Beutewelt V. Bürgerkrieg 2038. Alexander Merow

Beutewelt V. Bürgerkrieg 2038 - Alexander Merow


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Eingeleitet wurde er von einem massiven Artillerieschlag auf die Stellungen der Rus, dann rückten die schwarz-roten Scharen vor und überrannten die Soldaten Tschistokjows ohne größere Mühe. Gegen ihre zahlenmäßige Stärke konnten selbst die tapferen Waräger nichts ausrichten und bevor noch mehr junge Männer in einem aussichtslosen Kampf geopfert wurden, gab das weißrussische Oberkommando letztendlich den Befehl zur Räumung der Stadt. Orel war gefallen und die Freiheitsbewegung der Rus hatte damit nicht nur ein wichtiges Bollwerk verloren, sondern vor allem auch einen schweren psychologischen Schlag erlitten. Uljanin triumphierte.

      Während Alf heil aus den Kämpfen um Orel nach Weißrussland zurückgekehrt war und sich trotz der Niederlage seines Lebens erfreute, war Frank mittlerweile vollkommen verzweifelt und rechnete jeden Tag mit dem Schlimmsten.

      Doch es geschah nichts. Die KKG-Männer ließen sich über eine Woche lang nicht sehen und schienen offenbar das Interesse an ihm verloren zu haben. Nur einmal waren zwei betrunkene Kollektivisten mitten in der Nacht in Franks Zelle getorkelt und hatten ihn mit einem Tritt in den Magen geweckt.

      „Hast du gehört, du Stück Scheiße?“, hatte ein schlaksiger KKG-Mann gelallt und höhnisch durch den Raum gerülpst.

      „Was wollt ihr?“, hatte Kohlhaas gekeucht, sich den Bauch haltend.

      „Orel ist von uns erobert worden, du Arsch! Hast du gehört? Deine verdammten Waräger haben sich vor unseren Truppen verpisst!“

      „Lasst mich doch in Ruhe …“, war Franks knappe Antwort gewesen.

      „He! Ich rede mit dir, du Hurensohn!“, hatte einer der Kollektivisten daraufhin gebrüllt und ihm mit voller Wucht gegen den Schädel getreten.

      Kohlhaas, den Kopf der grauen Betonwand zugedreht, hatte sich vor Schmerzen gewunden und war beinahe ohnmächtig geworden

      „Ich wusste doch, dass die Waräger Schwuchteln sind!“, hatte der Aufseher daraufhin gehöhnt und den Gefangenen vor sich auf dem Zellenboden noch weiter verspottet.

      Der General war hingegen bemüht gewesen, den zwei angetrunkenen Männern keine Beachtung zu schenken und nicht auf ihre Provokationen zu antworten.

      „Scheißhaufen sind deine Leute! Genau wie du, Herr Rus-Offizier!“, hatten sie weiter gestichelt. Frank war still geblieben und hatte lediglich das zerbeulte Gesicht mit den Händen abgeschirmt.

      „Wir werden euch alle vernichten! Merk dir das, du dreckiges Rus-Schwein!“

      Nach weiteren Tritten und Schlägen waren die beiden schließlich wieder abgezogen und laut grölend aus der Zelle hinausgeschwankt. Kohlhaas hatte ihr hämisches Gezeter noch eine Weile auf dem Gang gehört, dann waren sie verstummt.

      „Es war alles umsonst. Ich habe vergeblich gelebt!“, schoss es ihm jetzt durch seinen schmerzenden Schädel.

      Frank kroch in die hinterste Ecke der Zelle und rollte sich wieder in seine schmutzige, graue Wolldecke ein. Der General versuchte zu schlafen, doch Schmerzen und Sorgen hielten ihn bis in die frühen Morgenstunden wach.

      „Das war erst der Anfang! Die Berichte unserer Soldaten aus Orel sind wenig erbaulich. Und ich bin auch ganz ehrlich, derzeit sehe ich keine Möglichkeit, wie wir Uljanin aufhalten sollen!“, erklärte Artur Tschistokjow den betreten dreinschauenden Mitgliedern seines Kabinetts.

      „Vielleicht sollten wir uns aus Westrussland zurückziehen und den Kollektivisten das Feld überlassen. Dann konzentrieren wir alle unsere Truppen an der weißrussischen Grenze“, schlug der Wirtschaftsminister vor.

      Der weißrussische Präsident warf ihm einen zornigen Blick zu und schrie ihn an: „Was? Aus Russland zurückziehen und die gewonnen Gebiete aufgeben? Ich höre wohl nicht richtig? Vielleicht auch noch St. Petersburg dem Feind überlassen, damit Uljanin auch dort neue Soldaten rekrutieren kann?“

      Ein grauhaariger Mann meldete sich zu Wort, doch Tschistokjow winkte vor Wut bebend ab. Dann grollte er: „Derartige Vorschläge verbitte ich mir! Was sagen Sie, Herr Wilden?“

      Der Deutsche kratzte sich grübelnd am Kopf und antwortete dann: „Ich sehe nur eine Möglichkeit für uns. Nämlich die, dass Matsumotos Japan aktiv in den Krieg eingreift und eine zweite Front in Asien eröffnet.“

      Ein Raunen ging durch die Kabinettsmitglieder, einige von ihnen schüttelten die Köpfe. Tschistokjow schlug mit der Faust auf sein Rednerpult und ermahnte seine Berater, das Gemurmel einzustellen.

