Fleischbrücke. Gerd Hans Schmidt

Fleischbrücke - Gerd Hans Schmidt


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      »Herbert, das stimmt. Aber jetzt verrate mir mal, was wir denen morgen erzählen.«

      »Na ja, du wasst scho. Ich hob a weng mei Fühler ausgstreckt, wos die morng so wissen woll’n.«

      »Und?«

      »Und, Scheiße. Die wer’n auf dem Dhema rumreiten, dass widder irgendwo aaner mit aaner gud’n Prognose rausderft hot. Du wasst scho. Kinderschänder, Vergewaltiger, a schönes Gutachten, und scho schlächder widder zu.«

      »Ich hab’s mir fast schon gedacht. Da werden die Stammtische wieder bestens bedient von der Presse. Manchmal haben die aber auch recht. Und jetzt?«

      »Etz bass auf. Ich hob den Cem scho drauf ang’setzt. Der hot doch europaweit such’n soll’n. Do gibt’s ähnliche Fälle in Polen, Rumänien, Slowenien und Italien. Abber immer nur ein Mord. Gut. Ähnlich. Die Opfer wor’n ganz schee herg’richt und die Gliedmaßen wor’n a a weng verbog’n, abber natürlich net so wie unserer.«

      »Auf was willst du hinaus?«

      »Also. Mir stell’n uns auf den Standpunkt, dass do zwor a Verrückter rumläfft, aber in jed’n Land bloß eine Dad verübt. He? Und desweg’n gehen mir davon aus, dass des hier bei uns auch ein Einzelfall ist! Des steht für uns nach unseren umfangreichen und nächtlichen Recherchen fest.«

      »Und das nehmen die uns ab?«

      »Na, na. Und dann präsendieren wir eine Liste mit allen Entlassungen aus der Psychiatrie aus den letzten acht Monaten.«

      »Wieso acht?«

      »Weil vor neun Monaten so a kritischer Fall entlassen wor’n iss.«

      »Woher ...«

      »Du host doch den Harald drauf ang’setzt!«

      »So schnell geht das bei euch?«

      »Scho, Wolff.«

      »Und was war das für einer?«

      »No, a so a Vergewaltiger halt, der die Frauen dann anschließend herg’richt hot. Abber net so wie am Samstoch.«

      »Und das reicht denen dann?«

      »Die ham genauso wenich wie mir und bis die do drauf kumma, des dauert.«

      »Herbert, du hast den Hauptkommissar wahrlich verdient.«

      »Abber im Ernst. Des schaut net gut aus, odder?«

      »Nein, Herbert, es sieht gar nicht gut aus. Wir haben lange mit Dr. Rosser gesprochen und die Hannah hat da sehr viel Ahnung. Herbert, da läuft einer draußen rum, der das morgen wiederholen könnte. Außer wir haben Glück und der zieht weiter. Aber das Problem wird dadurch nur verlagert und nicht gelöst!«

      »A so ein Scheißdreck abber auch. Du soch a mol. Die Hannah hot mich g’frocht, wie alt du bist. Geht a wen’g wos mit dera?«

      »Hör mir bloß damit auf. Ilse ist auch schon bei dem Thema, nur weil ich mit ihr heute nach Erlangen gefahren bin. Aber die ist fachlich ganz gut drauf!«

      »Bloß fachlich?«

      »Nur fachlich!«

      »Helmi, host noch a wen’g a so a Bier?«

      »Na dann bring ich euch doch noch zwei!«

      *

      Pressekonferenz im Rathaus. Großer Bahnhof. Der OB sitzt rechts neben mir. Links von mir Dr. Ruschka, dann Staatsanwalt Gastner. Herbert habe ich neben den Bürgermeister gesetzt. Für alle Fälle. Wenn mir nichts mehr einfallen sollte. Ganz außen am Tisch sitzt Cem. Wegen der »Auslandsberührung«.

      »Meine Damen und Herren von der Presse, sehr geehrte Anwesende, Herr Oberbürgermeister im Besonderen«, der Chef eröffnet die Sitzung, »außergewöhnliche Ereignisse haben uns heute hier zusammengebracht. Ich gebe zu, Nürnberg befindet sich in einer schwierigen Zeit ...«

      »Hören Sie doch auf mit diesen Floskeln. Es ist eine Katastrophe hereingebrochen über unsere Stadt. Und sie halten Volksreden! Da läuft ein Verrückter herum und mordet.«

      Einer der Journalisten wird jetzt schon ärgerlich und die anderen nicken zustimmend.

