Der Fall Griechenland. J. Köper

Der Fall Griechenland - J. Köper


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die das freigesetzte Konkurrenzgeschehen herbeiführt.

      – Nach demselben Muster bewirtschaften die Euro-Partner nicht bloß die länderübergreifende Konkurrenz der Kapitale, sondern ein gemeinschaftliches Kreditgeld. Für das haften sie alle, und zwar formell alle gleichermaßen, mit ihren Schulden und dem Wachstum, das sie damit in ihrem Zuständigkeitsbereich zustande bringen. In Sachen Wachstum tut nun jeder Euro-Staat, was er kann, um seinen Standort kapitalistisch ertragreich zu machen – und genau so machen alle einander die Erträge aus der Kapitalakkumulation in ihrem großen Gesamt-Euro-Land streitig, mit denen sie für ihre Schulden und das Gemeinschaftsgeld einstehen. Mit ihrer Konkurrenz gegeneinander führen sie die Prämisse ad absurdum, auf der ihr gemeinsames Kreditgeld beruht, dass nämlich jede Nation gleichrangig mit allen anderen und mit einem gleichwertigen Verhältnis zwischen Schulden und Wachstum die Stabilität dieses Geldes verbürgt.

      Die gemeinsame Finanzkrise stellt diese Fiktion auf eine harte Probe; dadurch nämlich, dass das Finanzgewerbe den unproduktiv vermehrten Euro-Kredit insgesamt einer verschärften spekulativen Überprüfung unterzieht und seine nationalen Quellen auf ihre Zuverlässigkeit testet. An Griechenland beißen sich die Spekulanten fest. Und dass sie damit die Widersprüchlichkeit der ganzen Konstruktion aufdecken, gestehen die hauptverantwortlichen Euro-Politiker faktisch ein mit ihrer offen geäußerten Befürchtung, die Zulassung des Bankrotts eines Mitglieds würde unweigerlich den einiger nächster Kandidaten nach sich ziehen. Denn das heißt ja nichts anderes, als dass etlichen Mitgliedern im Ergebnis ihrer langjährigen Konkurrenzbemühungen die Fähigkeit abhanden gekommen ist, mit ihrem Kredit das gemeinsam genutzte Kreditgeld zu untermauern.

      3.

      Um den Fortbestand und das weitere Funktionieren des Euro-Systems zu retten, dementieren die Führungsmächte der Union mit aller Gewalt den politökonomischen Inhalt der griechischen Finanzkrise: „Die Märkte“ müssen überzeugt werden, dass Griechenlands Bankrott eine isolierte Entgleisung und durch eine bessere Haushaltspolitik zu bereinigen ist. Den Griechen fällt die unlösbare Aufgabe zu, ihren Staat durch Verelendung wieder kreditwürdig zu machen.

      Mit der Gefahr eines Offenbarungseids über die zerbröckelnde Basis des gemeinschaftlichen Kreditgelds ist für die Führungsmächte der Union schon klar, in welche Richtung ihre Bemühungen um eine Bewältigung der Lage gehen müssen. Eisern bestehen sie darauf, dass Griechenland in der Krise ist, und legen allergrößten Wert auf den Nachweis, dass die ihren ganzen Grund in Versäumnissen bei der korrekten Haushaltsführung hat, die man sich in Athen hat zuschulden kommen lassen. Es darf sich nur um einen Sonder- und Ausnahmefall handeln, der aber auch gar nichts mit den innereuropäischen Konkurrenzniederlagen zu tun hat, unter denen ja nicht nur Griechenland leidet; nichts Geringeres als die Lebenslüge der Währungsunion steht da auf dem Spiel. Damit steht fürs erste fest, was zur Rettung des vor dem Bankrott stehenden Mitglieds fällig ist: Der demonstrative und „die Märkte“ ultimativ überzeugende Wille ist gefragt, in Sachen Buch- und Haushaltsführung ab sofort nichts mehr verkehrt und alles so richtig zu machen, wie es bei der Gründung der Gemeinschaftswährung vereinbart worden ist. Aus Sicht der maßgeblichen Unionspolitiker hat ja bis zur Pleite Griechenlands das sanktionsbewehrte Versprechen, beim Wirtschaften mit Schulden auf Stabilität zu achten, als glaubwürdiger Ersatz für eine hinter dem Euro-Kredit stehende Garantiemacht und als Beleg dafür funktioniert, dass der Euro im kreditfinanzierten Wachstum der Partnerländer und deswegen auch in deren Finanztiteln eine unanfechtbar solide Basis hat. Also muss mit einer glaubwürdigen Neu-Inszenierung der Stabilitätsgarantie, die dem Euro seinen zehnjährigen Erfolgskurs beschert hat, jedes Misstrauen in die Güte des Geldes wieder zu erledigen sein, das sich an „den Märkten“ bemerkbar gemacht hat. Für das entsprechende Signal an deren Adresse sorgen die Zuständigen dann: Die griechische Staatsführung wird gleichsam unter EU-Oberaufsicht gestellt, auf Sanierungsgesetze für ihren Haushalt verpflichtet und auf deren pünktliche Umsetzung und Einhaltung hin kontrolliert. „Haushaltsdisziplin“ und „Sparsamkeit“ heißen die Maximen, auf die die griechische Staatsführung festgelegt wird, „um die finanzielle Stabilität der Eurozone als ganzer zu gewährleisten.“ (Erklärung des EU-Rats vom 11.2.2010)

