In dir bin ich stark. Klaus Steinert

In dir bin ich stark - Klaus Steinert


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der Woche: Matthäus 25, 14 – 30

      Da kann mir die Freude vergehen, wenn ich höre: »Denn wer da hat, dem wird gegeben werden und er wird die Fülle haben, wer aber nicht hat, dem wird auch, was er hat, genommen werden. Und den unnützen Knecht werft in die Finsternis hinaus, da wird sein Heulen und Zähneklappern.« Wenn ich nicht wüsste, dass diese Worte in der Bibel stehen, würde ich sie eher als eine treffende Beschreibung unserer Gesellschaft bezeichnen. Denn wer da hat, dem wird gegeben werden. In einer Zeit, wo für viele die wirtschaftlichen Verhältnisse zum Heulen sind, da will das niemand auch noch aus der Bibel hören.

      Aber dieses Gleichnis hier meint etwas anderes als ein Lob der Ungerechtigkeit. Jesus sagt hier denen das Gericht an, die aus ihrem Leben nichts Gescheites machen. Nicht, dass wir uns falsch verstehen, es geht ihm dabei nicht um die Karriereleiter, womöglich um die erste Million, nein, es geht um Lebenssinn. Wozu bin ich da? Jeder von uns hat seine Fähigkeiten, mit denen er arbeiten kann. Das Gleichnis atmet die Zuversicht, dass ich im Leben etwas erreichen kann. Wenn ich meine Chance nur nutze. Ein Liedermacher hat einmal gesungen: »Du hast es nur noch nicht probiert, und darum glaubst du es nicht … Mensch, du bist stumm wie ein Fisch und alles wartet auf dich … Mensch, in dir steckt doch noch Ungeahntes drin. Was noch keinem gelang, das packst vielleicht gerade du. In dir schläft Mut, Phantasie, ja vielleicht ein Genie. Na los, trau dir es doch zu. Du hast es nur noch nicht probiert!«

      Mir fällt dabei Sabrina ein. Ein Film dieses Namens war einst ein Film-Klassiker mit Audrey Hepburn und Humphrey Bogart (Bogart wurde in letzter Minute für Cary Grant eingesetzt, da Grant absagte) und wurde neu verfilmt mit Julia Ormond und Harrison Ford. Sabrina Fairchild nun, die junge, schüchterne und unbeholfene Tochter des Chauffeurs der reichen Larrabees, verliebt sich, in ihrer Phantasie wohlgemerkt, in den Playboy der Familie, David. Doch der würdigt sie zunächst keines Blickes (» … der weiß nicht, dass ich existiere«). Ein zweijähriger Aufenthalt in Paris macht aus dem unscheinbaren Mädchen eine wirklich angenehme Schönheit. Auf einmal beißt auch Schürzenjäger David an. Aber es stehen Milliarden auf dem Spiel, sein Bruder Linus, der eigentlich ausgebuffte, immune Geschäftsmann, soll nun die unstandesgemäße Liaison verhindern, mit einer hohen Abfindung für die Betroffene versteht sich. Zu beider Überraschung entdecken beide ihre Gefühle füreinander. Linus erscheint der Sinn seines Lebens plötzlich durch diese Frau in einem neuen Licht. Total einfache Dinge werden ihm plötzlich wichtig, nicht Terminkalender. David ist darüber auch gar nicht so unglücklich, für ihn wäre Sabrina vielleicht nur eine Episode geblieben. Für seinen Bruder aber ist es die Chance seines Lebens, und er ergreift sie nach langem Zögern und Kampf und vollem Risiko. Sie hat sein Leben umgestoßen – die Chance und die Frau.

      Auf das Probieren und Riskieren kommt es an. Zentner an Silber, also die Begabungen, sind dabei unterschiedlich verteilt. Aber ist deshalb irgendein Leben weniger wert als das andere? Jesus kann sich so einen Gedanken gar nicht vorstellen. Gerade denen, die scheinbar von der Schöpfung nicht so reichlich bedacht wurden, will er deutlich machen: Es geht nicht um unsere Wertvorstellungen, die immer mit Vergleichen und Abrechnen zu tun haben. Vielmehr geht es darum, das eigene Potenzial gelebt zu haben.

      Unser Leben soll glücken, dazu müssen wir es riskieren. Wer nur den sicheren Weg geht, wird irgendwann einmal vor Langeweile sterben. Und er wird dann alles verlieren. Für die Jünger war das Gleichnis ein starker Zuspruch. Sie hatten allerhand riskiert. Sie probierten aus wie es ist, Jesus zu folgen. Sie wollten ihr Leben nicht mehr vergraben.

      Anders beim dritten Knecht. Wie die anderen, bekommt auch er ein reiches Gut anvertraut. Doch er versteht nicht, dass es Leben nicht auf den Zuschauertribünen gibt, sondern nur mittendrin. Er vergräbt, was er hat. Er hat die seltsame Ahnung, dass das Leben ihm gnadenlos eine Rechnung aufmachen wird. Als er schließlich gefragt wird, was er denn mit seinem Zentner an anvertrautem Gut gemacht habe, wird das deutlich: »Herr, ich wusste, dass du ein harter Mann bist, du erntest, wo du nicht gesät hast, sammelst ein, wo du nicht ausgestreut hast, und ich fürchtete mich, ging hin und verbarg deinen Zentner in der Erde. Siehe, da hast du das deine.« Solchem Denken erteilt Jesus hier eine Absage.

