinnen und Leser sollen die Einwände des zu Berufenden mitvollziehen und sich so zu eigen machen können. Dass Mose angesichts eines Ganges zum mächtigsten Mann → Ägyptens einwendet, er könne nicht reden, oder dass Jeremia auf seine Jugend verweist oder dass Jesaja sich ganz auf der Seite der „unreinen“ Menschen und eben nicht auf der des heiligen Gottes (→ Heilig sein) verortet, ist nachvollziehbar. Ebenso sollen dann aber auch die Beistandszusagen nicht nur die Akteure des Textes, sondern auch die Rezipienten erreichen – und das im Grunde bis heute.

      Darüber hinaus haben die jeweiligen Einzeltexte ganz unterschiedliche Funktionen und Leistungen in ihrem Kontext: Jes 6 stellt den Propheten als einen paradigmatisch Sehenden (Jes 6,1) und Hörenden (Jes 6,8) einem Volk gegenüber, das eben nicht hinsehen und auf Gott hören will. Jer 1 stellt eine nachträglich eingefügte redaktionelle Einleitung des Jeremiabuches dar, die eine Reihe von Themen des Buches wie eine Ouvertüre vorwegnehmend kompiliert. Ex 3 schildert auch die Entdeckung des → Berges Horeb und erklärt dessen Bedeutung. Darüber hinaus bietet Ex 3,14 eine Theologie des Namens JHWH und schlägt eine Brücke von der Erzelterngeneration bis zum Exodus usw.

      7 Wirkungsgeschichte

      Das Motiv der Berufung findet seinen nachalttestamentlichen Niederschlag zunächst im NT, z.B. in der Taufe Jesu, die in Mt 3,13–17 an Texte wie Jes 42,1 anzuknüpfen scheint. Auch eine Jüngerberufung wie die des Nathanael (vgl. Joh 2) klingt motivlich an alttestamentliche Texte an. Die Aussendung der Jünger (vgl. Lk 10) nimmt mit der Verwendung des Verbs „senden“ alttestamentliche Beauftragungen auf. Paulus spielt bei seiner Selbstcharakterisierung als durch Gott „vom Mutterleib an ausgesondert“ (Gal 1,15) offenbar an Jer 1,5 und Jes 49,1 an. Auch die Sendung des Petrus zum römischen Hauptmann Cornelius (vgl. Apg 10), bei der erst die Widerstände des Apostels gegen „heidnische“ Speisepraktiken und die Angst vor Verunreinigung durch eine Vision überwunden werden müssen, erinnert an das Motiv des „Einwands“ in den alttestamentlichen Berufungen.

      Darüber hinaus haben einzelne Berufungsberichte im AT tiefe Spuren in der Kirchen- und Kunstgeschichte hinterlassen. So Mose am brennenden Dornbusch, der von Raffael bis Ernst Fuchs vielfach gemalt wurde; das Trishagion aus Jes 6,3, das Eingang in die Abendmahlsliturgie fand, oder die himmlischen Wesen beim Thronwagen Ezechiels, die vermittelt über die Johannesapokalypse zum Symbol der vier Evangelisten wurden.

      8 Literatur

      BEHRENS, Achim (2002): Prophetische Visionsschilderungen im Alten Testament. Sprachliche Eigenarten, Funktion und Geschichte einer Gattung, Münster.

      BEHRENS, Achim (2006): Vision/Visionsschilderung, in: Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet: www.wibilex.de (Zugriffsdatum 1.10.2012).

      BEHRENS, Achim (2009): Argumentation I. AT, in: Lexikon der Bibelhermeneutik, Berlin.

      BERGES, Ulrich (2008): Jesaja (40–48). Herders Theologischer Kommentar zum Alten Testament, Freiburg i.Br./Basel/Wien.

      LONG, Burke O. (1972): Prophetic Call Traditions and Reports of Visions, in: Zeitschrift für die Alttestamentliche Wissenschaft 84, 494–500.

      LONG, Burke O. (1980): Berufung I. AT, in: Theologische Realenzyklopädie V, 676–684.

      NOTH, Martin (21960): Amt und Berufung im Alten Testament, in: ders., Gesammelte Studien zum Alten Testament, München, 309–333.

      RICHTER, Wolfgang (1970): Die sog. vorprophetischen Berufungsberichte, Göttingen.

      SCHART, Aaron (2010): Berufung/Berufungsbericht (AT), in: Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet: www.wibilex.de (Zugriffsdatum 1.9.2012).

      VIEWEGER, Dieter (1986): Die Spezifik der Berufungsberichte Jeremias und Ezechiels im Umfeld ähnlicher Einheiten des Alten Testaments, Frankfurt a.M.

      WAGNER, Andreas (1997): Sprechakte und Sprechaktanalyse im Alten Testament. Untersuchungen im biblischen Hebräisch an der Nahtstelle zwischen Handlungsebene und Grammatik, Berlin/New York.

      WANKE, Gunter (1992): Jeremias Berufung (Jer 1,4–10). Exegetisch-theologische Überlegungen zum Verhältnis von individuellen Äußerungen und geprägtem Gut anhand eines Einzeltextes, in: J. Haussmann, H.-J. Zobel (Hrsg.): Alttestamentlicher Glaube und biblische Theologie, Festschrift H.D. Preuß, Stuttgart, 132–144.

      WASCHKE, Ernst-Joachim (1998): Berufung II. AT, in: Religion in Geschichte und Gegenwart (4. Aufl.) I, 1347–1349.

       Achim Behrens

      Betrug

      Betrug als Erzählmotiv spielt sowohl in den Geschichten von der → Gefährdung der Ahnfrau als auch vor allem in den Jakobsüberlieferungen der Genesis eine wichtige Rolle. Der Betrug Jakobs gegenüber Esau (Gen 27) findet im Betrug Labans an Jakob (Gen 29f.) eine Entsprechung.

      1 Jakob betrügt Esau (Gen 27)

      Der Gegensatz zwischen den beiden Zwillingen Jakob und Esau entzündet sich am Streit um das Erstgeburtsrecht und den Erstgeburtssegen (→ Segen). Beide Vorrechte kommen eigentlich Esau als dem älteren der beiden Zwillinge zu. Nachdem Jakob Esau das Erstgeburtsrecht durch den Tausch mit dem Linsengericht buchstäblich „abgeschwatzt“ hat (Gen 25,29f. → Tausch, viel gegen wenig), will er auch noch den Segen des alten Vaters für sich reklamieren. Ausgangspunkt des Geschehens ist der Wunsch des alt gewordenen und blind werdenden Isaak, der den nahen Tod spürt und davor seinen Segen weitergeben möchte. Diesen „letzten“ Wunsch äußert er gegenüber seinem Lieblingssohn Esau, dem Jäger (vgl. Gen 25,27): „Jage mir ein Wild und bereite mir ein Festessen, wie ich es gerne habe“ (Gen 27,3f.). Im Anschluss an dieses Essen wolle Isaak Esau segnen. „Die Weitergabe des Segens verlangt von dem Sterbenden eine letzte, äußerste Kraftanstrengung und Konzentration. Die Mahlzeit als Vorbereitung soll die nötigen Kräfte vermitteln“ (BOECKER 1992, 45).

      Die


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