In der Pfütze schwimmt ein Regenbogen. Christina Conradin

In der Pfütze schwimmt ein Regenbogen - Christina Conradin


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überall schlafen, auch wenn es ganz laut ist. Ihn aufzuwecken ist wirklich keine schöne Aufgabe.

      „Stress halt!“, schimpft er bei jedem Versuch. Manchmal müssen wir ihn sogar kitzeln, sonst wird er gar nicht wach. Danach muss man aber schnell sein, damit er einen nicht mit seinen blitzschnellen Armen erwischt.

      Leise schleiche ich also über die knarzenden Dielen bis zu Omis und Opa Emils Schlafzimmer. Nachdem ich fast lautlos die Türe geöffnet habe, schlüpfe ich unter die riesengroße Bettdecke der beiden. Das ist mitunter das Schönste an den Besuchen hier. Omi legt sogleich einen Arm um mich, während Opa meine rechte Hand nimmt. Er hat so eine weiche Haut.

      „Alles Gute zum Geburtstag!“, flüstere ich Omi ins Ohr. Da drückt sie mich noch fester an sich. Eine Zeit lang ist alles still. Ich versuche ruhig zu atmen und mich ganz still zu halten. Nun kann ich doch nicht mehr warten und drehe mich zu Opa: „Du, Opa Emil, ich brauch gar keine Spielsachen mehr. Ich hab schon so viele.“ Omi und Opa lachen und Omi meint: „Heute bekomme erst mal ich Geschenke. Schließlich ist heute mein Geburtstag!“

      „Oh ja, ich habe auch was für dich. Stehen wir jetzt auf?“, frage ich weiter, schon auf dem Weg raus aus dem Bett.

      „Ohne einen dicken Schmatz fällt uns das Aufstehen viel zu schwer!“, fordert Opa. Diesen bekommen sie natürlich.

      Omi bleibt noch einen Moment am Bettrand sitzen, während Opa Emil und ich schon Richtung Bad unterwegs sind. Am Gang kommt uns Mama entgegen: „Na, hast du die beiden wieder nicht schlafen lassen, Lena?“ Aber Opa beeilt sich zu erwidern: „Wenn wir einen so netten Besuch in der Früh bekommen, ist das schöner als zwei weitere Stunden Schlaf.“ In meinem Gesicht leuchtet ein Freudestrahlen auf. Ben schläft natürlich noch, als wir uns für Omis Geburtstag schön machen. Ich darf mein gelbes Kleid mit weißen Blumen anziehen und Mama flechtet mir Affenschaukeln in die Haare. Dabei bekomme ich zwei Zöpfe, die anschließend nach oben gebunden werden, sodass sie Affenschaukeln ähneln. Nun gebe ich Omi mein Bild mit einem Porträt von ihr mit uns allen im Hintergrund und einem kleinen See. Ich beschreibe ihr das Bild. Daraufhin fragt mich Omi: „Aber, wo ist denn dein Papa?“

      „Der taucht“, sage ich. Für Papa hatte ich leider keinen Platz mehr.

      Wir singen bereits das erste Geburtstagsständchen, als Ben endlich hereinkommt. Alle haben schließlich einen Bären-Geburtstags-Frühstücks-Hunger. Ben gratuliert Omi mit seinem breiten Lächeln. Er hat eine Solarwackelblume für sie und fünf Luftballons. Omi ist normalerweise eher ein sehr ruhiger Typ. Wenn Ben sie allerdings in die Arme nimmt, um mit ihr ohne Musik durch den Raum zu tanzen, blüht Omi auf. Für kurze Zeit wirkt sie wie ein kleines Mädchen, strahlend, als wäre es ihr erster Tanz. Bei Mama ist das genauso.

      Danach nimmt Ben seine Flöte und spielt: Hoch sollst du leben, hoch sollst du leben, dreimal hoch. Wir alle stimmen in den Gesang sofort mit ein.

      „Kinder sollst du kriegen“, singt Ben weiter und alle anderen mit. Omi freut sich riesig.

      „Nun lasst es euch aber schmecken“, fordert sie uns auf. Ben setzt sich neben mich und sagt: „Hübtsch biste, Nini!“ Das ist das größte Kompliment, das man von meinem großen Bruder bekommen kann. Ich glaub ich bin in dem Moment einen Zentimeter gewachsen.

      „Danke!“, sage ich leise zu ihm. Ben fällt immer auf, wenn ich mich herausgeputzt habe. Meistens sagt er dann etwas Nettes zu mir. Das ist wirklich schön.

      Nach dem Frühstück wollen alle zuerst wissen, wie es dem kleinen Kälbchen geht. Gemeinsam gehen wir in den Stall und finden es dort quietschvergnügt an Ernas Euter trinken. Opa Emil bindet dem Kälbchen eine pinkfarbene Schleife um den Hals und lächelt Omi an.

      „Dankeschön!“, strahlt diese.