      Was hast du versucht, probiert und riskiert? Der Dritte ist nicht nur ein unnützer Knecht, sondern auch ein wirklich armer Knecht, und den kenne ich eigentlich nur zu gut. Denn im Chancenvergeben bin ich auch einsame Spitze. Wir haben das Pfund der Versöhnung in den Händen, und doch lähmt uns unsere Schuld. Und wie viele Menschen bleiben aufgrund ihrer verkorksten Vergangenheit anonym, geduckt, trauen sich nicht, sich aufzurichten!?

      Wenn ich das Gleichnis Jesu richtig verstehe, haben er und sein himmlischer Vater kein Problem mit unseren Unvollkommenheiten. Vielmehr damit, dass wir das, zugegeben oft wenige, was wir haben, so gering achten, als ob daraus nicht etwas Großes werden könnte. Gewiss, uns sind Grenzen gesetzt, Rahmen sind abgesteckt, innerhalb derer wir unser Leben nur gestalten können. Zeitliche, körperliche Grenzen, geistige und finanzielle. Aber danach werden wir nicht gefragt, auf unsere Begrenzungen werden wir uns nicht berufen können, wenn wir Rechenschaft ablegen. Und keine Fehler gemacht zu haben, wird nicht der höchste Bonus vor dem Richterstuhl Gottes sein.

      Die Frage am Ende ist die: Hab ich es meinem Schöpfer gedankt, dass er mir das Leben gab?

       Bibeltext der Woche: 1. Mose 8, 22

      Frühling bedeutet für mich gute Laune, weil die Sonne scheint. Im Frühling erwacht die Natur. Leben kehrt ein. Neue Pflanzen zeigen sich. Die Tiere kommen aus ihren Winterquartieren. Die Wärme tut gut. Der Frühling lässt mich dankbar und demütig vor unserem Gott das bestaunen, was meine Sinne täglich wahrnehmen können. Wie etwa die Zugvögel: »Seid mir gegrüßt, befreundte Scharen!«, denke ich, wenn ich sie sehe! Vor allem freue ich mich über die Kraniche. Meine Stadt liegt auf ihrem Weg zu ihren Sommerquartieren hoch im Norden. Sie überfliegen mich mit ihrem typischen Krächzen. Ich höre sie ganz deutlich, blicke dann nach oben und beobachte, wie sie in mehreren großen, offenen Dreiecken am Himmel entlangfliegen.

      Ihre jährliche Wiederkehr ist mir zum Bild geworden: »Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.« Es ist seine Zusage: Ich habe dich erschaffen und ich erhalte dein Leben. Durch alle deine Jahreszeiten hindurch.

      Szenenwechsel. Sie könnte jeden der drei Sessel wählen, doch Emma wählt immer den einen: ihren Sessel. Der nimmt sie auf. Sein Polster hat schon ihre Formen. Langsam hangelt sie sich am Tisch entlang und lässt sich hineinfallen. »Absurd!«, denkt sie. Dass ein so kleiner Weg so lange dauern kann, hätte sie sich früher nicht träumen lassen. Wohin die Leichtigkeit des Frühlings? Ihres Frühlings?

      Ihr Blick fällt auf das Kleinste der vergilbten Bilder vor ihr. Ohne Brille kann sie es kaum erkennen. Doch sie weiß genau, was darauf zu sehen ist. Und sie weiß, was auf der Rückseite steht. Sie weiß es, denn sie hat es geschrieben, damals, bevor sie es eingerahmt hat. »Die ganze Welt könnt‘ ich umarmen«, steht da. Und »Mai 1947«. Auf der Vorderseite, in dem kleinen, grünen Rahmen, ist sie selbst zu sehen. Den Kopf etwas schief. Die blonden Locken fallen auf die Schulter. Der Rock kurz über die Knie. Weiße Bluse. Daneben er. Rosen um sie beide herum. 19 waren sie da und saßen im Stadtpark.

      Eigentlich war er ja nie mein Typ, erinnert sie sich. Und lächelt. Hartnäckig war Johann gewesen, als er um sie geworben hatte. Jeden Tag wieder war er, wie zufällig, an dem Haus ihrer Eltern vorbeigeschlichen. Bis sie irgendwann einlenkte. Weil, wie sie sagte, das ja nicht so weitergehen könne – und sie sich doch insgeheim geschmeichelt fühlte. Und weil sie sich kennenlernten. Eigentlich war er ja nie ihr Typ. Nie der Typ, von dem sie geschwärmt hatte, in ihrer Phantasie. Doch eigentlich, eigentlich war er es dann schon. Weil er sie liebte. Manchmal verstand sie selbst nicht wieso. Sie blickt auf das Bild: Ihre Locken im Gesicht und ein strahlendes Lachen. Um ihre Schulter die Hand ihres Mannes, der sie ansieht. Mit seinen blauen Augen. Die sieht man auf dem Bild nicht. Aber Emma sieht sie. Immer noch. Sie schaut auf den Schnappschuss. Das war unser Sommer, Johann. Was für ein Segen, dass wir uns hatten. All diese Jahre.

      Ein anderes Bild hängt nicht mehr. Emma kann es nicht mehr ansehen. Seit es damals vor dem Sarg stand. »Haben Sie


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