Fleischbrücke. Gerd Hans Schmidt

Fleischbrücke - Gerd Hans Schmidt


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      Wir verabschieden uns und Dr. Rosser sichert uns zu, dass wir spätestens in zwei Tagen den vollständigen Bericht bekommen. Hannah de Fries spricht kein Wort auf der Rückfahrt, bis ich sie anspreche.

      »Sie sind ...«

      »Du bist. Ich dachte, wir hatten uns so weit vorgewagt, obwohl ich als die Jüngste das Du eigentlich nicht anbieten dürfte.«

      Mit diesen Worten sieht sie mich direkt an, legt ihre linke Hand auf meinen rechten Oberschenkel und lässt sie dort liegen. Ich weiß im ersten Moment nicht, wie ich darauf reagieren soll, aber diese Berührung ist mir auch nicht unangenehm. Ich kann mich selbst nicht verstehen und ich ignoriere es einfach. Schließlich nimmt sie ihre Hand wieder von meinem Bein und steckt sie in die Tasche ihrer Lederjacke.

      »Du bist bei dem Gespräch mit dem Doktor sehr engagiert gewesen«, beginne ich nach einer Weile, »und du scheinst ein wenig Ahnung von diesen Dingen zu haben. Ist das richtig?«

      »Hat es dir gefallen, als ich meine Hand auf dein Bein gelegt habe?«

      »Hannah! Das ist jetzt nicht der Moment für ...«

      »Wann ist der richtige Moment?«

      »Ich habe am Freitag geheiratet!«

      »Na und?«

      »Schluss mit dieser Debatte. Wir haben einen Fall zu lösen!«

      Schweigen.

      »Also, wieso kennst du dich da aus, bei diesen Psychosachen?«

      »Ich habe nach dem Abitur sechs Semester Psychologie studiert. Oder sieben. Weiß ich nicht mehr so genau. Ist auch nicht mehr wichtig.«

      »Und dann Polizistin?«

      »Erstens hatten die meisten dieser Studenten selbst einen an der Klatsche und zweitens wollte ich die Menschheit vor solchen Typen schützen, nach denen wir jetzt suchen. Ich habe mich deswegen immer wieder, auch nach dem Studium, mit diesen Verhaltensmustern befasst. Das mit meiner Hand eben war der Versuch, dich zu manipulieren. Das machen Psychopathen gerne. War gut, oder? Du bist darauf hereingefallen.«

      »Und ich dachte schon ...«

      »Denk das ruhig. Als ich dein Bein berührte, hat es mir auch gefallen. Du bist ein toller Mann, du gefällst mir.«

      »Hannah!«

      Diese Direktheit trifft mich wie ein Blitz, aber mehr Gegenwehr fällt mir im Moment nicht ein.

      *

      Wir fahren in den Hinterhof des Präsidiums und ich stelle den Wagen ab.

      Auf dem Flur zu meinem Büro kommt uns Ilse entgegen.

      »Gut, dass ihr kommt, der Chef will dich gleich sprechen.«

      Hannah geht wortlos an Ilse vorbei und wirft ihr ein seltsames Lächeln zu. Ungewohnt. Sie lächelt doch sonst nicht.

      »Was hat die denn?«

      »Sie hat die Leiche gesehen.«

      »Und da lächelt die?«

      Erst jetzt bemerke ich meine dumme Antwort.

      »Was will er denn, der Ruschka?«

      »Er hat die Zeitung gelesen. Vorsicht.«

      Genau. Die Zeitung.

      »Da. Das hat uns gerade noch gefehlt«, der Chef wirft mir die NZ auf den Schreibtisch, »die sind doch völlig irre! Das schürt doch nur Panik!«

      Ich nehme das Blatt und erschrecke wirklich über die Titelstory.

      In großer, fetter Schrift ist da zu lesen:

       »Der Ripper von der Fleischbrücke«

      Und darunter:

       »Das grausamste Verbrechen in der Geschichte Nürnbergs wurde am frühen Samstagmorgen verübt. Wann folgt der nächste Mord?«

      Darunter kommt ein Foto von Beamten des Sondereinsatzkommandos, wie sie mit Sturmausrüstung und vorgehaltener Waffe durch die Kaiserstraße ziehen. Wenigstens kein Bild von der Leiche, denke ich mir. Aber die Schilderung des Opfers kommt dann doch noch. Irgendeiner plaudert doch immer.

