Im Schatten der Hundstage. Thomas Christen
a16-bfde-ed2f2d0809af">
Thomas Christen, Jahrgang 1955, lebt in Düsseldorf und studierte Politikwissenschaften, Germanistik und Soziologie an der Universität Trier sowie später Agrarwissenschaften an der Universität Bonn. Nach zwanzig Jahren Tätigkeit in einer Heidelberger Klassikproduktion gründete er im Jahr 2000 das audio-visuelle Konzeptlabel tomtone music (www.tomtone.de).
Er schrieb über zwanzig Jahre Texte für Künstler wie Udo Jürgens, Milva, Veronika Fischer oder das Bremer Ensemble Mellow Melange und verfasste zwei Drehbücher für Music-Features im Auftrag des ZDF.
Im Jahr 2012 wurde sein Debutroman Der Abend vor der Nacht im secession Verlag Zürich/Berlin veröffentlicht.
Des Weiteren sind von ihm die beiden Lyrikbände Ferngespräche (2007) und Windweit der Mensch (2010) sowie die Romane Winterfieber – oder die Überreizung einer Seele und Die Privilegierten (eBook) (2013) erschienen.
Er ist verheiratet und hat drei Kinder.
Thomas Christen
IM SCHATTEN DER
HUNDSTAGE
Erzählungen
Engelsdorfer Verlag
Leipzig
2014
Bibliografische Information durch die
Deutsche Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
http://dnb.dnb.de abrufbar.
Copyright (2014) Engelsdorfer Verlag Leipzig
Alle Rechte beim Autor
Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)
INHALT
Pfr. Kurt Bachmann
Laura Simonsen
Die letzte Fahrt der General Slocum
frei nach Franz Kafkas „Bericht für eine Akademie“
Schwarz/Weiß - Epilog zum Roman „Winterfieber – oder die Überreizung einer Seele“
Die Haltestelle
... wenn der Roman wie ein verwirrendes Renaissancegemälde ist, dann ist die Kurzgeschichte wie ein impressionistisches Tableau. Sie sollte eine Explosion der Wahrheit sein. Aus der Erzählung ist die Bedeutungslosigkeit vollkommen verbannt, während andererseits das Leben die allermeiste Zeit bedeutungslos ist.
William Trevor
... und dann gibt es die, die suchen und verloren gehen.
JESUS’ BLOOD
Er hängte die braune Wollmütze an einen der Messinghaken neben der Haustüre und kämmte sich langsam mit der Hand die Haare aus der Stirn. Er spürte einen kurzen Nadelstich an seinem Mittelfinger, senkte mit einem kaum hörbaren Seufzer ein wenig den Kopf und nestelte sich das winzige Stück abgebrochenen Ginsters aus den Haaren. Die Sonne hing wie eine große, glühende Münze in der Mitte des Türrahmens, warf einen Lichtkegel auf die Holzdielen des Flurbodens und hüllte den kleinen, explodierenden Staubnebel vor seinem Hosenbein in ein honigfarbenes Universum, als er sich mit der anderen Hand über den Cordstoff strich. Heute würde ich dich gerne hereinbitten, wenn es denn möglich wäre. So oder so ähnlich hatte sie es einmal gesagt. Er beschattete seine Augen und schaute einen kurzen Moment durch die offene Türe hinaus über das Heidekraut und den schmalen Streifen Meer, hin zu diesem gelben Stern, der unmerklich auf den Horizont sank. Er räusperte sich leise, legte das abgebrochene Stück Ginster und die zerdrückte gelbe Blüte in die leere Tonschale unter den Wandspiegel und betrachtete sie einen Augenblick. Giftig bist du. Und dennoch eine kleine Schönheit. Er merkte, wie seine Zunge über die Zähne fuhr, eine Angewohnheit, eine dumme Eigenart, die er an sich nicht mochte. Ein Bild. Worte. Aber gedacht hatte er sie. Er warf einen Blick auf die Küchentür, die einen Spalt offen stand und durch die, kaum hörbar, Musik erklang. Heute, meine Liebe, habe ich es leider vergessen, sagte er wortlos. Heute waren andere Dinge wichtiger gewesen. Sie liebte diese Pflanze, ihren flüchtigen Duft nach Honig, das Surren der Hummeln, die im Sommer allgegenwärtig waren, und manchmal schnitt er ihr auf dem Heimweg vom Hof ein paar Zweige ab, steckte etwas Heidekraut, ein paar Birkenzweige oder Blaubeergrün dazu und legte es ihr auf den gelben Obstteller neben der Spüle. Am Anfang hatte sie ihm zwei-, oder dreimal morgens stumm die Handschuhe hingehalten, aber er hatte kaum merklich den Kopf geschüttelt und sie nicht genommen. Die Dornen hatten ihm noch nie etwas ausgemacht.
Langsam hob er seine beiden Hände und betrachtete die schmutzigen Handflächen und alten, schwieligen Finger. Sein rechtes Daumengelenk war rot, geschwollen und schmerzte. Ihr Vieleckbein, hatte der Arzt vor fünf Monaten gesagt. Ich fürchte, viel machen kann man da