Schmäh. Edwin Baumgartner
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DIE LEKTORIN MEINES VERTRAUENS GIBT ES WIRKLICH.
SIE IST FÜR MICH MEHR ALS NUR DIE LEKTORIN MEINES VERTRAUENS.
IHR IST DIESES BUCH GEWIDMET.
SCHMÄHOHNE.
Copyright © Claudius Verlag, München 2018
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Umschlaggestaltung: Weiss Werkstatt, München
Layout: Mario Moths, Marl
E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2018
ISBN 978-3-532-60026-9
INHALT
Wie die Jungfrau zum Kind und ich auf den Schmäh kam
INTERMEZZO: Auf dem Gang im Stiegenhaus
INTERMEZZO: Im Modegeschäft gegenüber
Ein ganzer, ein halber und ein doppelter Schmähtandler
Noch ein paar Schmähtandler, ein Pülcher und vielleicht der Kreisler
Aber jetzt! Ein ganz schwarzer Schmähtandler
INTERMEZZO: Auf einem Bankerl im Park
INTERMEZZO: Beim Altwarentandler
WIE DIE JUNGFRAU ZUM KIND UND ICH AUF DEN SCHMÄH KAM
Das muss ich Ihnen jetzt erzählen:
Was der Schmäh ist, wirklich ist, also, was der Schmäh wirklich ist, das weiß keiner genau. Ich hoffe, Sie erwarten jetzt keine tiefschürfende Abhandlung, keine „Philosophie des Schmähs“, keine „Geschichte des Schmähs unter Berücksichtigung der Schmähführung in den ersten 17 Monaten der Regentschaft von Kaiser Franz Joseph“, keine Untersuchung „Der Schmäh als vor-postmoderne Dekonstruktion ernsthafter Erzähltechniken“. Es gibt keine Definition für Schmäh, zumindest keine zutreffende, keine, die sozusagen schmähumfassend wäre, die alles beinhaltet, was der Wiener unter Schmäh versteht.
Der grantelnde Wiener, der die Todessehnsucht in den Genen hat, für den die „scheene Leich“ zum Leben dazugehört, und der bei seinem Stamm-Würstelstand eine „Eitrige“ mit einem „Geschissenen“ bestellt, braucht den Schmäh, um in einer schmählosen Welt zu überleben.
Denn der Schmäh beseitigt seine Probleme. Der Schmäh nimmt nie den geraden Weg, sondern den, der das Leben ein bisserl besser macht. Wäre der Schmäh ein Bergsteiger, würde er nicht auf geradem Weg zum Gipfel keuchen, sondern den bequemsten Pfad suchen, und braucht er ein bisserl länger, dann ist das halt so. Der Schmäh hat Zeit, und wenn er sie nicht hat, dann nimmt er sie sich, wo er sie findet.
Wenn der Wiener eine seiner sowieso ungeliebten Entscheidungen treffen soll, bedient er sich des Schmähs, um in der Sicherheit des Ungefähren zu verharren. Der Schmäh erleichtert das Leben, weil er es nicht in Geschichten verpackt, sondern in G’schichterln und treffende Aussprüche, die der Franzose als Bonmots bezeichnen würde. Nur, dass der Schmäh kein Bonmot ist, sondern ein Schmäh.
Darum kann ich Ihnen bei bestem Willen nicht in einem Satz sagen, was der Schmäh ist. Allenfalls erzählen kann ich es Ihnen. Dazu gehört, wie ich selbst zum Schmäh gekommen bin. Wie die Jungfrau zum Kind nämlich, so war das.
Kennen Sie dieses Sprichwort überhaupt, zu etwas kommen „wie die Jungfrau zum Kind“? Die Jungfrau Maria, die mit mancherlei Stoßseufzern und Redewendungen in so vielen katholischen Mündern geführt wird, kam, ganz ohne eigenes Zutun im Umgang mit ihrem Verlobten Josef, durch den Heiligen Geist zum Kind. Wenn nun jemand meint, er sei zu etwas gekommen wie die Jungfrau zum Kind, dann heißt das, es habe sich so ergeben, durch höhere Fügung oder wie auch immer. Der Beglückte (oder fallweise auch Beunglückte) hat sich nicht darum gerissen.
So,