Weil ich dem Leben vertraue. Helmut Zöpfl

Weil ich dem Leben vertraue - Helmut Zöpfl


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ist denn auch die von Bierbaum: »Humor ist, wenn man trotzdem lacht.« Der Humorvolle liebt die Welt und den Menschen, obwohl er deren viele Unzulänglichkeiten erkennt. »Er lächelt. Ist Optimist oder Pessimist. Beides und nichts von beidem. Über diesen Gegensatz ist er hinaus. Er fühlt und erkennt aus dem Ganzen. Im Ganzen hat auch das Kleine seinen Ort und seine Notwendigkeit. Und seltsam, seinem klaren Auge wird manchmal selbst das Kleine noch zum unfreiwilligen Zeugen einer letzten, über die Welt waltenden Größe.« (Lützeler, a. a. O., S. 27)

      Humor nimmt also gerade auch das Kleine ernst, erkennt es an, gibt ihm aber einen Platz im Ganzen, stellt die Relation her. Der Humor ist nach dem Gesagten also durchaus auch nicht in Gegensatz zum Ernst zu stellen, aber er ist »die Fähigkeit, heiter zu bleiben, wenn es ernst wird« (Ernst Petzold). Etwas ernst nehmen und doch heiter bleiben, das ist auch die gerade schon angesprochene Fähigkeit, sich nicht zu sehr in den Mittelpunkt zu stellen. Oliver Hassencamp sagt treffend: »Wir nehmen das Leben ernst, bis wir merken, dass es uns nicht ernst nimmt. Von da an kann es ganz gemütlich werden.«

      Humor ist auch etwas, das aus dem Zentrum der menschlichen Person kommt, er ist herzlich, kommt vom Herzen und geht zum Herzen. So formuliert Rudolf Binding: »Der Humor ist eine Eigenschaft des Herzens - wie die Liebe. Es gibt Menschen, die nicht lieben können; wahrscheinlich sind es dieselben, die keinen Humor haben.«

      Vielleicht ist diese Herzlichkeit, die ja auch mit der Unmittelbarkeit verwandt ist, heute besonders notwendig, gerade für uns, die wir in Gefahr sind, in allen möglichen Windungen und Umwegen zu denken und zu reden. Zitiert sei hier auch St. Exupérys bekanntes Wort aus dem Kleinen Prinz: »Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist dem Auge unsichtbar.« Wer mit dem Herzen schaut, schaut auch durch viele »Humorkiller« wie Verwaltung, Verordnung, Bürokratie usw. durch. Er blickt überhaupt besser durch.

      Ein wenig muss man sich freilich auch um diese Gabe des Herzens bemühen. Es kommt auch auf unser Dazutun an, wie wir die Welt sehen, dass wir vor lauter Wald die Bäume noch sehen, vor lauter Gesellschaft noch den Menschen, den Einzelnen, die Person wahrnehmen. Und vor allem kommt es darauf an, dass wir uns um eine positive Schau bemühen. denn ein altes arabisches Sprichwort sagt: »Ärgere dich nicht darüber, dass der Rosenstrauch Dornen trägt, sondern freue dich, dass der Dornenbusch Rosen trägt.«

      Gerade in der Erziehung stellt der Humor das Element dar, das verhindert, dass etwas zu trocken, zu sachlich, zu stur wird. Er ist das Öl, das die Wogen glätten kann, Reibungen verhindert oder mildert. Und in dieser Hinsicht ist es auch etwas Versöhnliches, Ausgleichendes. Kein Wunder, dass ein Spruch sagt, Erzieher ohne Humor seien wie farbenblinde Maler. Humor, der »Schwimmgürtel auf dem Strom des Lebens« (Raabe) - ist er nicht etwas ganz Wesentliches, wenn wir Erziehung als »Lebenshilfe« definieren, hilft er uns doch, das Leben mit seinen Schwierigkeiten zu bestehen, gleichzeitig aber immer in ihm das Großartige, Schöne zu sehen. Wenn wir in der Erziehung immer wieder davon sprechen, dass sie »Hilfe zur wesensgemäßen Selbstverwirklichung« (F. Stippel) leisten soll, dann leistet Humor für die Orientierung an dem, was wesensgemäß und wesentlich ist, wertvolle Hilfe: Er ist es nämlich, der, wie Erich Kästner sagt, »den Augenblick an die richtige Stelle rückt« und »uns die wahre Größenordnung und die gültige Perspektive lehrt. Er macht die Erde zu einem kleinen Stern und uns selber bescheiden.«

      Solidarität

      Nachdem man jahrelang nichts mehr davon gehört hat oder hören wollte, erinnert man sich in den letzten Jahren plötzlich wieder der Werte. Kaum eine politische Aussage, in der nicht auf die Rückbesinnung auf die Werte, die Orientierung an den Grundwerten, auf tragende Wertgebäude usw. verwiesen wird. Beileibe nichts gegen eine solche Besinnung. Nur, ich habe manchmal den Eindruck, diese Berufung auf die Werte ist da und dort schon zu einer recht inhaltslosen Floskel geworden. Ganz selten nämlich versucht man auch konkret zu sagen, was man denn unter einem Wert zu verstehen habe und welche Werte überhaupt gemeint sind. Nach wie vor scheut man sich noch vor konkreten Aussagen. Da müsste man sich festlegen und würde sich allen möglichen Angriffen aussetzen. Aber man will halt möglichst viele, am liebsten alle erreichen. Und die, so glaubt man, erreicht man nur, wenn man möglichst allgemein, das heißt aber dann auch oft: unverbindlich ist. Deshalb wird unter allen Werten am liebsten die Solidarität beschworen.

