Beutewelt V. Bürgerkrieg 2038. Alexander Merow
nie eine Verschnaufpause. Es war eben so, er hatte diesen Weg gewählt.
„Meine treuen Kämpfer!
Nun ist es soweit. Der kollektivistische Block wird sich bald im großen Stil militärisch organisieren und seine Gönner und Förderer, die Logenbrüder, ihre Großbanken und die GCF, werden seine Macht weiter und weiter hochzüchten.
Über die bisherigen Vorbereitungen Uljanins kann ich noch zu wenig sagen, um das Bedrohungspotential richtig einschätzen zu können. Eines jedoch ist sicher: Der Feind ist uns in jeder Hinsicht überlegen. Der Weltverbund hat den Kollektivisten mehrere Hundert neue Simson Panzer geliefert, weiterhin Flugzeuge und zahllose Waffen, wie ich aus sicherer Quelle erfahren habe. Für uns kann das nur eines heißen: Die Bevölkerung in unserem Herrschaftsbereich muss für den Krieg mobil gemacht werden. Die Weißrussen, Balten und Russen, welche Teil der Gemeinschaft der Rus sind, müssen in nie gekanntem Ausmaß zu den Waffen gerufen werden. Weißrussland muss jetzt das neue Sparta sein! Wir sind nicht viele, daher müssen wir hart wie Stein werden!“
Tosender Applaus brandete Artur Tschistokjow entgegen und seine Getreuen erschienen zuversichtlich und kampfbereit. Der Anführer der Freiheitsbewegung der Rus spürte, wie die Müdigkeit von ihm abfiel und ihm sein eiserner Wille langsam neue Kraft einflößte.
„Bevor uns Uljanin mit seinen Horden zuvorkommt, werden wir angreifen, wo es nur geht. Wir müssen den Kampfverlauf diktieren und mit gleicher Härte, Rücksichtslosigkeit und Verbissenheit zuschlagen, wie es die kollektivistischen Verbrecher tun!
Wer in Minsk, Wilna, St. Petersburg oder sonst irgendwo in unserem Herrschaftsgebiet Uljanins Propaganda verbreitet, der wird sofort erschossen! Diese geistige Seuche, erschaffen von den Feinden der freien Völker, zu ihrer letzten und schlimmsten Versklavung, muss ausgemerzt werden!
Ab heute werden neue Divisionen rekrutiert und alle Medien werden nur noch unter einem einzigen Vorzeichen ihre Berichte, Meldungen und Reportagen schreiben und senden: Unter den Vorzeichen des heraufziehenden Krieges gegen die Mörderhorden dieses Verbrechers Uljanin und seiner Hintermänner!
Ich dulde keine Drückeberger und Feiglinge in unserem Land. Jeder waffenfähige Mann muss sich darauf einstellen, dass er kämpfen muss. Allerdings will ich sein Verständnis dafür gewinnen und möchte ihn nur ungern zu seiner Pflicht zwingen müssen.
Jeder Bürger muss einsehen, jedem muss deutlich gemacht werden, dass die schwarz-rote Flut unsere Völker gnadenlos ertränken und aus dem Geschichtsbuch streichen wird, wenn wir versagen. Man soll keinesfalls glauben, dass uns Uljanin verschonen würde oder wir gar mit ihm verhandeln könnten, denn wir stehen für alles, was er und seinesgleichen abgrundtief hassen. Das Gleiche gilt für die verlogene Weltregierung, die einen unheiligen Bund mit der kollektivistischen Bewegung eingegangen ist.
Meine Offiziere und Kommandanten, füllt die Volksarmee der Rus mit neuen Soldaten auf und schmiedet sie zu einer tödlichen Waffe. Ab heute gilt es. Denkt in diesen Stunden auch an unseren geliebten Mitstreiter General Frank Kohlhaas, der uns allen immer ein leuchtender Stern der Tapferkeit am Firmament des Kampfes gewesen ist. Er und die vielen anderen dürfen nicht umsonst gefallen sein!“
Artur Tschistokjow ließ eine Gedenkminute für Frank einlegen und mehrere Hundert Rus senkten vor ihm die Köpfe. Dann setzte er die Rede fort, erläuterte seine Vorstellungen im Bezug auf die Neuaushebungen von Truppen und benannte die nächsten strategischen Ziele des Bürgerkrieges.
Alfred Bäumer, als Offizier der Warägergarde, war auch unter den Anwesenden und versank in einem tiefen Loch der Trauer, als Tschistokjow seinen besten Freund erwähnte. Er war kaum noch in der Lage, dessen weiteren Ausführungen zu lauschen und verließ den Saal bereits nach einer Stunde, um betrübt zu Svetlana zurückzukehren.
„Rede endlich, du Bastard!“, schnaubte der KKG-Offizier und trat Frank gegen das Schienbein.
