So war es in der DDR und nicht anders. Gerd Leonhardt
Kraftwerke und weitere 1.100 km Eisenbahngleise. 6. Welle Frühjahr 1948. Bei dieser vorläufig letzten Welle wurden drei Betriebe, die vorher zu SAG-Betrieben erklärt worden waren, voll oder zum Teil demontiert, darunter Anlagen des Buna-Werkes in Schkopau (Sowjetische Aktiengesellschaften).
Von den Demontagen wurden oft auch solche Betriebe betroffen, die inzwischen durch die deutschen Arbeiter wieder in Gang gebracht worden waren. Der „Bremer Ausschuss für Wirtschaftsforschung“ gibt in seiner 1951 veröffentlichten Schrift „Am Abend der Demontagen“ u.a folgende Demontageverluste der SBZ im Vergleich zum Jahre 1936 an: Walzwerke 82 v. H., Eisenschaffende Industrie 80 v. H., Hohlziegelerzeugung 75 v. H., Zementindustrie 45 v. H., Papiererzeugung 45 v. H., Energieerzeugung 35 v. H., Schuhindustrie 30 v. H., Textilindustrie 25 v. H., Zuckererzeugung 25 v. H., Braunkohlenbergbau 20 v. H., Brikettfabriken 19 v. H.,´“
Im August des Jahres 1958 begannen Verhandlungen über die Rückkehr deutscher Kriegsgefangener. Dies haben die Menschen im Ostteil Deutschlands nicht Ulbricht, sondern Adenauer zu verdanken! Leider kam mein Vater nicht wieder. Da im Westteil der Marshallplan den Aufbau Westdeutschlands beschleunigte, hatte die Sowjetunion in Mitteldeutschland erst einmal jedes zweite Gleis der deutschen Reichsbahn ausgebaut und weggeschafft. Und die Hauptindustriegebiete befanden sich vor dem Krieg – außer dem Ruhrgebiet – vor allem in Sachsen und Sachsen-Anhalt.
Dennoch sollten die nächsten 10 Jahre für die nachwachsenden Musiker gute Zeiten werden. Die besten Musikinstrumente aus dem Erzgebirge und dem Vogtland konnten frei gekauft werden. Derweil begann die SED, sowohl die Privatwirtschaft als auch die fleißig arbeitenden Bauern langsam, aber immer intensiver zu attackieren. Die Entwicklung interessierte uns junge Burschen vorerst wenig, obwohl ich schon damals spürte, dass in unserem von Russen besetzten Territorium etwas nicht stimmte.
Ein Spruch war damals sehr beliebt unter uns Kindern. Die Frage lautete: „Was ist, wenn dein Schlüssel abbricht?“ Antwort: „Da ist der Bart ab“.
„Der Spitzbart muss weg“ – genau diesen Spruch haben wir bedenkenlos überall hingekritzelt. Ich verfügte schon als Kind ein grauenvolles und gnadenloses „Gerechtigkeitsgefühl“, und dieses brachte mich auch später oft in Bedrängnis.
Aber für mich gab es vorerst nur eines, und zwar ein Gitarrenlehrbuch kaufen und „bimsen“. Das ist sächsisch und heißt: Lernen, dass die Schwarte knackt. Mir schmerzten manchmal abends die Hände vom vielen Greifen. In der Schule war ich nicht ganz so fleißig. Ich habe mir nur in solchen Dingen Mühe gegeben, die mir Spaß machten.
Etwa so wie Karl May, der ja bekanntlich aus dem nahen Hohenstein-Ernstthal stammte und ähnlich wie ich öfters mal die Schule schwänzte. Erst im Jahr 1985 brachte es die totalitäre Führung der Betonkommunisten fertig, in dessen Geburtshaus ein Museum zu eröffnen. Karl-May-Bücher waren in der DDR ja verboten. Wie? Nein, das ist Tatsache! Ich besaß trotzdem eines – den vom Großvater „geerbten“ zweiten Band von Winnetou. Allerdings konnte ich noch mehr von denen lesen, denn bei meinen Großeltern im Haus nannte ein älterer Architekt fast alle Bände dieses großen sächsischen Sohnes sein eigen. Im Ernstfall wäre er alle Bücher los gewesen. Die kommunistischen Ereiferer verbrannten zwar diese Bücher nicht wie die NSDAP im Jahr 1933, doch sie waren ein Stachel im Geiste der „Freien deutschen Jugend“, wie die Kaderschmiede der SED genannt wurde. Ein jedes, was aus dem „Westen“ kam, war verboten! Alle sollten der FDJ beitreten. Weiterhin mussten viele in die lächerliche „Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft“ eintreten. Es war ekelhaft. Wir sollten die Rotarmisten ehren, und gleichzeitig wurde meine Klassenkameradin von Russen, wie sie von uns Kindern genannt wurden, vergewaltigt! Das Mädchen war derzeit zehn Jahre alt! Da wurde viel versucht, dieses Verbrechen zu vertuschen. Noch 1989, kurz vor unserer Flucht in die Freiheit, wurde die Tochter unserer Sängerin im Zeisigwald nahe Karl-Marx-Stadt von Russen vergewaltigt.