      Solidarität - das klingt modern und anspruchsvoll, sagt aber auch wenig aus. Wer im Lexikon nachblättert, findet darin folgende Definition: »Zusammengehörigkeitsgefühl von Individuen oder Gruppen (in einem sozialen Ganzen) …

      Von der Soziologie wird Solidarität allgemein als ein Zustand gedeutet, in dem sich eine Vielheit als Einheit verhält, wobei dieses Verhalten in der Regel durch störende Eingriffe von außen motiviert ist.« (Meyers Enzyklopädisches Lexikon).

      Was bedeutet das genauer? Sicher, dass man zusammenhält, sich gemeinsam etwas ausdenkt, erarbeitet und durchsetzt. Solidarität war einmal in sich progressiv gebenden Kindersendungen ein beliebtes Lern-und Erziehungsziel. Man versuchte den Kleinen beizubringen, sie würden sich gemeinsam auch gegen die bösen Erwachsenen behaupten können, gemäß dem Schillerwort: »Vereint ist auch der Schwache mächtig.«

      Ein wenig problematischer wird es schon, wenn man weiter fragt, wogegen oder wofür man solidarisch sein soll. Beim Wogegen stand jahrelang die Gesellschaft als Hauptgegner fest. Von dieser unkritischen Verteufelung ist man zwar ein wenig abgekommen, aber wofür man sich gemeinsam einsetzen soll, bleibt weiterhin doch recht unklar. Solidarität an sich ist also etwas durchaus Wertneutrales, und erst an dem Wofür gewinnt sie ihren Wert, möglicherweise aber auch ihren Unwert. Auch Einbrecher, Mörder und Terroristen können schließlich solidarisch ein Verbrechen planen und durchführen. So kommt es eben in erster Linie darauf an, ob das Ziel gut oder schlecht ist. Und dieses Gut oder Schlecht erfordert eine klare Wertaussage.

      Freilich, meist wird dieses Zusammenhalten, Zusammenstehen etwas Wertvolles sein. Dann nämlich, wenn man sich für den andern als Menschen, als Freund oder Nächsten einsetzt, wenn man zu jemandem steht, für jemanden da ist. Da gäbe es auch eine Reihe wohlbekannter wertvoller Haltungen wie Freundschaft, Treue, Nächstenliebe. Aber für viele klingen diese Begriffe offensichtlich zu altmodisch. Da hört sich Solidarität schon besser an. Gerade aber zwischen Nächstenliebe und Solidarität besteht ein großer Unterschied. Nirgends ist der Begriff der Nächstenliebe großartiger verdeutlicht als im Gleichnis vom Barmherzigen Samariter. Hier geht es nämlich nicht um eine gemeinsame Aktion, ein Durchsetzen von Ideen usw., hier geht es schlicht und einfach um den andern, der einen braucht, für den man da zu sein hat. Und damit offenbart sich auch der tiefere Gehalt jeder Besinnung auf Werte. Jeder Wert entscheidet sich an der Grundhaltung, die man dem Nächsten gegenüber einnimmt. Auf diesem zentralen Gebot des Christentums müssen im letzten alle Werteinstellungen gründen. Wer in den Werten nur etwas Starres, Überzeitliches sieht, der läuft sogar Gefahr, zu einem Prinzipienreiter zu werden, der geradezu unmenschlich handeln kann. Auch wenn Erich Kästners »Es gibt nichts Gutes, außer man tut es«, etwas provokativ klingen mag – richtig ist, dass das Entscheidende nicht eine theoretische Wertbetrachtung, sondern die Tat ist, zu der gerade wir, du und ich im Augenblick durch den Nächsten herausgefordert werden. Meister Eckehart hat das sehr deutlich gesagt: »Immer ist die wichtigste Stunde die gegenwärtige. Immer ist der wichtigste Mensch der, der dir gerade gegenübersteht. Immer ist die wichtigste Tat die Liebe.«

      Fortschritt

      Noch vor ein paar Jahren war er einer der für Parteiprogramme unerlässlichen Begriffe. Auch in allen möglichen Plänen und Programmen tauchte er auf: der Fortschritt. Im Namen des Fortschritts, hieß es da oft, ist dieses oder jenes unerlässlich. Begriffe wie »fortschrittfeindlich«, oder »nicht progressiv« galten geradezu als Schimpfwörter.

      Seit ein paar Jahren hat sich nun eine interessante »Tendenzwende« vollzogen. Zu viele negative Begleiterscheinungen des Fortschritts hatten nachdenklich gemacht, und die oft gedankenlose Fortschrittsgläubigkeit ist einer doch recht skeptischen Einstellung diesem gegenüber gewichen. Longoni hat dieser Skepsis recht eindrucksvoll so Ausdruck verliehen: »Die moderne Formel für die Entwicklung der Menschheit lautet: Fortschritt gleich Lärm plus Umweltverschmutzung plus Krebs, multipliziert mit Isolation.«

      Da


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