Bilanzbuchhalter-Handbuch. Группа авторов
der selbst erstellten Software um ein immaterielles WG handelt, belastet der Aufwand die laufende Periode. Bewertungsprobleme treten bei den zum Ende eines Geschäftsjahres nicht fertiggestellten Programmen deshalb nicht auf.
640Werden Individualprogramme von externen Fachleuten oder Mitarbeitern von Softwarehäusern im Unternehmen des späteren Anwenders hergestellt, damit die speziellen betrieblichen Verhältnisse und Abläufe auch tatsächlich berücksichtigt werden, dann gilt:
Liegt die Verantwortung für das Ergebnis beim Auftraggeber und späteren Anwender und stellt der Auftragnehmer (z. B. Softwarehaus) lediglich externe Fachleute zur Verfügung, dann liegt ein selbst geschaffenes Wirtschaftsgut vor und damit Periodenaufwand. |
Liegt die Verantwortung für das Ergebnis beim Auftragnehmer, der Auftraggeber bzw. seine Mitarbeiter stehen lediglich für Auskünfte bereit und arbeiten den Fachleuten des Auftragnehmers zu, dann liegt ein entgeltlich erworbenes immaterielles Wirtschaftsgut vor. Die Software muss aktiviert werden. |
641Die Herstellerin der Software rechnet den Fertigungsauftrag über eine oder mehrere Kostenträgernummern ab. Unfertige auftragsbezogen erstellte Programme werden mit den bis zum Bilanzstichtag aufgelaufenen Herstellungskosten (§ 255 Abs. 2 HGB) als unfertige Leistungen im Umlaufvermögen ausgewiesen. Die Herstellungskosten ergeben sich i. d. R. aus den mit einem Stundensatz bewerteten Mannstunden plus Sondereinzelkosten.
642Auch die Entwicklung von Standardprogrammen (oder Modularprogrammen) ohne Vorliegen eines konkreten Kundenauftrags wird i. d. R. als Projekt über eine oder mehrere Kostenträgernummern abgerechnet. Weil die Entwicklungskosten für das beim Hersteller verbleibende Ursprungsprogramm anfallen, entsteht ein nicht aktivierbares immaterielles Wirtschaftsgut. Die Entwicklungskosten sind Periodenaufwand.
643Bei der späteren Überlassung der fertigen Software auf unbestimmte Dauer liegt ein Kaufvertrag vor, bei eingeschränktem Nutzungsrecht ein Mietvertrag. Verkauft wird das Nutzungsrecht an der Software. Den Erträgen können lediglich die Kosten für die Kopie des Ursprungsprogramms gegenübergestellt werden. Die Kopierkosten für auf Vorrat kopierte Standprogramme sind unfertige Erzeugnisse.
645Das Kernproblem der bilanziellen Behandlung von ERP-Software liegt bei der Abgrenzung zwischen der Anschaffungskosten von den Herstellungskosten für den selbst erstellten Teil. Hauptursache dafür ist, dass diese Programme ohne Ausnahme erst nach Anpassung an die unternehmensspezifischen Belange einsetzbar sind.
646Bei der Einführung ist neben dem Hersteller der Software immer auch ein Beratungsteam als sog. Systempartner beteiligt. Das Beratungsunternehmen (kann auch eine Abteilung des Herstellers sein) führt zusammen mit den Mitarbeitern des zukünftigen Anwenders die System- oder Problemanalyse durch. Auf die Systemanalyse folgen die Systemplanung (Erarbeitung eines Sollkonzepts) und die Detailorganisation einschließlich Systementwurf. Spätestens jetzt erwirbt der ERP-Anwender die Lizenz zur Nutzung der standardisierten Funktionsmodule vom Hersteller. Der Software-Hersteller verpflichtet sich zur Durchführung von Korrekturen und Verbesserungen (upgrades) und notfalls Erweiterungen (Release-Wechsel) der Programmkomponenten im Rahmen der jährlichen Systemwartung. Korrekturen und Verbesserungen sowie Erweiterungen werden unter dem Begriff Customizing zusammengefasst. Grundlage des Customizing sind die Feststellungen der Beratungsfirma (Systempartner).
