Frieden - eine verlorene Kunst?. Stephan Elbern
des römischen Volkes“ (amici et socii populi Romani) waren die Besiegten fortan zur Heerfolge verpflichtet. Gefangene und Überläufer mussten ausgeliefert werden (die abgefallenen Latiner wurden enthauptet, römische Bürger jedoch gekreuzigt), ebenso die Kriegsschiffe bis auf zehn sowie alle Elefanten; die Haltung dieser Tiere war künftig untersagt, ebenso die Anwerbung von Söldnern8. Die besiegte Stadt sollte 100 Geiseln9 stellen, sowie eine Kriegsentschädigung von 10.000 Talenten in 50 Jahren leisten. Für die Zukunft entscheidend waren zwei weitere Bestimmungen des Vertrages: Der mit den Römern verbündete Numiderkönig Massinissa sollte die früheren Besitzungen und die seiner Vorfahren zurückerhalten (ein „Freifahrtschein“ für spätere Gebietsforderungen!); Karthago durfte außerhalb Afrikas keine Kriege mehr führen, im Land selbst nur mit römischer Erlaubnis.
Den Besiegten wurde ein dreimonatiger Waffenstillstand gewährt, um das Abkommen in Rom bestätigen zu lassen; in dieser Zeit mussten sie Sold und Verpflegung für Scipios Heer übernehmen. Der Senat empfing die karthagische Gesandtschaft im Tempel der Bellona (nahe dem späteren Theater des Marcellus). Bei den Beratungen erhob sich Widerspruch gegen die vorläufigen Friedensbedingungen; manche forderten die Zerstörung Karthagos. Schließlich billigte die Volksversammlung den Vertragsentwurf Scipios (201 v. Chr.). Eine Kommission des Senates reiste mit den punischen Gesandten nach Afrika, um letzte Details festzulegen (etwa die genaue Grenzziehung). Danach trat das Abkommen in Kraft, von beiden Seiten feierlich beschworen; schmerzerfüllt mussten die Karthager mit ansehen, wie ihre Schiffe in Flammen aufgingen – es erschien ihnen, als ob ihre Stadt selbst brannte!
Mit diesem Friedensschluss war Rom endgültig zur Weltmacht aufgestiegen, der die anderen Staaten und Völker zwischen Spanien und Syrien schon bald erliegen sollten; Karthago hatte dagegen jegliche politische und militärische Bedeutung eingebüßt. Allerdings ermöglichten die durchgreifenden inneren Reformen Hannibals – der sich hier auch als bedeutender Staatsmann erwies – eine wirtschaftliche Erholung, die schon bald römische Ängste (wenngleich von Karthago tatsächlich keine Gefahr mehr drohte) und Begehrlichkeiten weckte. Man hatte nicht vergessen, wie nahe die Stadt dem Untergang gewesen war; noch Generationen später erschreckten die Römer ihre unartigen Kinder mit dem Ruf „Hannibal ad (nicht: ante) portas“10. In geradezu pathologischem Hass hat M. Porcius Cato immer wieder die Zerstörung der früheren Rivalin gefordert.11
Die vagen Formulierungen des Friedensvertrages boten hinreichend Gelegenheit, die einst so stolze Stadt weiterhin zu demütigen. Immer wieder besetzte Massinissa karthagisches Gebiet, willig bestätigten die Kommissionen des Senates seine Rechtsbrüche. Als sich die Bedrängten endlich zum Widerstand aufrafften, schlug Rom erbarmungslos zu. Da sie – entgegen den Bestimmungen des Friedensvertrages – ohne Einwilligung der Siegermacht Krieg geführt hatten, nötigte man sie zu immer neuen Zugeständnissen, um ihnen schließlich die Zerstörung Karthagos anzukündigen. Da regte sich der verzweifelte Überlebenswillen der Einwohner, die ihre Vaterstadt heldenhaft gegen die römischen Legionen verteidigten. Erst nach dreijähriger Belagerung wurde sie durch den jüngeren Scipio erobert und dem Erdboden gleichgemacht (149 – 146 v. Chr.), die Überlebenden in die Sklaverei verkauft, der Ort verflucht – er sollte auf ewig unbewohnt bleiben (Caesar gründete später ein neues Karthago, das aufgrund seiner einzigartigen Handelslage zu einer der bedeutendsten Metropolen des Imperium Romanum wurde).
Das Ende der Souveränität: Der Vertrag von Apameia (188 v. Chr.)
Rom wirft die hellenistischen Staaten nieder und erringt die Vorherrschaft im östlichen Mittelmeerraum. Seit dem Frieden von Apameia kennt es keinen gleichrangigen Gegner mehr.
Mit dem Sieg über Karthago hatte Rom faktisch die Herrschaft über den westlichen Mittelmeerraum erlangt (201 v. Chr.); obwohl das Volk nach diesen schweren Jahren kriegsmüde war, griff der Senat unverzüglich in die Auseinandersetzungen des hellenistischen Ostens ein. Dort hatte sich nach dem Tod Alexanders d. Gr. ein Staatensystem herausgebildet, das in mancher Hinsicht der außenpolitischen Konstellation im Zeitalter von Barock und Aufklärung glich: Drei Großmächte rivalisierten um die Vorherrschaft – Makedonien, das ptolemäische Ägypten sowie das Seleukidenreich, das sich von Kleinasien bis zum Indus erstreckte; zwischen ihnen versuchten sich die kleineren Staaten (Pergamon, Rhodos, Sparta, der Achäische Bund u. a.) in wechselnden Allianzen zu behaupten. Die Kriegführung – geprägt von gegenseitiger Hochachtung und ritterlicher Courtoisie – war ebenfalls dem Barock vergleichbar, ebenso ihre Zielsetzung; man kämpfte um einzelne Städte und Provinzen, versuchte aber nie, den Gegner zu vernichten (der bereits im folgenden Konflikt ein Verbündeter sein konnte).