Wer sich weigerte, in bestimmte DDR-Organisationen einzutreten, wie: Junge Pioniere, FDJ, GST oder Ordnungsgruppen, machte sich bereits verdächtig. Ich wurde auch nur Mitglied der FDJ, weil alle Lehrlinge eintreten sollten. Nachdem ich merkte, dass es hierbei nur um Zahlen für die Meldung nach Ostberlin ging, war ich nach vier Wochen wieder draußen, indem ich das Mitgliedsbuch zerriss. Mein Verhalten konnte man schon als Eklat bezeichnen, und es war „dumm“ von mir, denn diese Daten wurden natürlich ohne mein Wissen gespeichert. So etwas ging nur wieder gutzumachen, indem man sich z. B später für drei Jahre freiwillig zur Nationalen Volksarmee verpflichtete. Danach standen dem korrekten DDR-Bürger männlichen Geschlechts logischerweise alle Türen offen.
Mein langjähriger Freund Gerold gehörte auch dazu. Er hat Hauer in den unmenschlichen Wismutgruben des Erzgebirges gelernt, in denen die Sowjetunion uns in Form von Reparationen das sächsische Uran entnahm.
Unser Uran
2 „Der Uranbergbau in der SBZ wird von der sowjetischen Wismut AG., seit 1.1.1954 angeblich zu einer deutsch-sowjetischen Aktiengesellschaft umgewandelt, betrieben. Die Sowjets schufen damit ein völkerrechtliches Novum, da erstmalig die Siegermacht eines Krieges ohne Fühlungsnahme mit früheren Verbündeten nach eigenem Ermessen in dem von ihr besetzten Gebiete die Bodenschätze als Reparationsleistungen ausbeutet. {...} 1. Erzgebirge und Vogtland mit den Hauptzentren in und um Aue, Johanngeorgenstadt, Falkenstein und Schneeberg; 2. Thüringen mit Hauptzentren um Ronneburg.
Die Zahl der im Uranbergbau beschäftigten Deutschen wird von der Wismut AG. streng geheimgehalten. Nach zuverlässigen Schätzungen betrug der Beschäftigungsstand bei der Wismut AG. im Herbst 1951 etwa 225.000.´“
Viele Bergschadengebiete im Erzgebirge sind durch den Uranbergbau noch heute zu sehen. (Aue, Johanngeorgenstadt, Falkenstein, Schneeberg, Ronneburg und andere.)´“
Nach der Lehre in den Wismutgruben verpflichtete sich mein Kindergartenfreund Gerold für drei Jahre zur Marine nach Peenemünde. Als er entlassen wurde, bekam er einen Posten beim Stadtbezirksbüro als „Kulturreferent“ – einem typischen, subventionierten „Sinnlosberuf“ der DDR. Davon gab es viele Zehntausende im Terrorstaat DDR. Man besucht mal den Tierpark, fragt nach Problemen, die es ohnehin immer gab. Oder es wurde ein neuer Jugendclub eröffnet, wo er den Leitern mitteilte, was die neuen politischen Vorgaben sind. Mein Freund konnte das nicht lange durchstehen, da wir alle eine andere Meinung hatten gegenüber der kommunistischen Diktatur, die sich immer weiter herauskristallisierte.
Trotzdem muss ich sagen, in der einstmaligen DDR haben wir eine gute Allgemeinbildung erhalten. Beim Betrachten der heutigen Pisaergebnisse, wird mir schlecht. Selbst angeblich gebildete Studenten in den „Fernsehgewinnshows“, die gar die einfachsten Fragen nicht beantworten können, beweisen, dass die Allgemeinbildung in Deutschland rapide auf dem Rückzug ist. Da bin ich ja noch froh, dass neben den Bayern die Sachsen, Thüringer und Baden-Württemberger die „Spitze“ bilden. Aber auch sie erbleichen gegenüber den Leistungen von Finnland oder Südkorea zum Beispiel. „Der Staat ist nun mal das Eben- und Leitbild der politischen Führungselite“ Und da wird es, dank linker Schulpolitik in Deutschland, in den nächsten Jahren noch viel schlechter werden.
Leider waren die politische Verblödung und dazu das sinnlose Lernen der Russischen Sprache vollkommen fehl am Platze. Ein einziges Mal konnte ich meine russischen Kenntnisse anwenden. Bei einem Spaziergang auf dem Karl-Marx-Städter Brodway, der „Straße der Nationen“, sprach mich ein junger Rotarmist an, der gerade vom Hauptbahnhof kam und zu seiner neuen Garnison wollte. Ich konnte ihm fast fließend mitteilen, welche Straßenbahn er zu nehmen hatte. Etwa so, wie sich Angela Merkel mit dem ehemaligen Dresdner „Stasilehrling“ Putin unterhält. Ich wäre froh gewesen, man hätte mir Französisch beigebracht, zumal meine Großmutter aus der französischen Schweiz stammte und mein Großvater in Straßburg geboren wurde.
Inzwischen lernte ich erst einmal weiter Gitarrespielen ohne Lehrer, denn das Geld dafür konnte meine fleißige Mutter, die zwei Jungen versorgen musste, nicht aufbringen. Doch das war ein Vorteil unserer Generation. Wir hatten kein Fernsehen. Das Fahrrad wurde mit Teilen vom Schuttabladeplatz zusammengebaut. Während der Schulferien trieben wir die Kühe aus, natürlich für Geld, und zum Essen fanden wir genug in fremden Gärten. Es gab auch eine neue Wurstsorte, die von Nikita Chruschtschow