Frieden - eine verlorene Kunst?. Stephan Elbern

Frieden - eine verlorene Kunst? - Stephan Elbern


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Zersplitterung war hingegen das Achämenidenreich, das schon bald im Königsfrieden seine außenpolitischen Ziele durchsetzen konnte.

      Die verhängnisvolle Uneinigkeit der kleinen Stadtstaaten ermöglicht dem persischen Großkönig, den Griechen seinen Willen aufzuzwingen; Hellas versinkt im Chaos.

      In einem langjährigen erbitterten Ringen hatte Sparta im Peloponnesischen Krieg (431 – 404 v. Chr.) die Vorherrschaft über Hellas erkämpft. Nun forderte der persische Großkönig Artaxerxes II. den damals vereinbarten Preis für die achämenidische Unterstützung: die Auslieferung der kleinasiatischen Griechenstädte. Jetzt aber warfen sich die Spartaner zu deren Schutzmacht auf und begannen unter ihrem König Agesilaos einen Feldzug gegen das Achämenidenreich. Daher förderte der Großkönig ihre innergriechischen Gegner; mit persischem Gold wurden Theben, Korinth und Argos gewonnen, der Athener Konon baute eine neue Flotte auf. Der Ausbruch des Korinthischen Krieges (394 – 387 v. Chr.) zwang Agesilaos zur Rückkehr nach Griechenland. In den Schlachten von Nemea und Koroneia bewährte sich nochmals die Überlegenheit der spartanischen Hopliten, die Entscheidung fiel jedoch zur See: Bei Knidos vernichtete Konon die spartanische Flotte. Im Triumph zog der siegreiche Admiral in die Vaterstadt ein und erneuerte die Langen Mauern; auch die zur Versorgung Athens lebenswichtigen Inseln Lemnos, Imbros und Skyros wurden zurück gewonnen.

      Gleichzeitig verhandelten die Kriegsgegner in Sardes mit dem persischen Satrapen Tiribazos; nun gewann der spartanische Gesandte Antialkidas4 die finanzielle Unterstützung des Großkönigs für seine Heimatstadt – allerdings gegen die erneute Preisgabe der kleinasiatischen Griechenstädte (393/​92 v. Chr.). In den folgenden Jahren zog sich der Krieg bis zur allseitigen (v. a. wirtschaftlichen) Erschöpfung hin. Inzwischen zum Nauarchen aufgestiegen, begab sich Antialkidas gemeinsam mit Tiribazos an den königlichen Hof nach Susa; dort wurde ein allgemeiner Friede für Hellas vereinbart. Nachdem die Drohung mit einer Hungerblockade durch eine persisch-spartanische Flotte den Widerstand Athens gebrochen hatte, stand dem Abkommen nichts mehr im Wege.

      In Sardes wurde der „Königsfrieden“ (auch Antialkidas-Frieden genannt) den Gesandten der griechischen Staaten mitgeteilt und im folgenden Jahr zu Sparta beschworen (387/​86 v. Chr.). Er sprach die hellenischen Städte Kleinasiens sowie Zypern dem Großkönig zu; alle Poleis in Griechenland sollten autonom sein (mit Ausnahme der für Athen lebensnotwendigen Inseln); den Widersachern dieses Vertrages drohte der persische Herrscher mit Krieg zu Wasser und zu Lande. Bereits für die Zeitgenossen war damit der Tiefpunkt der griechischen Geschichte erreicht; alle früheren Erfolge über die „Barbaren“ – die Siege von Marathon und Salamis, bei Plataiai und am Eurymedon – waren verspielt, die einst ruhmreich befreiten hellenischen Städte dem Feind preisgegeben.

       Königliches Diktat – kleinasiatische Griechenstädte verloren

      Die „allgemeine Autonomie“ sicherte zunächst die Vorherrschaft Spartas, denn sie erlaubte dem Kriegerstaat, gegen jede Machtkonzentration in Griechenland vorzugehen, etwa den Boeotischen Bund der Thebaner; so wurde die Burg von Theben – mitten im Frieden – rechtswidrig besetzt. Ein erfolgreicher Handstreich zwang jedoch die spartanische Garnison zur Übergabe; Athen trat auf die Seite der einstigen Gegner und erneuerte seinen früheren Seebund. Ein allgemeingriechischer Kongress in Sparta sollte den Königsfrieden erneuern; dies scheiterte jedoch an der Forderung Thebens nach einer Anerkennung seines Bundes. Wenige Wochen später mündete der Straffeldzug der Spartaner in der vernichtenden Niederlage bei Leuktra; davon hat sich der Kriegerstaat nie mehr erholt (371 v. Chr.).

      Es folgte eine kurzlebige Hegemonie Thebens, die freilich schon bald mit dem Heldentod seines genialen Feldherrn Epameinondas endete.5 Danach versank Griechenland vollends im Chaos. Die Zeit war reif für eine Einigung des zersplitterten Landes; Philipp II. von Makedonien sollte dieses Werk vollbringen.