Der Hilferuf von Rhodos und Pergamon gegen die bedrohlich anwachsende Macht Philipps V. von Makedonien bot Rom den gewünschten Anlass, in die hellenistische Welt auszugreifen (201 v. Chr.). Erfolgreich gab man die Parole aus, die Griechen vor der Übermacht des Königs zu beschützen; nahezu alle Hellenen traten auf die römische Seite. Nach seiner Niederlage bei Kynoskephalai musste Philipp alle griechischen Städte in Europa und Kleinasien aufgeben; bei den Isthmischen Spielen des folgenden Jahres (196 v. Chr.) verkündete der siegreiche Feldherr T. Quinctius Flamininus unter allgemeinem Jubel die Freiheit der Hellenen (diese hinderte die Römer allerdings nicht, hohe Kontributionen bei ihnen einzutreiben).
Es folgte der Krieg gegen Antiochos III. d. Gr. (223 – 187 v. Chr.), den mächtigsten Herrscher dieser Zeit. Nachdem er mehrere Aufstände niedergeworfen und mit wechselndem Erfolg gegen die Ptolemäer gekämpft hatte, begann der König seine viel bewunderte „Anabasis“, die an den Siegeszug Alexanders d. Gr. anknüpfte – er durchzog Persien und Medien, unterwarf die Parther und drang bis nach Indien vor (212 – 205 v. Chr.). Danach entriss er den ägyptischen Herrschern das südliche Syrien sowie Phönizien und besetzte die ehemaligen makedonischen Stützpunkte in Kleinasien. Als er aber den Hellespont überschritt und Thrakien eroberte, stieß er auf die Interessensphäre der Römer; deren Forderung nach allgemeiner Freiheit der hellenischen Städte bedrohte wiederum die Herrschaft des Königs über Kleinasien. Nach langwierigen Verhandlungen, die gleichzeitig zu Kriegsvorbereitungen genutzt wurden, setzte Antiochos nach Griechenland über, freilich mit völlig unzulänglichen Streitkräften (192 v. Chr.). Das militärische Genie Hannibals, der am Seleukidenhof Zuflucht gesucht hatte, nutzte er ebenfalls nicht – er schob den besten Heerführer seiner Zeit zu einem unbedeutenden Flottenkommando ab! Bei den Thermopylen geschlagen – dort hatte einst Leonidas den Heldentod gefunden – kehrte der König nach Kleinasien zurück; als die Römer die Meerengen überschritten und weitere Erfolge errangen, war er bereit, seine europäischen Besitzungen, sowie alle Griechenstädte aufzugeben. Jetzt aber forderten die Römer, er solle auf Asien diesseits des Taurosgebirges verzichten. Bei Magnesia fiel die Entscheidung des Krieges; die seleukidische Armee erlitt eine vernichtende Niederlage. Das nominelle Kommando führte dabei der Konsul L. Cornelius Scipio, die eigentlichen Entscheidungen traf jedoch sein berühmter Bruder, der Sieger von Zama (190/89 v. Chr.).
Seleukidenreich niedergeworfen – Rom Herrin der Welt
Der geschlagene Herrscher floh in das phrygische Apameia Kibotos (nicht die bekanntere gleichnamige Stadt in Syrien); man gewährte ihm einen Waffenstillstand, um Friedensverhandlungen einzuleiten. Sein ranghöchster Minister und Feldherr Zeuxis reiste nach Rom, wo man die Bestimmungen des Abkommens festlegte. Im Frühjahr 188 v. Chr. wurde der Vertrag in Apameia feierlich abgeschlossen und beschworen: Der König musste Kleinasien diesseits des Tauros aufgeben, ferner alle Elefanten sowie – bis auf zehn Schiffe – die Kriegsflotte übergeben (deren Bewegungsfreiheit zudem eingeschränkt wurde); die Kriegsgefangenen und Überläufer sollten ausgeliefert werden, ebenso die Römerfeinde am seleukidischen Hof (Hannibal war bereits entflohen). Für das Abkommen bürgten zwanzig Geiseln, unter ihnen der gleichnamige Sohn des Herrschers (der spätere Antiochos IV., dessen Hellenisierungspolitik zum Aufstand der Makkabäer führte). Durch den Friedensschluss wurde die „Freundschaft“ zwischen den siegreichen Römern und dem König erneuert. Diesen sollte der Vertrag sogar das Leben kosten: Die hohe Kriegsentschädigung von 12.000 Talenten (zuvor hatte er bereits 3.000 Talente erlegen müssen) nötigte Antiochos, alle möglichen Geldquellen zu erschließen; als er bei Susa die Schätze eines Baalstempels plünderte, wurde er von der erbitterten Bevölkerung erschlagen.