„Ich weiß nichts …“, brachte Kohlhaas lediglich heraus und ließ seinen Kopf wieder nach unten sinken.
„Weißt du, was das hier ist?“, schnaubte der Aufseher vor ihm und hielt ihm eine mit langen Nägeln bestückte Holzlatte unter die Nase. Der Gefangene schwieg und wandte seinen entsetzten Blick von ihm ab.
„Als Anführer der Warägergarde musst du etwas wissen!“, schrie der Kollektivst und starrte sein an den Metallstuhl gefesseltes Opfer wütend an.
„Ich habe nur gekämpft und keine militärischen Operationen für die Rus geplant!“, erwiderte Frank mit leidender Miene.
„Schwachsinn!“, donnerte der Verhörende und hieb Kohlhaas die Nägel in den Oberschenkel.
Ein ohrenbetäubender Schmerzensschrei hallte durch den halbdunklen Raum. Dann stellte sich ein weiterer Mann hinter Franks Stuhl und kramte ein Skalpell aus der Tasche.
„Wir sollten dem Hund die Eier abschneiden, Chef!“, schlug er vor, doch der KKG-Offizer winkte mürrisch ab.
„Ja, aber nicht heute! Außerdem wollen wir ja nicht, dass der Herr General verblutet, bevor er sein Maul aufgemacht hat“, brummte er, um die Nägel daraufhin mit aller Kraft in Franks Oberarm zu schmettern.
„Wie wäre es noch einmal mit einem Ausflug in die Wasserkammer?“, wollte einer der Aufseher wissen.
„Das überlebt er vielleicht nicht. Dafür ist es langsam zu kalt! Wir sollen ihn zum Reden bringen und nicht gleich umbringen“, fuhr ihn der Vorgesetzte an.
„Wir verpassen ihm ein paar Stromschläge!“, befahl er schließlich und fletschte die Zähne.
„Ich weiß wirklich nichts …“, jammerte ihm Kohlhaas entgegen.
„Halt dein Maul!“, zischte der KKG-Mann und einer seiner Gehilfen bereitete alles für die Stromfolter vor.
„Wir lassen dich gehen, wenn du uns ein paar Informationen gibst“, bemerkte er.
Frank schwieg und stierte halb benommen auf den Boden. Dann spürte er, wie metallene Klammern an seinen Zehen befestigt wurden.
„Das alles weiß nur Tschistokjow, verdammt!“, wimmerte der General und biss sich vor Schmerz auf die Lippe.
„Wir werden sehen, du reaktionäre Ratte! Ich bin sicher, dass dir im Laufe dieses langen Tages noch etwas einfällt. Stromstöße können das Erinnerungsvermögen oft auf wundersame Weise auf Vordermann bringen“, flüsterte der KKG-Offizier in Franks Ohr und strich sich über den Bart.
Mittlerweile duzte ihn der verhörende Offizier, was bedeutete, dass man sich schon ein wenig kennengelernt hatte, schoss es Frank durch den Kopf. Er schüttelte den blödsinnigen Gedanken ab und konzentrierte sich wieder auf den Schmerz.
Für einige Minuten herrschte eine bedrückende Stille in der grauen Verhörzelle. Kohlhaas atmete schwer und betete im Inneren, dass der heutige Tag schnell vorbeigehen würde. Doch auf ihn warteten noch furchtbare Qualen.
„Wie viele Divisionen hat Tschistokjow aufgestellt?“, bohrte der Kollektivist nach und setzte ein sadistisches Lächeln auf.
Frank schnaufte und versuchte, dem stechenden Blick seines Peinigers auszuweichen. Der Aufseher schüttelte den Kopf.
„Strom!“, fauchte er in Richtung seines Gehilfen. Ein weiterer Schrei hallte durch den Gefängniskomplex.
Die Volksarmee der Rus unternahm am 08.12.2038 mit 10.000 Mann einen Angriff auf Vysnij Volochek, einer Stadt westlich von Rybinsk, und konnte die Ortschaft nach heftigen Straßenkämpfen einnehmen. Die kollektivistischen Milizen stießen ihrerseits zur gleichen Zeit bis nach Pervomajsk in der südlichen Ukraine vor und erlangten die Kontrolle über die Kleinstadt und einige umliegende Dörfer. Am 10.12.2038 rief Vitali Uljanin offiziell den Kriegszustand aus und forderte die Bevölkerung auf, zu den Waffen zu greifen. Der Bürgerkrieg war eröffnet. Artur Tschistokjow antwortete darauf mit einer leidenschaftlichen Rede im weißrussischen Fernsehen und erklärte den Weißrussen und Balten, dass jetzt die Zeit für den großen Kampf um die Freiheit gekommen sei.
Noch bevor der Winter über die russischen Weiten