Planetenschleuder. Matthias Falke

Planetenschleuder - Matthias Falke


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mit erloschenem Blick vor sich hin. Reynolds hatte das Kinn in die Faust gestützt und eine Pose angestrengten Nachdenkens eingenommen.

      Das Schiff war jetzt ruhig. Lautlos lag die MARQUIS DE LAPLACE auf ihrer Bahn im Neptun-Orbit. Die Feldgeneratoren summten leise vor sich hin. Alles war friedlich. Die Situation schien unter Kontrolle.

      Eines hatten Frankels weitschweifige Erklärungen nicht erklärt: Wie hatte der Treffer selbst, der uns in diese missliche Lage gebracht hatte, passieren können. Wieso war der Anflug des ersten Asteroiden von den damals unzerstörten Instrumenten nicht gemeldet worden?

      Ich sah Reynolds an. Er legte mir die Hand auf die Schulter und schob sich dicht an mich heran.

      »Es gäbe eine Erklärung für All das«, knurrte er hinter vorgehaltener Hand. »Sie mag unwahrscheinlich klingen, und sie wäre in der Tat wenig erbaulich, aber ...«

      Ich brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. Wir haben uns nicht immer gut verstanden. Bis jetzt haben wir uns noch bei jeder Mission zusammengerauft, und ich weiß, dass ich mich, wenn es hart auf hart kommt, zu einhundert Prozent auf ihn verlassen kann. Andererseits nervt sein Getue, sein Bescheidwissertum, seine Marotte des »Jetzt erkläre ich euch mal schnell die Welt«. Ich würgte das ab. Unsere Aufmerksamkeit wurde von Jennifer auf sich gezogen, die sich mit einem Ruck aufrichtete und mit der flachen Hand auf die Konsole schlug. Schwer zu sagen, ob das eine Geste der Resignation oder des Triumphes war.

      »Was ist los?«, fragte ich.

      Selbst Frankel auf der anderen Seite des Schirms zog interessiert die Brauen hoch. Dann tippte er etwas auf einem seiner Monitore.

      »Das Deepfield-Radar kommt wieder«, rief Jennifer aus. »Die Automatik hat die Scanner der hinteren Segmente synchronisiert. Außerdem greift sie auf die Kapazitäten der vier Enthymesis-Explorer zu.«

      »Die«, schmunzelte ich, »verdutzt in ihren Hangars im Großen Drohnendeck stehen und sich fragen, was das hier in der Etappe für eine Unruhe ist.«

      »Reichweite und Auflösung entsprechen nicht ganz dem Deepfield, wie wir es gewohnt sind«, sagte Jennifer, die mir fröhlich zulächelte und mit einem Auge weiter die herunterratternden Anzeigen mitlas, »aber wir haben doch wieder ein halbwegs scharfes Sensorium.«

      Auch Frankel wirkte sehr zufrieden. Er beugte sich über einen seiner Rechner und verschwand dadurch aus dem Bild. Nur noch sein gekrümmter Rücken und seine rechte Schulter waren als weiße Hügellandschaft am unteren Rand des Monitors zu sehen. Im Hintergrund ging Rogers erregt hin und her und sprach wie wild auf den Kommunikator ein.

      »Tolle Leistung«, rief ich übermütig in den Schirm. »Gratulation an Ihre Truppe!«

      Er hielt für einen Moment auf seiner Wanderung inne, starrte mit stechendem Blick herüber und hob die Hand zu einer Geste, die genauso gut »Keine Ursache« wie »Leck mich!« heißen konnte. Dann redete er auf dem geschlossenen Kanal weiter.

      »So weit so gut«, strahlte Jennifer. »Jetzt haben wir immerhin wieder einen gewissen Überblick. Das ist in einer Situation wie dieser gar nicht zu ver ...«

      Sie stockte mitten im Wort. Ihr Blick wurde starr und sonderbar saugend. Als sei ein physischer Kontakt zwischen ihrem Auge und dem Monitor geknüpft, der nun langsam verstärkt wurde, neigte sie sich an die Konsole heran.

      »Wie es aussieht, haben wir wieder ein Bild«, sagte ich.

      Auch Reynolds, der die Daten an einem anderen Schirm mitverfolgte, bekam plötzlich ganz spitze Lippen und eine hohe Stirn.

      »Was ist denn los?«, wimmerte Jill. »Ihr kuckt auf einmal so wie ...«

      Die Suche nach dem passenden Wort wurde ihr abgenommen.

      »Wieder was im Anflug«, brummte Jennifer.

      »Verdammte Scheiße«, hörten wir einen von Dr. Frankel ungewohnten Fluch, ohne dass wir den stellvertretenden Leiter der Planetarischen gesehen hätten.