      Ich muss eingreifen.

      »Meine Herrschaften, Sie werden unserem Chef schon seine einführenden Worte zugestehen. Aber wenn ich schon das Wort habe, dann kann ich Ihnen Folgendes sagen. Zweifellos, und ich kann das ganz unverblümt aussprechen, haben wir eine Katastrophe. Am frühen Samstagmorgen wurde ein Mann auf der Fleischbrücke brutal dahingemetzelt. Die Umstände sind Ihnen bekannt, die vermeintlichen Einzelheiten konnten wir ja schon in der Presse lesen. So viel zu den Volksreden. Sie konnten ja nicht einmal die ersten Untersuchungen abwarten und haben Ihre einschlägige Leserschaft bedient!«

      Ich ernte sofort fast tumultartigen Widerspruch.

      »Lassen Sie mich bitte fortfahren. Ich bitte um Ruhe. Hätten Sie gründlichere journalistische Arbeit geleistet und erst einmal abgewartet«, Herbert hat mir geraten, richtig auf Konfrontation zu gehen, »dann hätten wir Ihnen am Montag schon genauere Angaben machen können.«

      Aus dem Saal kommen verhaltene Beschimpfungen.

      »Sie haben doch nichts! Und morgen kann der nächste Mord geschehen, Sie sind der Sache nicht gewachsen! Sie müssen die Bürger schützen!«

      »Entschuldigen Sie, wie war Ihr Name?«

      »Frommberger, von der Nürnberger Zeitung.«

      »Ah, von der NZ. Ich kann mich erinnern, dass Sie sehr schnell an Details von Verbrechen kommen. Leider nicht immer gut recherchiert!«

      »Das ist eine Unverschämtheit!«

      Dr. Ruschka sieht zu mir herüber und macht eine mahnende Miene.

      »Nein. Ist es nicht. Denn wenn Sie zu der Tat am Samstag gute Informationen gehabt hätten, dann wäre Ihnen nicht ein gravierender Fehler unterlaufen.«

      Der OB schaltet sich ein.

      »Herr Hauptkommissar Schmitt, wir wollen uns doch hier nicht mit Einzelheiten aufhalten. Was können Sie uns an Ergebnissen bieten?«

      »Dazu komme ich gleich, Herr Oberbürgermeister. Übrigens, ich leite die Sondereinheit als Erster Hauptkommissar. Also.«

      Ich wende mich wieder den Anwesenden im Saal zu.

      »Was Ihnen entgangen ist, oder was Ihrem Informanten entgangen ist, sagen wir es einmal so, ist die Tatsache, dass ... «

      »Welcher Informant bitte?«

      »Das weiß ich nicht. Oder haben Sie die Leiche selbst gesehen? Also nein. Sie hatten in Ihrem Artikel vom Dienstag angedeutet, dass man davon ausgehen könne, es handele sich womöglich um einen entlassenen Sexualstraftäter, der rückfällig geworden ist. Nun. Ich habe die Leiche selbst gefunden.«

      Wieder geht ein Raunen durch den Raum.

      »Und ich kann Ihnen versichern, das ist nicht die Tat eines Sexualverbrechers. Ganz sicher nicht. Dieser Täter geht präzise vor, nicht triebgesteuert, sondern völlig kontrolliert.«

      »Was soll das an der Gefahr für die Bevölkerung ändern? Lehmann, Süddeutsche Zeitung.«

      Ich erkenne den Journalisten. Es ist Mister Unbekannt, den Herbert damals wegen des Mordes in der EU-Behörde angeschleppt hatte.

      »Wir waren in den letzten Tagen nicht untätig. Es gibt vergleichbare Fälle in Polen, Rumänien, der Slowakei und Italien. Aber es war immer nur ein Opfer, dann ist der Täter weitergezogen.«

      Ich bitte Cem Arslan, das Wort zu übernehmen und er schildert kurz die dortigen Ermittlungsergebnisse. Zugegeben, nicht ganz so genau.

      »Und deswegen können wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt davon ausgehen, dass die Tat am Samstag hier in Nürnberg auch ein Einzelfall bleibt.«

      Es folgt Widerspruch aus den Reihen


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