Der Engel an meiner Seite. David Frei

Der Engel an meiner Seite - David Frei


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Doch beim Versuch einzuschlafen hatte ich die letzten Worte von Nancy nicht abschütteln können. »Er ist wie du.«

      Vielleicht war das der Grund, weshalb Dakota am nächsten Morgen ein bisschen anders auf mich wirkte. Als ich in die Küche ging, um meinen Kaffee zu trinken, lag der Hund mitten im Wohnzimmer. Er hatte die meisten Spielsachen von Abbey vor sich aufgehäuft. Als er mich sah, wedelte er zwar mit dem Schwanz, doch er rührte sich nicht. Ich vermied seinen Blick, damit er mir nicht wieder den grünen Frosch ins Gesicht drückte.

      Nancy stellte mir einen Becher Kaffee hin. »Ich glaube, er hat schon auf dich gewartet«, sagte sie. »Er hat den ganzen Morgen über den Flur im Auge behalten und auch jetzt wendet er den Blick nicht von dir ab.«

      Oje! Schau ihn bloß nicht an, schau ihn bloß nicht an ... Aber ich konnte nicht anders. Ich blickte heimlich zu ihm herüber. Eine Sekunde später hatte ich ihn am Hals - wie wär’s mit ein bisschen Frosch zum Kaffee?

      »Guten Morgen, Dakota«, seufzte ich und kraulte seine Ohren, während er den Frosch auf meinen Schoß legte und daran knabberte.

      Beim Einschlafen hatte ich über seine Herzprobleme und das, was er durchgemacht hatte, nachgedacht. Was sagt man dazu? Gewöhnlich war ich zu sehr damit beschäftigt, wütend auf die Welt zu sein und in Selbstmitleid zu versinken, um einen Gedanken an die Probleme anderer zu verschwenden. Mir fiel wieder ein, was auf der Webseite der Delta Society stand: Tiere können Menschen mit geringem Selbstwert helfen, sich auf die Tiere statt auf sich selbst zu konzentrieren. Genau das passierte mit Dakota und mir: Statt über mich nachzudenken dachte ich nun über ihn nach.

      Doch ich war noch nicht sicher, ob wir jemals ein emotionales Band herstellen könnten. Einer der Gründe, warum ich bis jetzt mitgemacht hatte, war, um Dr. Attar loszuwerden, um ihr zu zeigen, dass mir kein Hund auf der Welt helfen konnte. Der Gedanke, sie könnte Recht haben, war mir zuwider ... doch ich wollte den Hund auch nicht mehr zu seiner Pflegestelle zurückbringen.

      »Wie verhält Abbey sich ihm gegenüber?«, fragte ich Nancy.

      »Die beiden lieben sich schon«, sagte sie. »Sie hat ihm jedes ihrer Spielsachen gebracht, das er sich noch nicht geholt hatte. Ich glaube zwar, sie legen noch die Grenzen fest, aber wenn er bleibt, hat sie damit kein Problem.«

      Ich warf den Frosch quer durchs Zimmer und Dakota brachte ihn sofort zurück. Den ganzen Morgen über hörte er nicht mehr auf, mit dem Schwanz zu wedeln. »Hast du schon mit Karen geredet?«, fragte ich Nancy.

      »Nein, aber wir sollten sie wohl anrufen und wissen lassen, wie es läuft«, erwiderte sie. Es klang wie eine Frage, so als wollte sie von mir hören, wie es lief.

      Dakota legte mir den Frosch auf den Schoß und stupste mich mit der Schnauze. Wieder warf ich das Plastikding und wieder brachte er es zurück. Ich war sicher, es würde ein endloses Spiel werden. Er sah mir direkt in die Augen und ich gab seinen Blick zurück. Hunde verwenden gern ihre Augen, um Dominanz zu etablieren, doch Dakotas Blick war einladend ... und ich sah etwas ganz Besonderes darin. Ich war zwar nicht sicher, was es war, aber ich fragte mich, ob ich es noch einmal sehen würde. Die Hundebox in der Küche, in der wir ihn vorgefunden hatten, fiel mir wieder ein. Ich betrachtete die Hundespielsachen, die Dakota in einem Haufen versammelt hatte, und dann sah ich ihn an.

      »Und was ist mit dir?«, fragte ich meine Frau. »Bist du bereit, noch einen von uns zu versorgen?«

      Nancy machte ein überraschtes Gesicht. Mich überraschten meine Worte genauso.

      »Ich habe mit der Sache nichts zu tun«, sagte sie und grinste. »Du weißt, was Dr. Attar gesagt hat: Dakota ist ganz allein dein Hund, mein Lieber.« Doch ihr Blick verriet mir, dass sie mir helfen würde ... und dass sie diesen Augenblick in vollen Zügen genoss.

      An diesem Morgen machten Dakota und ich unseren ersten Spaziergang. Als wir durch die Nachbarschaft gingen, betrachtete und beschnüffelte er alles genau und wedelte unablässig mit dem Schwanz. Es war ziemlich ruhig und wir gingen nur bis zum Ende des Straßenblocks und wieder zurück. Doch in der kurzen Zeit spürte ich deutlich, dass Dakota ein ganz besonderer Hund war.