      »Jetzt stehen wir unter Druck und unter Beobachtung, Schmitt. Dieser Fall wird uns Kraft kosten. Was sagt der Pathologe?«

      »Nichts Gutes. Es war wohl ein Zufallsopfer. Ein Obdachloser wahrscheinlich. Und wir müssen das Schlimmste befürchten. Alle Anzeichen sprechen im Moment dafür, dass wir es mit einem Serienmörder zu tun haben, einem Psychopathen, der seiner Mordlust nachgeht und Botschaften verbreiten will.«

      »Schmitt! Das wäre eine Katastrophe. Ist der sich da sicher?«

      »Da braucht man nur ein wenig kriminologische Ausbildung. Dr. Rosser ist mit seiner Meinung nicht alleine. Ich stimme ihm zu und Hannah de Fries stimmt ihm zu. Es spricht einfach alles dafür. Wussten Sie, dass die Hannah Psychologie studiert hat? Ohne Abschluss?«

      »Nein. Nicht so direkt. Ich schau mal in die Personalakte. Was machen wir jetzt? Der Oberbürgermeister will eine Pressekonferenz! Der hat Angst um die Stadt.«

      »Und wir tappen völlig im Dunklen. Ich schlage vor, dass wir für morgen eine Pressekonferenz ansetzen. Mir fällt da schon was ein.«

      Ich nehme die Zeitung mit und lese den Artikel ganz. Gute journalistische Arbeit. Ganz unten auf der Seite kommt noch eine Meldung über zwei Einbrüche. Einer davon war in einem Juweliergeschäft in der Mühlgasse. Etwa zwei Stunden vor unserem Mord hatte jemand dort Schmuck im Wert von 70.000 Euro erbeutet. Die Alarmanlage funktionierte nicht. Bei einem Geschäft für Wander- und Outdoorbedarf wurde die Schaufensterscheibe eingeschlagen. Da war ganz schönes Gesindel unterwegs in unserer Hochzeitsnacht.

      Hochzeit! Sofort ist das Bild von Hannah in meinem Kopf. Das darf doch nicht wahr sein! Meinte sie das ernst, heute im Auto? Die macht doch einen Scherz! Aber so ganz sicher bin ich mir nicht. Verdammte Pressekonferenz. Herbert!

      Genau, Herbert ist der Richtige für solche Sachen. Dem fällt doch immer eine Gaunerei ein, wenn es um die Presse geht.

      »Du gehst schon wieder alleine weg, Wolff? Das häuft sich aber in letzter Zeit. Wir hätten doch eine Hochzeitsreise machen sollen.«

      »Ilse, morgen ist die Pressekonferenz. Ich bin mit Herbert verabredet. Dem alten Gauner ist was eingefallen für den Termin morgen.«

      »So, so, mit dem Herbert. Dieser Herbert trägt nicht zufällig schwarze enge Jeans?«

      »Jetzt hör aber auf. Die Hannah war sehr hilfreich heute Morgen. Ich denke, die macht sich ganz gut bei uns.«

      »Und schon weißt du, worauf ich hinaus will. Mein lieber Wolff, mach’ nur keinen Blödsinn.«

      »Ilse, so kenn’ ich dich gar nicht. Was ist plötzlich los? Ich muss weg, der Herbert wartet.«

       Kapitel 3 – Schwindel

      »Mensch Wolff, so eine Scheiße aber auch. Dass euch das in dieser Nacht passieren musste.«

      Helmi setzt sich zu uns und stellt drei frische halbe Bier auf den Tisch.

      »Probieren, die Herren. Neu! Elch-Bräu aus Thuisbrunn. Das läuft runter, sag ich euch.«

      »Also dann a Prösterla!«

      Tatsächlich. Schön herb.

      »Sehr gut, Helmi, da könnt’ ich mich daran gewöhnen. Ja, ja. Das war ein Ding am Samstag. Ich habe so etwas noch nie erlebt.«

      »Macht dir das nichts aus? Ich meine, die meisten kippen um oder speien wie die Reiher oder machen beides!«

      »Mein Magen hat schon einige Signale gesendet, aber ich bin nicht so der Speityp. Ich kann da ziemlich viel wegstecken, das


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