Lords of the Left-Hand Path. Stephen Flowers

Lords of the Left-Hand Path - Stephen Flowers


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„Satanisten“ des neunzehnten Jahrhunderts können nicht ignoriert werden, auch wenn sie aus der Perspektive des linkshändigen Pfades ein enttäuschendes Bild abgeben. Die meisten von ihnen verfügen über wenig bis gar kein Verständnis der tatsächlichen Lehren des linkshändigen Pfades, sondern laben sich genußvoll an der Dunkelheit als Einübung einer obskuren Ästhetik. Schließlich werden wir auch danach zu fragen haben, welche Aspekte des linkshändigen Pfades in Marxismus und Nationalsozialismus, zwei entgegengesetzten politischen (aber in vielem verwandten) Ideologien des späten neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhunderts zum Ausdruck gelangt sind.

      Keine historische Periode ist für den Aufstieg des philosophischen Satanismus in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts so bedeutsam wie die Wiedergeburt des Okkultismus im späten neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhundert. Die ursprünglich auf luziferische und gnostisch-ophitische Lehren zurückgehende Theosophie H.P. Blavatskys (wie sie insbesondere in ihrer Geheimlehre formuliert ist) bildet einen Zweig dieser Tradition, während der Thelemismus von Aleister Crowley einen anderen bildet. Crowley muss hier von einem rein philosophischen Standpunkt aus betrachtet werden. Obwohl er zweifellos zu den bedeutendsten Theoretikern des linkshändigen Pfades in der modernen westlichen Welt zählt, hat er zu diesem ein ausgesprochen ambivalentes Verhältnis. Im Zusammenhang mit dem Thelemismus haben wir auch auf die deutsche Fraternitas Saturni einzugehen, die von Gregor A. Gregorius (Eugen Grosche) gegründet und geleitet wurde. Ebenso müssen wir die Lehren des „Vierten Weges“ von G.I. Gurdjieff behandeln. Der letzte Teil des Buches befaßt sich detailliert mit den beiden bedeutendsten zeitgenössischen philosophischen Richtungen des linkshändigen Pfades: mit Anton LaVeys Church of Satan und Michael Aquinos Temple of Set.

      Während des gesamten Buches werde ich immer wieder, gestützt auf die in diesem Kapitel eindeutig herausgestellten Prinzipien, versuchen, eine Bresche in den Dschungel von Konfusion, Missverständnis und Fehlinformation über den linkshändigen Pfad und die Praxis heutiger Schwarzer Magie zu schlagen. Mir ist nur allzu bewusst, dass viele dieser Begriffe in der Geschichte bis auf den heutigen Tag von Vertretern des rechtshändigen Pfades oder von Personen, die viele Jahre lang von solchen Quellen in die Irre geführt wurden, in einer Weise verwendet worden sind, die sehr von meinem Gebrauch abweicht. Der Unterschied besteht ganz einfach darin, dass ich über den linkshändigen Pfad aus einer internen Perspektive schreibe, während die meisten anderen Texte von einem externen Standpunkt aus verfaßt wurden. Dasjenige zu lesen, was ein Anhänger des rechtshändigen Pfades über den linkshändigen zu sagen hat, gleicht beinahe der Lektüre eines Buches über die Wall Street, das von einem Wirtschaftsprofessor, der während der Sowjetzeit an der Universität Moskau studiert hat, geschrieben wurde. Er mag interessante Einsichten haben, aber ohne die Perspektive eines Börsenmakler an der Wall Street wird er zu keinem rechten Verständnis gelangen, wie der Aktienmarkt funktioniert.

      Historisch wurde der linkshändige Pfad des öfteren mit den Methoden identifiziert, von denen man glaubte, dass er sie anwendet, darunter Nekromantie (die Befragung der Toten für wahrsagerische Zwecke) und Sexualmagie (es scheint, dass der rechtshändige Pfad immer ein Problem mit Sexualität gehabt hat). Tatsächlich gibt es in den verschiedenen linkshändigen Traditionen des Ostens wie des Westens keine kategorischen methodischen Vorschriften. Methoden werden gewöhnlich aus rein pragmatischen Gründen gewählt. Wenn etwas funktioniert, wird es weiterhin angewandt. Es gibt oft eine starke antinomistische Tendenz in der magischen Methodologie des linkshändigen Pfades. Gegen den Kernbestand gesellschaftlicher Konventionen oder natürlicher Grenzen vorzugehen, wird oft als bewusste Prüfung der Göttlichkeit, welche der menschlichen Natur innewohnt, gesehen. Dieser Aspekt muss in einem sehr weiten Sinne verstanden werden, zumal einige Verhaltensweisen, die – wie die übermäßige Einnahme von Drogen – als antinomistisch bzw. gegen gesellschaftliche Übereinkünfte oder Anstandsregeln gerichtet erscheinen, von den meisten gebildeten Praktizierenden des linkshändigen Pfades im Westen abgelehnt werden. Die theoretische Grundlage dieser Ablehnung liegt darin, dass solche Gifte die Ausübung des freien Willens und die Ausbildung des eigenen Selbst beeinträchtigen, die beide zusammen aus der Sicht des linkshändigen Pfades die größten Potentiale darstellen. Von diesem Standpunkt aus wären Drogen eher geeignet, das Ziel der Selbst-Auslöschung im Sinne des rechtshändigen Pfades herbeizuführen.