      Als wir wieder zurückkamen, sagte ich zu ihm: »Wir sind zu Hause.« So einfach hatte ich mich in Dakota verliebt und nun würde er für immer bei uns bleiben. Ich rief Karen an und teilte ihr mit, dass wir ihn behalten würden. Wie sie prompt sagte, hatte sie von Anfang an gewusst, dass unser Zuhause genau das Richtige für Dakota sei.

      ♦ ♦ ♦

      Am Anfang war es einfach. Wie Dakota schnell herausfand, brauchte er nur den grünen Quiekfrosch anbringen und mir unter die Nase halten - und schon bekam er alles, was er wollte. Es wurde so schlimm, dass ich das alberne Ding noch nicht mal zu sehen brauchte - sobald ich es quieken hörte, griff ich nach der Leine und ging zur Haustür, wo Dakota schon auf mich wartete. Er benutzte auch den Frosch, wenn ich ihn füttern sollte, wenn er in den Garten hinaus gelassen werden wollte oder wenn ich unter die Couch kriechen sollte, um ein anderes Spielzeug für ihn zu holen. Er konnte sich ohne Vorankündigung von einer Nervensäge in einen treuen und liebevollen Hundekameraden verwandeln und genauso schnell wieder unausstehlich werden. Er hatte einen richtig guten Deal, und dabei hatte ich gedacht, er würde für mich arbeiten.

      Aber um fair zu sein: Er kümmerte sich auch um mich. Wenn es mir nicht gut ging, spürte er das. Dann legte er sich zu mir ins Bett und tröstete mich. Er konnte stundenlang still neben mir liegen. Ich kämpfte immer noch mit Herzproblemen (vor allem mit Angina-pectoris-Attacken) und Dakota half mir durch den Schmerz hindurch. Er ließ mich nicht mehr über irgendetwas wütend oder besorgt werden - dann kam er zu mir, forderte meine Aufmerksamkeit und lenkte mich von meinen Problemen ab. Das war ein Segen für Nancy, die dadurch von meiner Wut verschont wurde.

      Ich fing an, das Grundkonzept der Therapiehunde zu begreifen, das wir im Internet gefunden hatten. Jetzt verstand ich, dass Dakota mir half, mich zu entspannen und mich abzulenken - egal ob ich Schmerzen, Stress oder Depressionen hatte. Ich war zu sehr mit Dakota beschäftigt und hatte keine Zeit mehr für Selbstmitleid oder Pläne, wie ich mich am elegantesten umbringen konnte. Ein großer Teil der Therapie bestand aus körperlichen Aktivitäten: den Ball oder Frosch werfen, ihn streicheln, mich mit ihm auf dem Boden wälzen, ihn baden oder bürsten. All das waren Aktivitäten, die mir guttaten.

      Obwohl ich nun zu Hause meinen eigenen vierbeinigen Physiotherapeuten und Psychotherapeuten hatte, ging ich weiterhin zu Dr. Attar. Doch die Sitzungen waren nun ganz anders. Statt mich auf meine Wut und Hoffnungslosigkeit zu konzentrieren, erzählte ich ihr von Dakota und mir, wie wir miteinander auskamen und was wir zusammen unternahmen. Ich begann, mich auf meine Therapiestunden bei Dr. Attar zu freuen und es machte mir Spaß, Dakota mit ihr und allen anderen zu teilen. Dakota zerrte mich aus meiner Höhle und brachte mich zu mir selbst zurück.

      Unsere kurzen Spaziergänge bis ans Ende des Straßenblocks wurden ausgedehnter - bald stromerten wir durch das ganze Wohngebiet. Die Nachbarn fingen an, nach uns Ausschau zu halten. Wenn wir an einem Tag jemanden verpasst hatten, wartete er am nächsten Tag schon auf uns und wollte wissen, was passiert sei. Im August ließen Nancy und ich Dakota an der Hüfte operieren und deswegen fielen unsere Spaziergänge in der Nachbarschaft für ein paar Tage aus. Danach mussten wir tausend Mal aufs Neue erzählen, was der Grund für unser Ausbleiben war. Und dann wurde seine Rehabilitierung zu meiner Physio- und Psychotherapie. Immer wieder begegneten wir Leuten, denen ich von Dakota und der Rolle, die er in meinem Leben spielte, erzählte. Es war daher nicht überraschend, dass ich anfing, mehr über Dakota und weniger über mich zu sprechen.

      Mein Leben hatte sich deutlich geändert. Innerhalb von sechs Monaten setzte Dr. Attar meine Medikamente gegen Angstzustände ab. Ich funktionierte wieder und genoss mein neues Leben mit »Cody«, wie ich ihn nannte. Wir lebten eine wahre Lebensweisheit: Geteilte Freude ist doppelte Freude - geteilter Schmerz ist halber Schmerz. Wenn ich jetzt zurückblicke, stelle ich fest, dass ich damals anfing zu ahnen, wer in Wirklichkeit wen gerettet hatte.

      Es machte großen Spaß, Cody nur dabei zuzuschauen, wie er Hund war, und zu genießen, wie er im Hier und Jetzt lebte, ohne sich um die Vergangenheit zu scheren oder sich


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