Der Engel an meiner Seite. David Frei

Der Engel an meiner Seite - David Frei


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      Auch eine andere Schule für Kinder mit ähnlichen Behinderungen besuchten Dakota und ich. Die behinderten Schüler waren in die normale Schule »integriert«, was jedoch leider zur Folge hatte, dass sie beinahe täglich von Mitschülern gemobbt wurden. Als diese Mitschüler herausfanden, dass Dakota ihre behinderten Klassenkameraden einmal in der Woche besuchte, wollten auch sie sich mit ihm anfreunden. Cody kümmerte sich um alle, da er alle Kinder gleich liebte. Hunde machen keinen Unterschied, ob jemand behindert oder anders ist. Ich glaube, seine bedingungslose Akzeptanz der Kinder, die anders waren, war für die anderen Kinder eine lehrreiche Erfahrung.

      Ich brauchte nicht viele Besuche im Krankenhaus und den Schulen, bevor ich feststellte, dass auch ich eine lehrreiche Erfahrung machte: Jetzt, da ich es freiwillig tat, konnte ich plötzlich meine Probleme bewältigen und mein Leben leben. Im Gegensatz dazu mussten diese Kinder jeden einzelnen Tag gegen ihre Behinderungen ankämpfen. Ich lernte viele Kinder kennen, die nur wenig Hoffnung auf eine schmerzfreie Zukunft oder ein einfaches Leben hatten. Und trotzdem konnten sie lächeln, vor allem wenn Cody auftauchte. Bei unserer Ankunft wollten die Kinder immer wissen, was wir an dem Tag mit ihnen anstellen würden. Und sie arbeiteten daran. Sie schienen bei jedem Schritt auf Dakotas Zustimmung zu warten und teilten ihre Erfolge mit ihm. Es war ein beeindruckendes Erlebnis, das ich fast täglich machte.

      ♦ ♦ ♦

      Wir haben auch viele Senioren besucht. Das war natürlich ein ganz anderes Szenario als das mit den Kindern. Hier erlebten wir Reaktionen, die von reiner Freude über Codys Gegenwart bis hin zu therapeutischen Wirkungen reichten, die durch Streicheln und Umarmungen erzielt wurden.

      Alle Senioren wollten sich mitteilen. Manchmal waren sie melancholisch und manchmal wollten sie glückliche Erinnerungen mit uns teilen. Cody erinnerte James an den Hund aus seiner Kindheit, doch für Sylvia war er wie der Hund ihrer Kinder, was sie daran erinnerte, dass sie von den Kindern nicht oft genug besucht wurde.

      »Schwimmt er gern?«, wollte Donald wissen und dachte an seine Jagdzeiten zurück. »Kann er Vögel apportieren?«

      »Klar, er ist ein ausgezeichneter Jagdhund«, erzählte ich ihm. Soweit ich wusste, hatte Cody zwar noch keinen Tag in seinem Leben gejagt, aber was machte das schon? Meine Antwort brachte Donald dazu, sich ausführlich mit mir über Jagdhunde, Vögel und die Jagd zu unterhalten.

      Das Wichtigste war nicht das, was sie sagten, sondern dass sie überhaupt etwas sagten. Dakota lockte sie aus ihrer Innenwelt heraus und brachte sie dazu, ihre Gefühle auszudrücken - etwas, was ein Therapeut nicht immer schafft. Viele Fachleute und Pflegekräfte sahen verblüfft zu, während einige der Heimbewohner die ersten vollständigen Sätze aussprachen, die sie je von ihnen gehört hatten ... und diese Sätze sagten sie zu einem Hund.

      Viele Senioren umarmten Cody auch einfach nur und alle hielten irgendein Leckerchen für ihn bereit. Manche von ihnen kauften sogar eine Schachtel Hundekuchen nur für seine Besuche. Sie machten auf der Couch oder in ihrem Bett Platz für ihn. Sie redeten mit ihm, als wäre niemand sonst im Zimmer. Einige von ihnen, die unter Altersdemenz oder Alzheimer litten, hielten ihn für ihren eigenen Hund. »Bitte sorgen Sie gut für ihn. Ich vermisse ihn so«, hörte ich mehr als einmal. Ich versprach den Leuten jedes Mal, mich so um ihn zu kümmern, als wäre er mein eigener Hund.

      An einem glühheißen, schwülen Sommertag erlebte ich zum ersten Mal, wie Dakota mit Sterben und Tod umging. Annette war über neunzig, und sogar in der unerträglichen Hitze lag sie unter der Decke, weil sie ständig fröstelte. Zum Glück hatte ich einen 45 Kilo schweren Bettwärmer dabei. Cody beschnüffelte sie kurz und dann kletterte er ohne Aufforderung vorsichtig neben ihr aufs Bett. Da er so sanft vorging, ließ ich ihn machen. Er kuschelte sich an sie.

      Annette legte die Hand auf ihn und lächelte. Ich beugte mich hinunter, um ihre leise Stimme zu verstehen. »Er ist so warm«, sagte sie. »Er fühlt sich so gut an.«

      Ich lächelte ihr zu und legte meine Hand auf ihren Arm, um ihr zu zeigen, dass ich sie verstanden hatte. Wie ihr Gesichtsausdruck und ihre Stimme mir sagten, hatte sie ihren Frieden gefunden und wusste, dass jetzt alles in Ordnung war. Sie lächelte ein letztes Mal und schloss die Augen. Innerhalb von wenigen Minuten war Annette von uns gegangen - Dakota hatte ihr geholfen, ihre letzte Ruhe zu finden.

      ♦ ♦ ♦

      Wir machten im Namen der Paws for Caring eine Menge Besuche. Da ich mich um keinen Job mehr zu kümmern brauchte, hatte ich viel Zeit. Mir war klar, dass der wahre Star unseres Teams Dakota war und ich nur dazu da war, ihm die Besuche zu ermöglichen. Und es war mir eine Ehre.

      Als Cody in mein Leben trat, hatte ich mich aufs Sterben vorbereitet. Nun war alles anders. So wurde ich im Sommer 1996 von Paws for Caring dank Dakota zum Ehrenamtlichen Mitarbeiter des Jahres im Raum Houston ernannt. Ich hatte von Anfang an gespürt, dass Jan und die anderen Mitarbeiter bei Paws for Caring verstanden, wie stark ich von diesen Aktivitäten profitierte, und sie sorgten dafür, dass auch ich einen Vorteil hatte. Es funktionierte wunderbar für mich. Dakota war mein Lehrer und ich war sein Schüler. Er brachte mir bei, im Augenblick zu leben und jeden Tag, so wie er war, zu genießen. Allmählich verstand ich die Lebenseinstellung der Golden Retriever. Er lehrte mich bedingungslose Liebe, und das war die stärkste Medizin, die ich nehmen konnte. Und er erfüllte mein geschundenes Herz jeden Tag mit Freude.

      Ich hatte einen neuen Lebenssinn und ich war glücklich und produktiv. Es war noch gar nicht so lange her, dass ich überlegt hatte, wie ich mein Leben beenden könnte. Jetzt konnte ich morgens gar nicht erwarten, aufzustehen und mein Leben mit Dakota zu teilen - und ihn mit allen zu teilen, die ihn brauchten. Es war der Zeitpunkt, an dem ich anfing zu merken, dass Cody wirklich ein Schutzengel war, der keine Stunde von meiner Seite wich.

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