Hexengruft – Abenteuer in Moorland. Ralph Müller-Wagner

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ist ja schon viertel nach fünf«, staunt Felix, als er auf das Display seines Handys schaut. »Wie schnell die Zeit vergeht. Bis Kienholz brauchen wir eine knappe Stunde. Werden also pünktlich zum Abendessen da sein. Mutter wird sich freuen. Sie hatte sich neulich schon gewundert, als du nicht länger bei uns geblieben bist. Aber sie weiß nichts von unserem Streit. Alles müssen die Eltern nicht wissen. Sie sagen ja auch nicht alles, oder?«

      »Stimmt genau, und ich glaube, denen ist es in ihrer Kindheit ähnlich ergangen. Nur, dass es eben eine andere Zeit war.«

      Felix nickt zustimmend. »Ja, mein Vater erzählte mir einmal, dass seine Kindheit sehr schön gewesen ist. Seine Eltern haben ihn im Sinne der Natur erzogen. Darum ist er vielleicht sogar Revierförster geworden. Doch er konnte ihnen auch nicht alles erzählen, weil sich gerade seine Mutter immer so aufgeregt hat. Er sollte der Beste sein. Nach diesem Prinzip haben sie ihn erzogen. Ich glaube, das hat Vater gar nicht so gut gefallen …«

      Abrupt bricht Felix ab, denn plötzlich raschelt und knackt es mehrmals im Unterholz, ganz in ihrer Nähe. Schwere Schritte sind zu hören. Dann ein furchtbarer Schrei, wie aus tausend Kehlen. Die Freunde schauen sich besorgt an. Felix geht in die Knie, zieht Sebastian mit sich runter und gibt ihm durch ein Zeichen zu verstehen, er soll bitte kein Wort sagen. Das Herz schlägt ihnen bis zum Hals. So sehr hat sie der Schrei erschreckt.

      Sebastian hält es doch nicht aus, flüstert Felix ins Ohr: »War das ein Tier oder ein Mensch? Aus welcher Richtung kam der Schrei? Bin völlig verwirrt …«

      Felix zeigt mit der Hand in südliche Richtung, wo der Wald dichter und dunkler wird. »Ein Mensch war es nicht«, flüstert er zurück. »Es klang eher wie Wild, vielleicht ein Reh. Kann mich aber auch täuschen.«

      »Und wenn es ein Mensch gewesen ist? Wie unheimlich! Mir schlottern vor Angst die Knie. Was machen wir jetzt?«

      »Bloß nichts überstürzen«, meint Felix besonnen, während er Sebastian mit einem Lächeln aufmuntert. »Wir warten, bis es ruhig ist. Dann sehen wir mal nach.«

      Der Freund schluckt. »Du willst hingehen?«, spricht er gleich wieder etwas lauter, so aufgeregt ist er.

      »Pst!«, ermahnt ihn Felix, während er seinen Zeigefinger vor den Mund hält. »Da keine Schüsse gefallen sind, kann es wohl auch kein Wilderer gewesen sein und Vater schon gar nicht. Der ist heute in einer ganz anderen Gegend.«

      »… und wenn es doch ein Wilderer war? Vielleicht hat der mit einem Messer zugestochen oder wie die Indianer mit Pfeil und Bogen geschossen. Gehen wir lieber nicht hin.«

      Nachdenklich blickt Felix den Freund jetzt an, denn er spricht Möglichkeiten an, die keinesfalls unreal sind. Doch will er nicht so recht daran glauben und lenkt leise ein: »Ich bin mir sicher, dass es kein Mensch war, welcher den Schrei verursacht hat. Demnach muss es ein größeres Tier gewesen sein. Es kommt aber nur ein Fuchs oder ein Luchs in Betracht, denn andere Wildtiere gibt es hier nicht.«

      »Und wenn sich ein Wolf verlaufen hat? Die hat man doch in Tirol schon gesichtet. Denk mal an Bruno, diesen Bären, der kam auch bis in unsere Wälder.«

      »Das war eine Ausnahme, Sebastian«, beruhigt Felix seinen Freund, obwohl ihm bei dem Gedanken die Haare zu Berge stehen. Aber nein, einen Bären kann er sich nun überhaupt nicht vorstellen. Man hätte davon schon lange erfahren. Vater wüsste es bestimmt als Erster.

      Fünf Minuten lang lauschen sie dann in das tiefe Waldstück hinein. Minuten, die ihnen wie Stunden erscheinen. Zumindest brauchen sich die zwei über Langeweile in den Ferien nicht zu beklagen. Das ganze Gegenteil ist der Fall. Bisher verlaufen sie eher spannend und abenteuerlich.

      Weitere aufregende Minuten verstreichen. Schließlich hält Felix den Zeitpunkt für gekommen, einmal nach zuschauen, was im dichten Unterholz des Kiefernwaldes passiert ist. Die Neugier hat ihn gepackt. Leichtfüßig geht er voran, Sebastian folgt ihm.