      Eine andere Weise, in der Schwarze Magie historisch manchmal von Weißer unterschieden wurde, ist die Klassifikation der Wesenheiten, von denen gesagt wurde, dass der Magier mit ihnen Umgang habe. Weiße Magier würden demgemäß nur „engelhafte“ Wesen anrufen, Schwarze hingegen „dämonische“. Selbstverständlich beruht diese Vorstellung auf den mittelalterlichen christlichen Angelologien und Dämonologien, und häufig findet man in den alten Grimoires beschrieben, wie dämonische Kräfte durch die Macht des Namens Gottes gezwungen wurden, alles zu tun, wozu der Magier sie aufforderte, was beinahe alles sein konnte. Engel können dazu gebracht werden, Dämonen zu verführen oder zu töten, um Weisheit zu erlangen oder um eine verborgene Wahrheit zu enthüllen. Aus der Sicht des linkshändigen Pfades selbst wird man eine solche Unterscheidung als Heuchelei betrachten. Das Augenmerk wird auch hier weniger auf das „Wie“ als vielmehr auf das „Warum“ gerichtet.

      In dieser Hinsicht wurde die Schwarz-Weiß-Unterscheidung in der Geschichte manchmal auf Gutes bewirkende Magie bzw. auf Schadenszauber bezogen: Magie, die jemanden schädigt, ist schwarz; Magie, die dazu dient, zu heilen oder sonstiges Gutes zu tun, ist weiß. Diese Unterscheidung ist immerhin in einigen Aspekten gültig. Die einzigen Probleme aus Sicht des linkshändigen Pfades sind erstens, dass sie keine wesentlichen kosmologischen oder theologischen Fragen bezüglich der beiden Pfade anspricht, und zweitens, dass sie generell unrealistisch ist. „Weiße Magier“, haben, auf die Probe gestellt, gewöhnlich kein Problem damit, Gott oder die Engel zu bitten (oder zu zwingen), ihnen den Sieg über ihre Feinde zu verleihen und die „teuflischen Widersacher“ (d. h. jeden, der ihnen im Weg steht) zu vernichten. Der linkshändige Pfad sieht Magie als eine Technik oder Methodologie menschlichen Handelns an; an und für sich ist Magie neutral gegenüber moralischen Werten. Mit anderen Worten: Nicht Magie tötet Menschen, sondern der Magier tötet Menschen. Der Gebrauch Schwarzer Magie kann als geleitet von denselben ethischen Standards wie alle anderen Arten menschlichen Handelns betrachtet werden. Der Schwarze Magier lehnt es allerdings ab, sich in seiner Anwendung magischer Mittel einschränken zu lassen, einzig weil diese Tätigkeit zu einer Klasse von Verhaltensweisen gehört, die von orthodoxen Religionen gewöhnlich verdammt werden. Wenn ein Ziel mit irgendwelchen Mitteln schwer erreicht werden kann, dann ist völlig gerechtfertigt, Magie anzuwenden, wenn es denn nötig ist, dass Ziel zu erreichen. Wenn ein Krieg schwerlich zu gewinnen ist oder jemand triftige Gründe hat, sich gegen einen Angriff zu verteidigen, dann wird der Schwarze Magier kein Problem darin sehen, seinen Feind zu beseitigen. Er sieht also nichts als Heuchelei auf Seiten Weißer Magier, die aus denselben Gründen beten oder physische Mittel anwenden, während sie den Schwarzen Magier als böse verfluchen. Der Gebrauch Schwarzer Magie ist einfach nur eine logische Übertragung menschlicher Motive in den Bereich der Magie.

      Schließlich gibt es die fundamentale Unterscheidung zwischen den beiden Pfaden, diejenige von Vereinigung versus Nicht-Vereinigung, die wir bereits behandelt haben. Auf dieser Grundlage können auch die anderen, fehlgeleiteten Unterscheidungen am besten verstanden werden. Vom Standpunkte magischer Unabhängigkeit aus ist der Schwarze Magier in der Lage, jede magische Technik ganz pragmatisch anzuwenden, wie es ihm beliebt, mit jeder Art von Wesenheit umzugehen (bzw. meistens eher, sich vom Umgang mit äußeren Entitäten zurückzuziehen), und jedes gewünschte Ziel zu verfolgen – in jeder Hinsicht von einem innerlichen Verständnis seiner Zwecke und seiner Verantwortung geleitet. Äußerste spirituelle Unabhängigkeit ist das wesentliche Merkmal des linkshändigen Pfades. Aus der Freiheit, die damit einhergeht, folgt die Möglichkeit unethischen Verhaltens. Das ist freilich der Preis der Freiheit.

      Zwar ist im Einzelfall nicht leicht nachzuweisen, ob der linkshändige Pfad verfolgt wird, aber wenn seine Prinzipien erst einmal bekannt sind, dürfte allmählich deutlich werden, wie breitgefächert seine Philosophie ist. Im vorliegenden Buch konzentriere ich mich auf solche Schulen und Persönlichkeiten, die sich entweder selbst als Anhänger des linkshändigen Pfades (wie im Tantrismus, in der Church of Satan oder im Temple of Set) bekannt haben oder die von ihm wissen und ihn, aus der Perspektive des


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