Als Lehrer in Gotha/Thüringen 1950–1990. Heinz Scholz
sagte mir, das sei doch für kontrollierende Schulfunktionäre der beste Beweis für seine unverbrüchliche Parteilichkeit und politische Zuverlässigkeit. Zudem könne er als unterrichtender Lehrer vor so einem bekennenden Aushängeschild innerhalb seiner vier Wände getrost reden und differenzieren, wie er es persönlich für richtig halte.
Besonders in den ersten fünfziger Jahren verlangten Partei- und Schulfunktionäre solch einen Bilder-Personen-Kult, und die Schule wurde für diesen Zweck auch ausreichend mit politischem Bildmaterial versorgt. Daher sah man, obgleich es sonst an vielem Notwendigem fehlte, in Klassenzimmern, in der Aula wie auch in den anderen Räumen der Schule übermäßig viele Porträtdarstellungen von Marx, Engels, Lenin, Stalin, Thälmann, Wilhelm Pieck, Ulbricht oder Grotewohl. Ich erinnere mich auch an übergroße Kopien, die unser Zeichenlehrer Wolfram für die Aula-Wände oder auf große Transparente für die Außenfassade des Schulgebäudes malen musste.
Eine beträchtliche Behinderung jeglichen Schul- und Unterrichtsbetriebes war die miserable Beleuchtung in den Klassenräumen wie auch in fensterlosen Korridoren! Diese einfachen, kleinen Kugellampen, hoch droben an der Decke, gaben ein völlig unzureichendes Licht her, zumal bei der absinkenden Stromspannung im Winterhalbjahr. Es war auch nicht möglich, stärkere Glühlampen einzusetzen. Erst Ende der 50er Jahre konnte durch teilweise neu installierte Beleuchtungskörper schrittweise eine Besserung erzielt werden. –
In jenen Jahren gab es in der Löfflerschule nur einen Fachunterrichtsraum; das war ein hörsaalähnlicher Unterrichtsraum für Physik und Chemie im Erdgeschoß. Gleich angeschlossen an diesen war der Lehrmittelraum, in dem neben den Lehrmitteln für Physik und Chemie auch weiteres Lehr- und Anschauungsmaterial für andere Unterrichtsfächer untergebracht war. Der dürftige Bestand entsprach den ärmlichen Bedingungen der Nachkriegszeit. Die Schulleitung bestellte Jahr für Jahr nach dem Angebot in einem Lehrmittelkatalog, aber oft konnte das Bestellte nicht geliefert werden, selbst wenn das Geld zur Verfügung stand. Nur langsam kam das eine oder andere hinzu. Unsere Lehrer mussten erfinderisch sein; manche einfachen Lehrmittel haben sie eigenhändig hergestellt.
Schulgebäude der ehemaligen Löfflerschule in den 80er Jahren. Auf dem Transparent: „Wir sind Mitgestalter der sozialistischen Gegenwart und Kommunistischen Zukunft“.
Neue „Errungenschaften“ in der Schule
DDR-Briefmarken der 50er Jahre.
Nachdem anfangs nur Milch oder Kakao und Brötchen in der großen Pause an die Kinder ausgeteilt wurden, ist an unserer Löfflerschule 1951/52 die Schulspeisung eingeführt worden.
Im Kellergeschoss der Nordwestseite waren Räume zu einem geeigneten Speisesaal mit angrenzender Küche ausgebaut worden. Hier unten wurde das von einer städtischen Zentralküche angelieferte warme Essen in der großen Pause bzw. nach Ende des Unterrichts von den Schülern eingenommen. Zwei angeworbene Frauen aus der Elternschaft waren angestellt, das Essen auszugeben und für Ordnung und Sauberkeit im Speisesaal zu sorgen. Diese warme Schulspeisung erfuhr damals eine hohe Wertschätzung. War sie doch in einer Zeit, wo noch Lebensmittel wie Fleisch, Butter, Milch, Zucker u. a. nur in geringen Rationen auf Lebensmittelmarken zugeteilt wurden, eine zusätzliche markenfreie und preiswerte Mittagsmahlzeit für die Kinder in der Schule. Es war ein warmes Essen, meist mit Kartoffeln, dann und wann Nudeln, Gries oder Hülsenfrüchten, mit Gemüse, manchmal mit geringer Fleischeinlage. Doch in so einer Zeit des Mangels schmeckte dieses einfache Mittagessen fast jedem Stadtkind!
Solch eingeführte Besserungen wie die Schulspeisung wurden sogleich öffentlich als neue „soziale Errungenschaften“ gepriesen. Selbst wenn mich so eine großsprecherische propagandistische Herausstellung abstieß, begrüßte ich die Schulspeisung als eine nützliche, fürsorgliche Einrichtung.