      Nach ungefähr zweihundert Metern haben sie den dunklen Kiefernwald erreicht. Es riecht ziemlich harzig und es ist auch kühler, als im anderen Teil des Waldes. Die Sonne strahlt nur spärlich durch das dichte Geflecht von Nadelzweigen. Aber wo sollen sie anfangen zu suchen? Da, wieder ein Geräusch, ganz in der Nähe. Als ob jemand einen Ast zerbricht.

      »Irgendwie fühle ich, wir werden beobachtet«, sagt Felix leise und blickt in Richtung des Geräusches.

      »He, was soll das, Felix! Ich mache mir fast in die Hosen und du gehst hier spazieren, als sei nichts geschehen.«

      »So ein Angsthase«, scherzt Felix etwas genervt. »Wir wissen doch noch gar nicht, ob was passiert ist. Reiß dich endlich mal zusammen, da lachen ja alle Hühner! Selbst Andrea ist nicht so ängstlich wie du.«

      Sebastian bekommt einen roten Kopf. Ist ihm schon peinlich, mit der kleinen Schwester von Felix verglichen zu werden. Er geht ein paar Schritte zurück, stolpert und fällt hart zu Boden. Als sein Blick zwischen die großen Farne schweift, schreit er laut auf: »Sieh doch, Felix. Ein Reh!«

      Tatsächlich! Auf den mit braunen Tannennadeln übersäten Waldboden, liegt ein niedliches Rehkitz. Ängstlich schaut das kleine Wesen Sebastian in die Augen. Es zittert am ganzen Leib, flüchtet jedoch nicht.

      Felix eilt herbei und wie er das schöne Tier so liegen sieht, da geht ihm sein Herz auf. Er bückt sich, um nicht all zu groß zu wirken und sagt liebevoll zu dem Kitz: »Aber was machst du denn hier? Wo ist denn deine Mama? Sie hat dich doch bestimmt nicht allein gelassen. Was ist geschehen?« Und zu Sebastian meint er: »Wir dürfen das Rehlein auf keinen Fall erschrecken. Es hat sich bestimmt ein Bein gebrochen, sonst wäre es lange geflüchtet. Seine Mutter steckt mit Sicherheit ganz in der Nähe, traut sich jedoch nicht, zu ihm zu gehen, weil wir hier sind. Eine schwierige Situation. Wir müssten das Kleine mit nach Kienholz nehmen. Vater wird es untersuchen. Fassen wir es jedoch an, wird seine Mutter es nicht mehr als eigenes Kind ansehen und im Stich lassen.«

      Das Kitz sieht Felix mit großen Augen an, als würde es seine aufmunternden Worte verstehen. Verhält sich jedoch weiterhin still und ängstlich.

      Entschlossen wählt Felix Vaters Nummer. Dann hellt sich sein Gesicht auf, als er endlich mit ihm verbunden ist und die Situation genau schildert. »Also, wir sollen bei dem Kleinen da bleiben, meint Vater. Er kommt gleich. Falls es nicht wieder laufen kann, ist es in der Wildnis verloren. Seine Mutter kann ihm dann auch nicht mehr helfen. Er will es mit nach Kienholz nehmen. Dort soll es Andrea pflegen. Andrea, immer wieder Andrea. Als ob ich das nicht auch könnte.« Ärgerlich steckt er sein Handy in die Gürteltasche zurück.

      »Ich denke, deine Schwester ist fortgefahren?«, wundert sich Sebastian, während er seine Augen nicht von dem Tier lässt, welches ihm sehr Leid tut.

      »Sie wird ja wieder kommen, diese kleine Petze. Bis dahin darf ich bestimmt einspringen. Ich kenne doch meinen Vater. Aber dieses Mal werde ich es nicht tun!« Ganz schön empört ist Felix und beleidigt obendrein.

      »Das wirst du natürlich nicht machen«, widerspricht ihm der Freund. »So ein süßes Reh muss man einfach lieb haben.«

      »Und wenn wir in Moorland sind?«, kommt es Felix in den Sinn. »Ich habe dem Gespenst schon fast ein Versprechen gegeben. Dieses habe ich bisher immer eingehalten!«

      »Was willst du eigentlich deinen Eltern sagen? Dass du mit mir eine Zeitreise machst? Die halten uns doch für Spinner!«

      Felix überlegt, bevor er antwortet. Daran hat er überhaupt noch nicht gedacht. »Ach die, die werden erst gar nichts davon erfahren«, stammelt er dann.

      Nach einer knappen Stunde ist Vater endlich da. Behutsam nimmt er das Reh in die Arme, dankt Felix für seine Weitsicht und dass er ihn um Rat gefragt hat. Sie brechen sofort auf.

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