      „Das kleine Kälbchen ist wirklich ein Geschenk. Bei der letzten Geburt ist uns ein Kälbchen leider gestorben.“

      Vor lauter Aufregung hatten wir gestern ganz vergessen die Hennen zu begrüßen. Omi und Opa Emil haben außergewöhnliche Hennen, alle sehen ganz unterschiedlich aus. Am liebsten nehmen sie solche Hennen zu sich, auch behinderte. Auf die freche Gretel, die mich schon des Öfteren bis auf Kopfhöhe angesprungen hat, freue ich mich immer besonders, da ich sie schon sehr lange kenne und sie immer die Erste ist, die mich begrüßt. Außerdem gefällt mir Gretel so gut. Gretel ist weiß und hat nur kurze Federn mit schwarzen Punkten. Auf ihrem Kopf sitzt eine Federkrone. So etwas kennt man von normalen Hühnern gar nicht. Meine zweite Lieblingshenne heißt Mölly, eigentlich Molly, aber Ben nennt sie immer so. Sie hat im Gegensatz zu Gretel sehr viele lange Federn, auch an den Füßen. Bens Lieblingshenne ist Mine, kommt von Pamina. Das ist eine lustige kleine, eher dunkle Henne. Diese hat Ben einmal gepflegt, als ein Vogel sie verletzt hatte. Deshalb hängt er sehr an ihr. Zudem legen unsere drei Lieblingshühner wunderschöne, kleine, grüne Eier. Das zeigt auch, dass sie nicht gewöhnlich sind.

      Ich hatte gar nicht bemerkt, dass Ben schon wieder gegangen war, als er vom Haus aus ruft: „Komm Nini, wir tun jetzt Örter anschauen.“ Es ist keineswegs so, dass Ben nicht richtig sprechen kann, er findet es nur immer lustig, Dinge anders zu benennen. Manche Ausdrücke haben wir, wenn wir unter uns sind, schon ganz selbstverständlich in unsere Alltagssprache übernommen.

      Wir sind also auf dem Weg einen Ort zu besichtigen. Diesmal ist es die kleine Kapelle auf einem Hügel in der Nähe des Bauernhofs. Dorthin führt ein spannender Wanderpfad durch Wald und Wiesen.

      „Schau mal, Nini, da sind Zirpen“, freut sich Ben.

      „Du mit deinen zirpenden Grillen“, grinst Omi Ben an. Es scheint die Sonne und tatsächlich hört man überall zwischen den Wiesenblumen Grillen zirpen und sieht sie umherspringen. Ben und ich versuchen so viele wie möglich zu erwischen, was gar nicht so einfach ist.

      „Wo ist eigentlich Papa?“, frage ich nach einer Weile.

      „Papa kommt mit Uropa mit dem Auto nach, damit wir gemeinsam in dem schönen Lokal essen können“, erklärt mir Mama.

      „Eni, was wollen wir singen?“, frage ich Ben, weil mir gerade nichts einfällt und wir eigentlich immer singen, wenn wir unterwegs sind.

      „Zum Bleistift ‘Das Wandern ist des Müllers Lust’“, singt Ben sofort los.

      „So wie die Alten summen, so zwitschern die Jungen“, freut sich Opa Emil, während er uns zuhört.

      Bald schon sind wir an der Kapelle angekommen. Nach einem kurzen Blick hinein, klettern Ben und ich auf die wunderschönen Kirsch- und Apfelbäume ringsumher. Ich liebe es, auf Bäume zu klettern, und versuche dabei dem Baum nicht wehzutun.

      „Oh, nein! Entschuldige, Baum!“ Schon ist es passiert und ich habe aus Versehen einen Ast abgebrochen. Zu Hause sitze ich manchmal, wenn ich nicht gerade schaukle, stundenlang in der schönen alten Eiche in unserem Garten.

      Papa und Uropa sind bereits auf dem Parkplatz angekommen. Gemeinsam gehen wir durch das gemütliche kleine Lokal in den Hinterhof und suchen uns einen Halbschattenplatz. Da fällt es mir wieder ein: „Unser Eis!“, rufe ich Papa zu.

      „Schaut’s nur, dass ihr zu was kommt. A leera Sack steht a ned“, pflichtet uns Uropa bei. Nach dem Essen gibt es sofort ein Eis für uns, wird uns nun von allen Seiten versichert.

      „Schön, dass ihr heute alle da seid!“, äußert sich Omi ganz glücklich während des Essens, als Mama aufsteht und meint: „Entschuldigt mich bitte kurz. Ich muss dringend auf die Toilette.“

      „Machst Pfütze oder Haufen?“, fragt Ben so laut, dass es die beiden Tische neben uns auch noch hören. Alle grinsen, essen aber ruhig weiter. Mit Ben wird es nie langweilig. Wenn Ben allerdings zum Beispiel nach einem Löffel beim Kellner fragen soll, nimmt er mich stets mit. Er begleitet mich sozusagen, fragen muss aber immer ich. So sind wir ein gutes Team.

      Dann ist es endlich so weit: Wir bekommen unser Eis. Ben sucht sich ein BumBum aus, denn eigentlich mag er am liebsten den Kaugummi.


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