      Die Lösung, die die EU da anstrebt, ist einigermaßen paradox: Griechenland soll fähig werden, für die Schulden, denen es eingestandenermaßen nicht gewachsen ist, wieder einzustehen und für jeden Euro fiktiven Kapitals, den es emittiert hat, zuverlässig zu haften; und zwar ausgerechnet dadurch, dass es seinen Haushalt zusammenstreicht, also dem nationalen Wirtschaftsleben alles wegkürzt, womit der Staat bislang noch so etwas wie Geschäft und Kapitalwachstum inszeniert hat. Ihm wird die Freiheit genommen, an der mangelnden Konkurrenzfähigkeit der nationalen Ökonomie etwas zu korrigieren und dafür Mittel zu mobilisieren; das Geschäftsleben des Landes wird nach Maßgabe der staatlichen Haushaltslage auf Schrumpfung programmiert; ausgerechnet dadurch soll das Missverhältnis zwischen der finanziellen Leistungsfähigkeit des Standorts und dem angesammelten Schuldenbestand des Staates in Ordnung kommen, und das nicht bloß in einer schöneren Zukunft, sondern so, dass der ganze akkumulierte Haufen längst uneinlösbarer Kredite bis zum letzten Euro seinen Wert behält bzw. entgegen dem Misstrauen der Märkte wieder in Wert gesetzt wird – nicht durch Wachstum, sondern durch die Dezimierung der staatlichen Kreditaufnahme.

      Das ist absurd. Doch für die EU kommt es fürs Erste gar nicht so sehr auf nachzählbare Erfolge an; viel mehr auf die glaubwürdige Demonstration des absolut kompromisslosen Willens der Union, Griechenland einer denkbar brutalen Sanierungspolitik zu unterwerfen, um so jeder Spekulation gegen den Euro den Boden zu entziehen. Dazu gehört dann allerdings auch das andere klare Signal an die Spekulantengemeinde, dass die Union sich die Basis ihres Kreditgelds nicht dadurch kaputtmachen lässt, dass pure Spekulation eines ihrer Mitglieder in den Bankrott treibt, sondern gewillt und fähig ist, Griechenland mit politischen Kreditgarantien zahlungsfähig zu halten. Diese Überlebensgarantie für Griechenlands Schuldenhaushalt muss freilich wieder so gestaltet werden, dass niemand an der Unverrückbarkeit der Klausel zweifelt, wonach jedes Land auf eigene Rechnung für Stabilität zu sorgen hat und ein „Bail out“ nicht stattfindet; andernfalls geriete die Schuldenwirtschaft der Euro-Staaten sogleich wieder in den Verdacht der Unseriosität und der Euro in Gefahr. Das Risiko eines Offenbarungseids über die Unhaltbarkeit der Euro-Konstruktion, das an den griechischen Schulden akut geworden ist, muss an Griechenland exemplarisch bereinigt werden; und zwar durch eine „Rosskur“, deren exemplarische Härte die Finanzmärkte davon überzeugt, dass die irgendwann und irgendwie doch unausweichliche Rettung des griechischen Kredits durch die Partner die Härte des Euro nicht beeinträchtigt.

      Die praktische Umsetzung dieses komplexen Programms zur Abwehr jeder Anti-Euro-Spekulation aus Anlass Griechenlands gestaltet sich dann so banal wie brutal: Alles, womit Land und Leute in diesem Staat bislang überlebt haben, ist zu opfern, um den Staatsschulden den Schein zweifelsfreier Haltbarkeit zu verschaffen und dadurch Schaden vom gemeinsamen Kreditgeld abzuwenden.

      An der Aufgabe hat die griechische Regierung sich zu bewähren, und da sind manche Zweifel laut geworden, ob sie das hinkriegt. Gar nicht ihren Willen betreffend: Die Regierenden in Athen haben sich alles, was sie in übergeordnetem EU-Interesse zu tun haben, schon auch als in ihrem eigenen liegend einleuchten lassen. Aber über das Volk macht man sich Sorgen. Das hat sich bei seiner Einrichtung im landestypischen Elend nicht jede Zumutung so einfach bieten lassen, die seine Herrschaft ihm auch längst vor ihrer Pleite und ganz ohne ausdrücklichen EU-Befehl auferlegt hat. Starke Gewerkschaften soll es da geben, die auch einen Generalstreik hinkriegen, der das Land für ein paar Tage lahmlegt; sogar – man denke nur! – Kommunisten treiben dort noch ihr Unwesen. Und nicht zuletzt unter linker Anleitung protestiert eine Menge Volk gegen Spekulanten und EU-Politiker, die das Land erpressen. Es ist nur so:

      Erstens hat eben dieses Land sich selbst „erpressbar“ gemacht. Der Staat hat sich die Spekulation auf seine Euro-Schulden für die Finanzierung seines Haushalts zunutze gemacht; er hat auf die Macht der EU als Mittel neuer ökonomischer und politischer Potenz gesetzt. Mit seinem Nationalismus, der Europa als Chance für den nationalen Aufstieg wahrgenommen hat, hat Griechenland sich von denen abhängig gemacht, von denen es sich jetzt so schlecht behandelt sieht.

      Zweitens lässt der Staat sich „erpressen“, weil


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