Novembertod. Iris Leister

Novembertod - Iris Leister


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      Iris Leister

      Novembertod

      Kappes fünfter Fall

      Kriminalroman

      Jaron Verlag

      Iris Leister, geboren in Berlin, ist freie Autorin und Dozentin für Prosa- und Drehbuchschreiben. Sie war jahrelang Stammautorin eines interaktiven Hörspielkrimis und schrieb Drehbücher für TVSerien und Kinofilme. Darüber hinaus veröffentlichte sie diverse Kurzgeschichten in Zeitschriften und Anthologien.

      Originalausgabe

      2. Auflage 2012

      © 2008 Jaron Verlag GmbH, Berlin

      1. digitale Veröffentlichung 2013 Zeilenwert GmbH

      Alle Rechte vorbehalten. Jede Verwertung des Werkes und aller seiner Teile ist nur mit Zustimmung des Verlages erlaubt.

      Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Medien.

       www.jaron-verlag.de

      Umschlaggestaltung: Bauer + Möhring, Berlin

      Satz: LVD GmbH, Berlin

      ISBN 9783955520045

      Inhaltsverzeichnis

       Cover

       Titelseite

       Impressum

       Samstag, 9. November 1918

       Sonntag, 10. November1918

       Samstag, 16. November 1918

       Sonntag, 17. November 1918

       Montag, 18. November 1918

       Dienstag, 19. November 1918

       Mittwoch, 20. November 1918

       Donnerstag, 21. November 1918

       Samstag, 23. November 1918

       Montag, 9. Dezember 1918

       Dienstag, 10. Dezember 1918

       Freitag, 13. Dezember 1918

       Mittwoch, 18. Dezember 1918

       Donnerstag, 19. Dezember 1918

       Freitag, 20. Dezember 1918

       Montag, 23. Dezember 1918

       Dienstag, 24. Dezember 1918

       Es geschah in Berlin …

      AM 9. NOVEMBER 1918 - sieben Tage, bevor Heinrich von Brettin erschossen werden würde - standen Hermann und Klara Kappe vor den stumpfen Schaufenstern des Kaufhauses Wertheim am Moritzplatz und spielten das Spiel.

      «Was meinst du - dahinten, das Seidenkleid in Altrosa?» Kappe sah Klara an. Hochschwanger, den Rücken durchgedrückt, stand sie neben ihm. Über ihrer Kluft aus seinen langen Unterhosen und ausgemusterten Militärunterhemden spannte sich das alte Reformkleid, das sie von ihrer Freundin Margarete geschenkt bekommen hatte. Darüber trug sie die beiden größten Pullover Kappes. Die Strickmaschen dehnten sich fast bis zum Zerreißen. Klaras Mantel klaffte offen. Sie war blass und hatte Augenringe, die aussahen wie gestempelt. Kappe wandte sich wieder den Auslagen zu. Sie waren leer.

      «Das Kleid bekommst du zu Weihnachten. Und dann gehen wir zusammen ins Café Bauer.»

      «Weihnachten ist das Kind da.» Sie sagte das mehr zu sich selbst. «Jetzt bist du dran.»

      Vor Wertheim zu stehen und die gähnende Leere hinter den Schaufenstern mit ihren Träumen zu füllen war Klaras Spiel. Kappe spielte es mit, denn es lenkte sie beide für eine halbe Stunde von ihrer Rastlosigkeit ab. Außerdem war es gut, um für kurze Zeit den Hunger und die Trostlosigkeit, die mit dem Krieg gekommen waren, zu vergessen.

      Kappe überlegte. Endlich fiel ihm etwas ein: «Der Präsentkorb hier vorne. Der mit der Gänseleberpastete. Den kaufen wir gleich, wenn sie aufmachen.» Klaras Magen knurrte. Seit Tagen hatten beide nichts als Wassersuppe gegessen. Kappe bereute seine Idee sofort.

      «Ach Hermann, ein Walfisch wie ich braucht doch nichts zu essen.» Sie nahm seine Hand. Er war froh, dass sie lächelte.

      «Ich könnte auch ein bisschen weniger vertragen.» Kappe legte Klara den Arm um die Schulter. «Komm. Die Öfen sind sicher bald durchgeheizt.»

      Es war sieben Uhr morgens. Noch waren die Kreuzberger Straßen leer; es war die einzige Zeit, zu der Klara sich nach draußen traute. Seit zwei ihrer Freundinnen und ein Mann aus dem Nachbarhaus an der Spanischen Grippe gestorben waren, mied sie jede Menschenansammlung. Sie konnte seit Monaten nicht mehr richtig schlafen und wäre ab halb fünf Uhr morgens rastlos durch die kalte Wohnung getigert, wenn Kappe nicht die Idee mit den Morgenausflügen in die noch schlafende Stadt gehabt hätte. Tagsüber quoll Berlin über vor Menschen. Täglich trafen neue Kriegsheimkehrer ein. Es wurde immer enger.

      Kappe und Klara gingen vom Moritzplatz in die Neanderstraße. Klara trug ihren Bauch vor sich her wie ein Fass. Ihr Körper war so angeschwollen, dass sie sich nicht mehr alleine ihre Schuhe anziehen konnte. Ihren Ehering hatte sie schon lange abgelegt, weil ihre Finger zu dick wurden.

      Kappe dachte an den heutigen Morgen. Er war wie immer zähneknirschend mit Klara aufgestanden. Die Wohnung war völlig ausgekühlt, weil es schon lange nicht mehr genug Brennmaterial gab. Nachdem er sich mehrere Schichten aus langen Unterhosen, Hosen und Pullovern angezogen hatte, hatte er die Küchenmaschine mit den letzten Holzresten angeheizt und den Ersatzkaffee aus Zichorie aufgesetzt. Als er fertig war, hatte er Klara in der Wohnung gesucht. Er hatte sie im Schlafzimmer gefunden, wo sie reglos vor den polierten Türen ihres Kleiderschranks stand. Kappe hatte sie still beobachtet. Sie hatte ihr Spiegelbild in den blankpolierten Türen des Schranks betrachtet, sich langsam hin und her gedreht, die Handflächen flach an ihren Bauch gelegt und sich auf die Unterlippe gebissen. Sie hatte die Frau, die ihr blass und unförmig


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