So war es in der DDR und nicht anders. Gerd Leonhardt

So war es in der DDR und nicht anders - Gerd Leonhardt


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      Für die jungen Leute von damals war es eine harte Zeit. Man musste einfach durchhalten, wenn man ein gewisses Ziel vor den Augen hatte. Wir wollten genauso frei Musik gestalten wie Musiker im anderen Teile Deutschlands. Nur hatten wir entschieden schlechtere Voraussetzungen, aber das machte uns hart!

      Musik

      3 „Nach der in der DDR maßgebenden sowjetischen Musikauffassung kann „... das Wesen der Musik unmöglich im inhaltlosen Spiel reiner Klangformen bestehen ... sondern darin, die Vielfalt der Wirklichkeit in das Musikgestalten einfließen zu lassen. Musik, in diesem Sinn aufgefasst, spiegelt nicht nur Wirklichkeiten, sondern vermag auch aktiv in die Lebenszusammenhänge einzugreifen und somit zur Veränderung und Umgestaltung der gesellschaftlichen Zustände beizutragen.“´

      Dies war für jeden Musikbegabten „leicht und verständlich“ zu verstehen. Hier hat man versucht, die Normen des sozialistischen „Realismus“ auch in der Musik aufleben zu lassen. Man wollte keinen Beat für die Jugend, sondern Klassik mit Paul Dessaus „Herrn Puntila und seinem Knecht Matthi“. Disharmonien statt melodischen Beat. Schmerzende Intervalle, damit jeder drauf hört! Nicht umsonst hat dieser Herr seinem Namen große Ehre gemacht. An seinem Haus soll gestanden haben: „Bissiger Hund“, und dies, obwohl er gar keinen Hund besaß. Böse Zungen sprachen von ihm als „Des-Sau“ oder Cis-Schwein“, und gar viele Sänger hatten Mühe; selbst erlebt in Karl-Marx-Stadt, die „schönen“ schrägen Intervalle sauber zu singen. Natürlich nur mit mäßigem Erfolg oder nur dort, wo es wirkte. Im Sprechtheater ging das Anliegen voll auf. Es gab eine Reglementierung, so dass der überwiegende Teil jener Stücke, die aufgeführt wurden, aus der Sowjetunion stammte. Einzig und allein mit dem Resultat, dass die gebildete Bevölkerung diesen Aufführungen fernblieb. Selbst hier wusste die SED-Führung sich zu helfen. Besonders in den größeren Städten wurden so genannte „Theaterringe“ gegründet. Die Schulen wurden zu monatlichen Theaterbesuchen mit den Kindern zwangsverpflichtet. Aber auch der Normalbürger konnte sich in so einem „Theaterring“ einkaufen. Für die Schüler war es sozialistische Bildung, und die Erwachsenen sorgten unbewusst dafür, dass die Aufführungen der ungeliebten russischen Stücke nicht im Abseits standen, sondern ebenso „gut“ besucht waren wie der „Freischütz“ von Karl Maria von Weber. Das Theateranrecht musste für das ganze Spieljahr gekauft werden, und wer bestimmte Bühnenwerke nicht sehen wollte, hatte somit für das Zuhausebleiben bezahlt. Natürlich waren die Preise lächerlich niedrig im Gegensatz zu den heutigen!

      Doch das Musiktheater in der DDR konnte sich schon frühzeitig sehen lassen. Da dieser Apparat ein reines Subventionsmonster war, vermochte der Staat aus dem Vollen zu schöpfen. Schon bis zum Bau der Berliner Mauer gab es in der DDR Vorzeigetheater von höchstem Niveau. Zu nennen wären Institute von großer Tradition, wie das Leipziger Gewandhaus, die Dresdner Philharmonie, die Berliner Staatsoper, der Thomaner- und Kreuzchor und viele andere Staatstheater. Insgesamt 39 Sinfonie- und Kulturorchester, 47 Theater- und 3 Rundfunkorchester existierten. In der Klassik hatte die Staatsführung ihr Ziel erreicht! Anders verhielt es sich bei der „einfachen“ Schlagermusik. Hier versuchte man durch das Erich-Weinert-Ensemble, also dem Berufschor der DDR-Grenztruppen, den sozialistisch geschulten Nachwuchs zu fördern. Mit Frank Schöbel und anderen ist das Unterfangen ganz gut gelungen, aber es war eben nicht jene Musik, die den Großteil der damaligen Jugend zu dieser Zeit ansprach. Siehe diese Noten und deren Tempo:

      Genau das war ein „Spitzenschlager“ der DDR. Langweilige Schlafwagenmusik! Obwohl eine schöne Melodie, jedoch für „unsere Bühne“ und „unser Publikum“ vollkommen ungeeignet.

      Mit dem Volkeigenen Betrieb „Amiga“ versuchte man, die aktuellen Schlager der DDR zu vermarkten. Dieses Vorhaben gelang nur bedingt, denn dort durfte nur derjenige eine LP machen, der auch das nötige sozialistische „Niveau“ aufwies. Das hieß erstens: Der Text muss den Normen der „sozialistischen Moral“ entsprechen. Zweitens: Die Musik darf keine westliche Orientierung aufweisen (Rock´n Roll/Beat). Drittens: Der Künstler muss Absolvent einer der Musikhochschulen sein oder zumindest eine gute politische Schulung vorweisen. Ja, und viertens: Er muss auch musiktheoretisch über die adäquate Bildung verfügen. Wer dann noch in die „Amigastuben“ hineinwollte, brauchte sehr, sehr gute Beziehungen zur politischen und musikalischen Nomenklatura.