      „Die Japaner! Ja, das wäre schön, aber ich glaube nicht, dass sich Matsumoto zu diesem Schritt entschließen wird!“, knurrte der Anführer der Rus.

      „Außerdem wird die japanische Armee wohl kaum bis nach Moskau vorstoßen können“, gab Minister Schukow zu bedenken.

      „Es würde erst einmal ausreichen, wenn unsere ostasiatischen Verbündeten zumindest einen Teil der kollektivistischen Streitkräfte im Osten binden könnten“, verteidigte Wilden seinen Plan.

      Artur Tschistokjow verzog mürrisch sein Gesicht und erklärte die heutige Sitzung für aufgelöst. Dann winkte er seinen Freund, den weißrussischen Außenminister, zu sich und gab ihm die Anweisung, weitere Verhandlungen mit der japanischen Regierung aufzunehmen.

      „Wir haben zu verlieren nichts, Thorsten! Also versuche es einfach!“, sagte er leise auf Deutsch und klopfte Wilden auf die Schulter.

      Mittlerweile hatte eine halbe Million Soldaten der schwarz-roten Armee das Industriezentrum im Südosten der Ukraine besetzt und bereitete sich auf den Vormarsch nach Westen vor. Die Heeresgruppe, welche diesmal mit neuen Panzern aus Nordamerika ausgestattet war, wurde von General Leo Dschugin geführt und hatte die Aufgabe, den Rest des Landes unter Kontrolle zu bringen, um dann in den Süden Weißrusslands vorzustoßen. Von Moskau und Rybinsk rückten weitere Verbände der Kollektivisten vorwärts nach Westen, um die von den Rus besetzten Städte anzugreifen.

      Die nördlichen Streitkräfte standen unter dem Befehl von Theodor Soloto, der nach seiner Vertreibung aus St. Petersburg bittere Rachegelüste verspürte und einen schnellen Vorstoß in die ländlichen Regionen rund um Rybinsk befahl. Bis Ende des Monats stießen Uljanins Truppen hier auf wenig Widerstand und trieben die zahlenmäßig unterlegenen Volksarmisten weiter vor sich her. Anfang März eroberten sie Vysnij Volocek und weitere Kleinstädte im Hinterland. Nun ließ die kollektivistische Führung auch die ersten Bomber zum Einsatz kommen und führte einen vernichtenden Schlag gegen Velikie Luki nahe der Grenze zu Weißrussland.

      Artur Tschistokjow befahl daraufhin die Bombardierung von Orel und schickte fast seine gesamten Luftstreitkräfte los. Beide Städte wurden schließlich vollkommen in Schutt und Asche gelegt. Doch während die Zerstörung Orels die kollektivistische Führung kaum interessierte, schmerzte die Rus der Schlag gegen Velikie Luki sehr.

      GCF-Truppen, die über den skandinavischen Landweg oder per Schiff in den Norden Russlands einrückten, besetzten zur gleichen Zeit die gesamte Kolskij Halbinsel und stießen weiter bis nach Kockoma im Norden von St. Petersburg vor.

      Kollektivistische Milizen des polnischen Revolutionärs Gregor Wainizki, deren Aufstellung die Weltregierung ausdrücklich erlaubt hatte, versuchten derweil ihrerseits über die Westgrenze Weißrusslands nach Brest vorzustoßen, konnten jedoch von den Soldaten der Volksarmee vertrieben werden.

      Noch hatte der Feind seine Streitkräfte nicht ausreichend organisiert, um Tschistokjow und seinen Nationenbund vollständig vernichten zu können, doch seine Übermacht war so gewaltig, dass es nur eine Frage der Zeit zu sein schien, bis es so weit war.

      Der weißrussische Präsident hielt eine Fernsehansprache nach der anderen und schwor sein Volk fast täglich auf den entscheidenden Verteidigungskampf ein, doch Angst und Unsicherheit lähmten immer mehr Weißrussen und Balten, obwohl sie eigentlich zu ihm standen und seine Politik befürworteten.

      Mit sehr begrenzten Mitteln und gegen alle internationalen Widerstände hatte es Artur Tschistokjow immerhin geschafft, die Wirtschaftskrise nachhaltig zu mildern und Hunderttausenden von Weißrussen wieder Arbeit zu geben. Die Lebensqualität hatte sich in den letzten Jahren deutlich verbessert,


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