Phantombesuch. Gaby Peer

Phantombesuch - Gaby Peer


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an und machte Anstalten zu gehen. Dann drehte sie das Schild ganz schnell um, denn genau mit der Reaktion hatte sie gerechnet. „Ich schwöre, dass ich mich sofort wieder hinsetze!“ Manuel schien zu überlegen – er schaute zum Himmel, als ob er von dort eine Antwort erwartete.

      Mein Gott, dachte Elena. Vor drei Wochen noch hätte ich jeden, der an so etwas glaubt, für vollkommen verrückt erklärt. Jetzt tue ich es selber! Ich will es einfach glauben – nein, ich muss es glauben, denn ich kann es ja mit meinen eigenen Augen sehen.

      Manuel drehte sich wieder ganz in ihre Richtung und machte einen Schritt auf die Scheibe zu. Dann gab er Elena ein Zeichen, zu ihm zu kommen. Ganz langsam, nahezu in Zeitlupe, stand sie auf und setzte sich in Bewegung. Sie tat es so behutsam, weil sie zum einen die Annäherung genießen wollte und Manuel zum anderen auf gar keinen Fall durch unbedachte Bewegungen verscheuchen durfte. Mit jedem Schritt, durch den sie der Scheibe näher kam, bekam sie weichere Knie, fürchterliche Hitzewallungen – sie glühte von innen heraus. Elena konnte mit Sicherheit behaupten, in ihrem ganzen Leben noch nie so aufgeregt gewesen zu sein. Nicht in ihrer ersten Nacht mit Manuel, nicht zu ihrer Hochzeit und auch nicht bei der Geburt ihrer Kinder – und das sollte etwas heißen. Sie war sich immer sicher gewesen, dass die Gefühle, die sie bei diesen drei Ereignissen empfunden hatte, niemals übertroffen werden konnten. Wahnsinn! Elena empfand im Moment so viel Glück und Dankbarkeit, dass sie zu weinen anfing.

      Ihr Manuel stand ganz still da. Er sah sie verliebt und sehnsüchtig an. Genau so, wie er es immer getan und sie damit innerhalb von Sekunden in Wallung versetzt hatte. Als sie endlich vor der großen Scheibe stand, legte sie beide Hände vorsichtig auf die Glasflächen. Auch Manuel hob seine Hände und legte sie genau gegen ihre. So standen sie eine kleine Ewigkeit vollkommen bewegungslos da und schauten sich tief in die Augen.

      „Ich liebe dich“, formten Elenas Lippen langsam diese Worte. Dann drückte sie ihre Lippen behutsam und zart an die Scheibe. Manuel tat es ihr gleich. Elena spürte die Wärme seiner Hände und die Hitze seiner Lippen durch die Scheibe. Es waren tausend kleine Blitze, die von Manuel kamen und in ihren Körper eindrangen. Ich will für immer hier stehen bleiben, dachte sie gerade, als Manuel sich mit einem unendlich traurigen Blick und einem verzweifelten Achselzucken langsam von der Scheibe löste.

      „Nein, bitte nicht!“, hauchte Elena mit kaum hörbarer Stimme und einem tränenüberströmten Gesicht. „Nein, geh bitte nicht!“ Verzweifelt schüttelte sie den Kopf. Manuel sah sie ernst und mahnend an. „Ja, ich habe es versprochen. Es ist nur so schwer!“, schrie sie hilflos aus voller Kehle. Manuel deutete auf das Sofa. Elena ließ die Hände von der Scheibe gleiten und machte sich rückwärts laufend auf den Weg zum Sofa. Keinen noch so kleinen Augenblick wollte sie sich nehmen lassen, Manuel aus der Nähe anzuschauen. Keine Millisekunde nahm sie den Blick von ihm. Die Augen brannten nach jedem Besuch fürchterlich, weil sie sich nicht erlaubte, normal zu zwinkern. Dieses Mal musste sie sich sehr anstrengen, vor lauter Tränen überhaupt noch etwas sehen zu können. Beim Sofa angekommen, setzte sie sich vorsichtig hin und Manuel fing sofort mit der Abschiedszeremonie an. Dann war er weg.

      Elena brauchte sehr lange, bis sie sich wieder einigermaßen beruhigt hatte. Sie betrachtete ihre Hände, in denen sie immer noch die Energie von Manuel spürte. Die Lippen brannten noch wie Feuer. Elena traute sich dann irgendwann, wieder aufzustehen und die Schiebetür zu öffnen. Voller Ehrfurcht trat sie an die Stelle, wo Manuel gestanden hatte, legte ihre Hände auf seine Abdrücke, die er auf der Scheibe hinterlassen hatte. Dann stellte sie sich auf die Zehenspitzen und führte den Mund an die Stelle, an der der seine sie durch die Scheibe geküsst hatte. Was für ein Gefühl, was für eine Elektrizität hier war. Und Wahnsinn – nein, sie bildete es sich nicht nur ein – es roch nach Manuels Parfüm. Ganz eindeutig – es war sein Geruch, sein geliebtes Fahrenheit.

      Elena hätte im Nachhinein nicht sagen können, wie lange sie in dieser Haltung dagestanden hatte. Schreckliche Krämpfe in den Zehen beendeten schließlich das Verharren in der unbequemen Position. Viel schlimmer noch als die Schmerzen in den Füßen war die quälende Sehnsucht nach noch mehr Nähe zu Manuel. Elenas Wunsch, ihn richtig zu berühren, war durch das Ereignis noch intensiver und fordernder geworden. Das Verlangen war kaum noch auszuhalten und es verursachte körperliche Schmerzen. Der Gedanke, dass sie sich für morgen Abend wieder etwas Spezielles ausdenken musste, brachte ihr dann doch etwas Entspannung.

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