Eine ähnlicher Hervorhebung erfuhr die Schulfunkanlage, die 1952/53 in unserem Schulhaus eingebaut wurde. Sie galt ebenso als eine bedeutende Neuerung und Errungenschaft, als ein bemerkenswertes technisches Hilfsmittel bei der schulischen Erziehung der Kinder.
Der Patenbetrieb unserer Schule, das Reichsbahnausbesserungswerk Gotha (RAW), hatte sich angeboten und bereit erklärt, mit Hilfe seiner Funktechniker in der Patenschule „Löfflerschule“ eine Schulfunkanlage zu installieren. Trotz Schwierigkeiten bei der Materialbeschaffung war das Vorhaben innerhalb eines Vierteljahres realisiert worden.
Von einer zentralen Schaltanlage im Direktorzimmer aus konnte man mittels Mikrophon und etwa 25 angeschlossenen Lautsprechern je nach Bedarf Sprech-, Musik- und Rundfunksendungen in die Klassenräume übertragen. Auch über zwei größere Lautsprecher an der Außenfront auf den Pausenhof hinaus.
Einige Kollegen/innen, darunter auch ich, wurden in diese Funkanlage eingeführt und sowohl für die technische Bedienung als auch für die Nutzung verantwortlich gemacht. Wir waren anfangs begeistert, suchten nach bestmöglichen technischen Wegen und originellen Ideen, um interessante und erzieherisch wirksame Sendungen auszuwählen oder selbst zu gestalten. Vor allem Schulfunksendungen der Rundfunkanstalten konnten wir in einzelne Klassen oder Klassenstufen hinein übertragen, auch generelle Anweisungen des Direktors und organisatorische Mitteilungen oder Informationen durchsagen. Von Beginn an überdachten wir auch, wie wir mit Hilfe der Schulfunkanlage Einfluss nehmen könnten auf die Einhaltung von Disziplin und Ordnung an der Schule. Da meinten die Kollegen der Schulleitung, man sollte in den Hofpausen einen aufsichtführenden Lehrer am Fenster des Direktorzimmers postieren, der von da aus mit guter Übersicht auf den Pausenplatz, durch ein Mikrophon und über die Außenlautsprecher auf das Verhalten der Schüler einwirken könnte. Und als wir diese besondere „Hofaufsicht“ einführten, reagierten die Schüler positiv. Rangeleien oder rasantes Herumtollen hörte auf, wenn die Betroffenen über Lautsprecher öffentlich angesprochen wurden.
Einige Lehrer, z. B. die Kollegin B., dachten sich Hörspiele aus, mit denen wir über den Schulfunk auf bestimmte Klassen erzieherisch Einfluss nehmen wollten. Ich erinnere mich an ein Hörspiel, in dem wir das Bekritzeln und die Beschädigung von Schulbänken zum Thema gemacht hatten. Insgesamt zeigten sich die Schüler beeindruckt, sie nahmen die „Erziehung“ über den Schulfunk ernst.
Bald griff die Lokalzeitung diese Neuerung im Schulbetrieb der Löfflerschule auf. In einem ausführlichen Artikel berichtete sie von den „guten Beispielen der Schulfunkarbeit an der Löfflerschule“.
Abgesehen von der fragwürdigen oder dauerhaften Nutzbarkeit jener Schulfunktechnik, hat sie doch fürs erste nach außen hin Aufmerksamkeit erregt. Womit die Löfflerschule da in Erscheinung trat, das wurde als „fortschrittlich“ gewertet, was auch immer man damals unter „Fortschritt“ verstand. Dorffunk, Stadtfunk, Schulfunk waren geschätzte technische Mittel der politischen Agitation. Und wer „voranschreitend“ eine Schulfunkanlage einsetzte, dem traute man selbstverständlich „fortschrittliche“ Absichten zu. Galt es doch, politische Anliegen, wie „die Friedenspolitik von Partei und Regierung“, die „Deutsch-sowjetische Freundschaft“, den „Aufbau des Sozialismus“ und den „Kampf gegen den westdeutschen Militarismus“, mit allen Mitteln zu propagieren und möglichst jedermann einzuhämmern.
„Transparentitis“
Das „positive“ Ansehen der Schule musste oder konnte auch – nach damaligen politisch-propagandistischen Gepflogenheiten – durch eine entsprechende agitatorische Sichtwerbung am Schulhaus erwirkt oder bewiesen werden. Politische Transparente an der Fassade des Schulhauses sollten den „positiven“ politischen und „revolutionären“ Charakter einer Schule nach außen hin sichtbar machen. Daher mussten Schulleitung, Lehrer und Schüler für eine aktuell politisch dekorierte Fassadengestaltung sorgen. In den Augen der SED und der Staatsfunktionäre waren Schulen nicht unparteiliche Bildungs- und Erziehungsanstalten, sondern aktive politische Agitationszentren, die nach außen in alle Öffentlichkeit sichtbar wirken sollten. Sie hatten dem „ideologischen