      »Was?«, fragte ich.

      Ich sah nur Zahlenkolonnen über die Konsolen rasen.

      »Moment.« Jennifer klang, als würde sie gleichzeitig rauchen und Nägel kauen. »Die Daten kommen verzögert rein. Sie müssen erst compiliert werden.«

      »Und warum dauert das so lange?«, entfuhr es mir. »Die Kapazitäten eines ganzen Schiffes! Da wäre Onkel Lu mit seinem Abakus schneller!«

      Auf dem großen Schirm wurde Frankel sichtbar, der sich abrupt aufrichtete und sich verstört nach Dr. Rogers umsah. Der hatte jetzt ebenfalls mitbekommen, dass etwas nicht stimmte. Er feuerte den Kommunikator auf eine der Konsolen und kam mit einschüchternden Schritten auf seinen Stellvertreter zugestiefelt. In seinem Blick, den er durch den Schirm auf uns abfeuerte, lag etwas wie »Das habt ihr jetzt davon«. Dann tauchte auch er unter den Bildausschnitt hinab, als er sich neben Frankel über dessen Bedienplatz beugte.

      »Was ist denn jetzt?!«, brüllte ich, wohl wissend, dass sich Jennifer durch meine Tobsuchtsanfälle noch weniger beeindrucken ließ als durch diejenigen unseres gemeinsamen Vorgesetzten.

      Einige quälende Sekunden vergingen. Es war still. Die Feldgeneratoren säuselten. Die Rechner klickten und surrten leise vor sich hin. Vier Menschen im Servicemodul und zwei weitere, die fünf Kilometer entfernt waren, atmeten schwer.

      »Hier!«

      Jennifers Ausruf war wie ein Vogelschnabel, der nach einer Made hackt. Sie deutete auf einen grün hervorgehobenen Eintrag, der rasch vorüberratterte.

      »Nummer vier«, hörten wir Rogers knurren.

      »Ein Meteorit«, bestätigte Jennifer.

      »Haben wir ein Bild?«, fragte ich.

      »Noch nicht«, sagte Jennifer. »Und es wird wohl auch schwer werden, eins zu bekommen. Aber wir haben eine Bahnberechnung.«

      Wie über den Gartenzaun hinweg schielte sie auf den großen Schirm, wo Rogers und Frankel sich jetzt erhoben hatten und ungute Blicke miteinander tauschten. Frankel kaute auf der Unterlippe und schob die Zunge im Mund herum, als sei sie etwas, das er am liebsten ausgespuckt hätte. Er zog die Augenbrauen hoch und ließ sie dann wie eine überschwere Last wieder herunterfallen. Sein Ausatmen kam so gequält über den Kanal, dass ich glaubte, seinen Atem im Gesicht spüren zu können.

      »Ein Eisenmeteorit«, sagte er. »Er zielt genau auf unseren Rumpf.« Er ließ ein Holo-Bild der MARQUIS DE LAPLACE auf dem Schirm erscheinen. »Hier. Zentral auf Segment IV.«

      Ich betrachtete die grünschimmernde Grafik, auf die ein rubinroter Lichtstrahl zustach und sich mitten durch das bohrte, was bei einem sehr großgewachsenen Menschen der Brustkorb gewesen wäre. Genau auf unser Herz.

      »Was soll das heißen«, greinte Jill, »er zielt?«

      »Das war nur eine Redensart«, wischte Rogers sie von der Bildfläche. Dann wandte er sich an Frankel und katechisierte ihn mit schnell hintereinander abgeschossenen Fragen, während er uns ignorierte. Frankels Auskünfte waren ernüchternd. Alle möglichen Fehlerquellen waren ausgeschlossen worden. Die Toleranz, die in der Berechnung der Bahndaten enthalten war, gestattete keinen Spielraum für Hoffnungen.

      »Wie viel Zeit bleibt uns?«, wollte Rogers wissen.

      »Was sollen wir jetzt tun?«, jammerte Lambert vor sich hin. »Wir können uns ja nicht mehr rühren.«

      »Wir stehen gefesselt am Marterpfahl«, nickte Reynolds, dessen Vorliebe für zynische Bilder mir neu war, »und müssen einen Treffer nach dem anderen einstecken.«

      »Nicht alle durcheinander«, sagte Jennifer, die sich über ihre Konsole hermachte wie über ein italienisches Nudelgericht. Ohne uns anzusehen, hob sie die Hand in dem Versuch, uns zum Schweigen zu bringen. Trotzdem redete jeder weiter vor sich hin.

      »Vielleicht«, schien Frankel laut nachzudenken, »war es ja doch keine bloße Redensart. Mit rechten Dingen geht das jedenfalls nicht zu.«

      »Wie meinen Sie


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