      Man steckte in der Klemme, und das Fenster, aus welchem man sich zu weit hinausgelehnt hatte, war aufgeschlagen. Wir sollten doch eine „Freie Jugend“ sein! Das Nachspielen der Musik – ich vermeide englische Worte, da ich in Deutschland geboren bin – der Beatles, Rolling Stones und aller anderen emporkommenden Bands wollte man in der DDR radikal verbieten!

      Wie schon anfangs erwähnt, wurden vielen Bands aus verschiedenen fadenscheinigen Gründen die Auftritte verwehrt. Man suchte in Abrechnungen kleinliche Fehler, sprach ein Verbot aus, weil die Truppe „Totenkopfschauen“ veranstaltet hatte. (Nichts anderes als beleuchtete Faschingsmasken). Ja, oder man hielt sich nicht an die vorgegebenen Regeln betreffs 60 Prozent zu 40 Prozent. Das schlimmste Vergehen aber waren aber die Buchstaben „VE“. Dies bedeutete „Verbotene Einfuhr“ und betraf einige Jahre lang alle Titel der Rolling Stones, als Beispiel genannt, oder Titel mit „unsozialistischem Text“ bzw. antikommunistischer Ausfälle anderer Bands aus der freien Welt. Die Leidtragenden waren u. a. die Butlers, die Sputniks, Band Meißen, die Swingenden Gitarren oder Klaus Renft. Mehrere Hundert Gitarrengruppen in der DDR wurden damals verboten. Ausschlaggebend sollte damals der im Jahr 1965 stattfindende Auftritt der Rolling Stones auf der Waldbühne gewesen sein, so munkelte man damals in gewissen Kreisen. Allzu sehr half dieses Gebaren nicht, denn jene Bands, die dauerndes „Auftrittsverbot“ bekamen, formierten sich neu unter neuem Namen. Amen! Das Paradoxon daran war, dass es die ersten Titel der Beatles „Little child“, „And the sweet“, „The cry and for shadow“ u. a. kurz darauf plötzlich als 45er Single zu kaufen gab. Leider hielt die Freude nur ein paar Wochen an, dann hatten die Genossen alles aus den Schaufenstern verbannt. Apropos Beatles – auch später, als man wieder etwas normal im Oberstübchen wurde, hat es in der DDR nicht eine einzige LP von den Beatles oder den Rolling Stones gegeben! Wohl aber wurden sie teilweise in den „sozialistischen Bruderländern“ verkauft. Die damalige privilegierte Theo-Schumann-Combo löste dieses Problem anders, und zwar mit Duldung der „Freunde“ in Ostberlin. Man übernahm den Titel der Stones, „The last time“, und fabrizierte daraus den DDR-Schlager „Das kann doch nicht wahr sein“. Also verbotene Musik mit genehmigtem Text. Die „Lumanns“ waren allesamt Absolventen der Musikhochschulen und hatten in der DDR zeitweise einen hohen Beliebtheitsgrad. Knackige Passagen für Gitarristen und Bassisten. Da hat sich in der „Repube“ so mancher die Finger „gebrochen“ beim Nachspielen. Vom musikalischen Können her waren sie besser als viele „Spitzenwestbands“. Doch der Gesang blieb schwach, und das „ordentliche Auftreten“ war nicht sehr beliebt.

      Durch die ständigen Verbote wurde die Beatkultur bewusst klein gehalten, und nur die Linientreuen vermochten sich frei zu entfalten. So konnten sich Formationen wie die Pudhys, die sich anpassten, einen steilen Aufstieg machen. Ebenso wie Karat, Lift u. a. Aber trotz aller Bemühungen wurde die DDR diesbezüglich völlig überrannt. In Ungarn gab es die Omegas und in Polen die Roten Gitarren. Diese beiden spielten die Beatgruppen hier an die Wand, wofür jene jedoch nichts dafür konnten. Man durfte ja nicht richtig!

      „In der „DDR“ kann jeder werden, was er will“. So lautete ein Spruch der SED, und ich füge hinzu: „Jeder kann werden, was er will, ob er will oder nicht!“ Die Berufswahl verlief ganz einfach. Man ging zu einem „Beratungsgespräch“ in das Rathaus, und dort wurde jedem jungen Menschen, der einen Beruf erlernen „musste“, gesagt, welche Möglichkeiten es gerade noch gab. Natürlich adäquat zu den Zeugnissen. Ich wollte in einem Musikgeschäft Verkäufer lernen. Es existierten noch zwei Privatgeschäfte in meiner Stadt, aber ohne die Möglichkeit, dort jemanden ausbilden, und dies aus den allseits bekannten Gründen. Also sagte man mir: „Wir haben noch einen Platz als Pelztierzüchter, das ist einmalig in der DDR. Da wird viel


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