      Nach dem entscheidenden Sieg bei Chaironeia vereint Philipp II. die griechischen Stadtstaaten im Korinthischen Bund; damit ermöglicht er den Siegeszug seines Sohnes Alexander d. Gr. durch Asien.

      Jahrhundertelang hatten sich die hellenischen Poleis in blutigen Bruderkriegen zerfleischt; unentwegt rangen sie um die Vorherrschaft in Griechenland. Im Peloponnesischen Krieg hatte Sparta die Vormacht Athens gebrochen, danach jedoch durch schwere Fehler die eigene Hegemonie verspielt. Mit dem glänzenden Sieg bei Leuktra (371 v. Chr.) war Theben an die Stelle des Kriegerstaates getreten; seine Macht beruhte jedoch lediglich auf dem militärischen Genie des Epameinondas. Nach dem Tod des Feldherrn herrschte in Hellas politisches Chaos. Nutznießer der griechischen Zersplitterung war das Reich der Achämeniden; im Königsfrieden hatte es die hellenischen Städte Kleinasiens zurück gewonnen; persisches Gold beeinflusste maßgeblich die innergriechischen Auseinandersetzungen.

      Da wuchs ein neuer Machtfaktor in Hellas heran – das aufstrebende Reich der Makedonen unter seinem politisch, wie militärisch hoch befähigten König Philipp II. (359 – 336 v. Chr., geb. um 382). Tatkräftig festigte er die Stellung des Herrscherhauses; durch siegreiche Feldzüge mehrte er das makedonische Territorium und baute eine schlagkräftige moderne Armee auf; seine Macht bedrohte schon bald das Gleichgewicht der Kräfte in Griechenland.

      Beim weiteren Vordringen nach Süden stieß der König auf die Interessensphäre Athens. Dort erkannte der hochberühmte Redner und Staatsmann Demosthenes die drohende Gefahr; in den Philippischen Reden propagierte er gegen die wachsende Macht des makedonischen Herrschers die griechische „Freiheit“ (die vor allem die Möglichkeit bedeutete, sich weiterhin gegenseitig zu bekämpfen). Zweifellos tapfer und unbestechlich, zudem bereit, bis zum bitteren Ende für die eigene Überzeugung ein zustehen, vertrat er ein längst überholtes Ideal, auf dem die damalige Schwäche des Griechentums beruhte. Dagegen erkannte sein Rivale Isokrates die historische Chance: Philipp sollte das zersplitterte Hellas einen und zum Rachekrieg gegen das Achämenidenreich führen.

      Ein Friedensabkommen mit Athen (346 v. Chr.), das freilich eher einem Waffenstillstand glich und die entscheidende Auseinandersetzung lediglich aufschob, nutzte der kluge Herrscher, um seinen Einfluss in Mittelgriechenland und auf der Peloponnes zu mehren.

      Sechs Jahre später brach der Krieg erneut aus; bei Chaironeia erlitten die Athener und ihre thebanischen Verbündeten eine vernichtende Niederlage; die schneidige Kavallerieattacke des jungen Königssohnes Alexander hatte entscheidend zum makedonischen Sieg beigetragen (338 v. Chr.). Weit blickend verzichtete Philipp auf die Verfolgung der geschlagenen Feinde – er wollte sie für ein späteres Bündnis gewinnen (seine kluge Zurückhaltung erinnert an das maßvolle Verhalten Bismarcks nach der Schlacht bei Königgrätz). Theben traf freilich eine harte Bestrafung: Der Boeotische Bund wurde aufgelöst, die führenden Gegner des siegreichen Herrschers hingerichtet oder verbannt, Tote und Gefangene nur gegen Lösegeld freigegeben; ebenso wie Korinth und Chalkis musste die Stadt eine makedonische Besatzung aufnehmen. Dagegen erstattete der König den Athenern die Gefallenen und Kriegsgefangenen ohne Gegenleistung zurück. Der Attische Seebund wurde zwar ebenfalls aufgelöst, die Stadt durfte aber einige Stützpunkte behalten und wurde durch eine Friedensgesandtschaft geehrt – an ihrer Spitze stand der verdiente Heerführer Antipater, vor allem aber der junge Kronprinz Alexander.

       Griechenland endlich vereint – Vorbereitungen für Perserkrieg

      Danach wurden die Vertreter aller griechischen Staaten nach Korinth zusammengerufen; nur Sparta blieb dem Kongress fern (Herbst 338/​Frühjahr 337). Dort beschloss man „auf ewig“ einen allgemeinen Frieden sowie ein Bündnis der hellenischen Poleis. Ihre Autonomie blieb zwar formell gewahrt, gewaltsame Machtwechsel wurden untersagt. Faktisch hatten sie jedoch das Recht auf eine eigenständige Außenpolitik eingebüßt. Das Beschlussorgan des Bundes war das gemeinsame Synhedrion (Bundesrat); Philipp wurde zum Hegemon und Bundesfeldherrn gewählt. Nach Jahrhunderten der Zersplitterung und Bruderkriege war es der größte „supranationale“


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