647In den standardisierten Modulen sind die betrieblichen Funktionen bereits umfassend abgebildet. Die Feineinstellung auf die spezifischen Belange des Anwenders erfolgt durch Eintragung von Parametern in vorgegebenen Programmtabellen. Die erforderlichen Eingaben können bei einer benutzerfreundlichen Parametrisierung in vielen Fällen die Mitarbeiter des Anwenders vornehmen. Bei sehr komplexen unternehmensindividuellen Abläufen sind diese in den standardisierten Funktionsmodellen nicht abgebildet. Dann stellt der Hersteller das Quellprogramm zur Verfügung und der Softwarepartner entwickelt ein Programm, das die ERP-Software ergänzt.
648Von ihrem Charakter her sind die standardisierten Funktionsmodule Standard-Software und die Ergebnisse des Customizing sind Individual-Software. Hier liegt das Problem. Die entstandene Software kann nur einheitlich bewertet werden. Während die geringfügigen Anpassungen bei Standard-Programmen und herkömmlichen Modularprogrammen nichts daran ändern, dass es sich um gekaufte und eben nicht selbst erstellte Software handelt, können die Kosten für die Anpassung von ERP-Software bis zum zehnfachen der Kosten für die standardisierten Funktionsmodelle betragen.
649Ein Vermögensgegenstand im Sinne von § 246 Abs. 1 HGB muss nach allgemeiner Auffassung einzeln nutzbar und veräußerbar sein. § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB setzt voraus, dass der Vermögensgegenstand einzeln bewertbar ist. Steuerrechtlich steht die selbständige Bewertbarkeit im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG im Vordergrund. Die Einzelveräußerbarkeit wird insoweit gefordert, als ein (potentieller) Erwerber des Betriebs ein im Rahmen des Gesamtkaufpreises wesentliches Entgelt für das Wirtschaftsgut ansetzen würde (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG). Nach umfangreichen Anpassungen an die unternehmensspezifischen Erfordernisse kann die ERP-Software in einem anderen Unternehmen nicht mehr eingesetzt werden. Sie hat die Einzelveräußerbarkeit verloren und behält ihren Wert nur bei Fortführung des Unternehmens. (Tatsächlich ist ein Mangel der Einzelveräußerbarkeit aus diesem Grunde z. B. auch bei Spezialmaschinen und Vorrichtungen kein Grund zur Ablehnung der Aktivierbarkeit.)
650Weiter ist zu klären, ob die einzelnen Module als selbständige Wirtschaftsgüter bilanziert werden können oder nur das Programmsystem im Ganzen. Für die Selbständigkeit der Module könnte sprechen, dass jedes eine eigenständige Funktion wie Finanzwesen, Lagerwesen, Planung usw. abdeckt. In der Praxis dürfte es aber fast unmöglich sein, die umfangreichen Anpassungsarbeiten einzelnen Modulen zuzuordnen. Während die herkömmlichen Modular-Programme jeweils speziellen Aufgabenstellungen zuzuordnen sind, ist die ERP-Software gerade auf die Integration der Funktionen und eine Vernetzung der Abläufe mit dem Ziel der Optimierung der Geschäftsprozesse und der Abrechnung zugeschnitten. Von daher ist von einem einheitlichen Wirtschaftsgut auszugehen.
651An der Einführung der ERP-Software sind drei Parteien beteiligt (s. unter 2.3.1):
(1) | der Software-Hersteller, der die standardisierten Funktionsmodule liefert, |
(2) | der Systempartner als Berater, |
(3) | der Erwerber und spätere Anwender, dessen Mitarbeiter dem Systempartner zuarbeiten. |
Die Software kann deshalb nicht ohne weiteres als Standard-Software oder als Individual-Software eingeordnet werden, weil sie
zum Teil aus einem angeschafften Rohprogramm, den Funktionsmodulen, besteht, |
zum Teil von einem externen Systemberater erstellt worden ist, |
zum Teil in eigener Verantwortung unter Mithilfe eines Beratungsunternehmens und der eigenen Mitarbeiter entwickelt worden ist. |
652Die gekauften Module (1) sind entgeltlich erworben und deshalb aktivierungspflichtig. Die Aktivierung der Aufwendungen für den Systempartner (2) hängt von der Vertragsgestaltung ab. Im Falle eines Kauf-, Werk- oder Werklieferungsvertrags liegt ein entgeltlicher Erwerb vor, im Falle eines Dienstvertrags nicht. Daraus folgt: