Die Welt der Illusionisten. Eberhard Saage
ein?«, fragte ein Großunternehmer, »wer ›Die Anderen‹ führt, will sich ja wohl auch anders verhalten?!«
»Bitte, Herr Neumann.« Der Gastgeber forderte einen Referenten auf, dazu Stellung zu nehmen.
»Ich verweise auf einen besonderen Punkt in seiner Vita, auf seine Tumorerkrankung. Die hätte ihn sehr verändert, berichteten meine Mitarbeiter. Seitdem würde er nach Erfolg und Aufstieg gieren. Er wünsche sich, dass einmal etwas von ihm bleiben würde.«
Ein Gelächter unterbrach ihn.
»Ja, tatsächlich, das bewies ja auch sein Verhalten auf diesem Gründungsparteitag.«
»Und was schlagen Sie deshalb vor?«
»Um den ersten Kontakt zu ihm zu bekommen, brauchen wir ein Thema, das nicht einmal sein Vorstandskollege, dieser Haberecht, ablehnen könnte.«
»Also?«
»Darauf hat Herr von Söben gerade angespielt. Wir sollten ihn zur Inbetriebnahme dieser ersten großen Windkraftanlage einladen, die manchen ja schon als echte Alternative zu Atom- und Kohlekraftwerken gilt. Diese Einladung wird er annehmen, muss er annehmen.«
Der Gastgeber blickte in die Runde: »Einverstanden?«
Keiner widersprach.
»Gut, dann machen wir das so.«
Er gab dem Koch, der schon ungeduldig wartete, ein Handzeichen. »Damit kommen wir zur Gänseleber mit Gewürzaprikosen. Dazu wird ein vorzüglicher, 50 Jahre alter Dessertwein gereicht.«
Joseph Adam wartete in seinem Auto neben der weit einsehbaren Straße, bis die Begleitfahrzeuge der Polizei ihm die Ankunft des Ministerpräsidenten ankündigten. Deshalb erschien er fast gleichzeitig mit dem zur Inbetriebnahme der Windkraftanlage und wurde von ihm vor allen Augen per Handschlag begrüßt.
Während der Ansprache des Ministerpräsidenten stand er in der ersten Reihe, und als der den roten Knopf gedrückt hatte und sich das riesige Windrad in Bewegung setzte, hielt ihm ein Reporter sein Mikrofon unter die Nase.
»Ein historischer Tag«, sagte Joseph, »da stimme ich dem Redner zu, hier und heute beginnt die energiepolitische Zukunft.«
»Aber, gestatten Sie einen Widerspruch, Herr Adam, die Kosten für den Windstrom sind doch riesig, der ist doch absolut nicht wettbewerbsfähig. Diese Anlage wird dem Steuerzahler auf der Tasche liegen.«
»Noch«, meinte Joseph zuversichtlich, »noch! Es ist ja auch eine Versuchsanlage. Wir werden mit ihr viel lernen und es später besser machen.«
»Glauben Sie, dass diese Technologie eine Zukunft hat?«
»Ja, davon bin ich fest überzeugt, denn wir brauchen Alternativen zu den herkömmlichen Kraftwerken. Dass wir gegen die Atomkraftwerke sind, brauche ich Ihnen ja nicht zu erklären. Aber auch die Verbrennung fossiler Energieträger können wir uns nicht ewig leisten. Der Anstieg des Kohlendioxidgehaltes in der Atmosphäre wird bedrohlich.«
Diesen Satz hätte Joseph selbst vor wenigen Monaten noch nicht ausgesprochen, aber eine kleine Zeitungsnotiz hatte seine Meinung verändert.
Magda hielt ihm die Zeitung hin und fragte: »Hast du das gelesen?«
»Was?«
»Das von den Außerirdischen.«
»Nein.«
»Hier steht«, sie lachte unsicher, »in Mexiko hätten Außerirdische einen Wissenschaftler entführt und ihn vor einem dramatischen Klimawandel gewarnt. Die Menschheit würde mit den Emissionen ihren eigenen Untergang herbeiführen.«
»Aha.«
Sie blickte auf: »Das interessiert dich wohl nicht besonders?«
»Nein, viele Reporter schreiben viel, wenn der Tag lang ist. Und jeder Tag hat 24 Stunden.«
»Sollte dich aber interessieren. Hier wird auf diverse Literaturstellen verwiesen. Lies die doch mal, für deine Partei könnte das ein wichtiges Thema werden.«
»Mache ich.«
Auch der Reporter hatte davon noch nichts gehört.
»Bedrohlich?«, fragte er verwundert, »aber Herr Adam, darüber könnten doch nur Spinner reden.«
»Spinner? Nein, ich denke, dass das Vordenker sind.«
Im Festzelt für Prominente saßen Joseph und Magda noch nicht am Tisch des Ministerpräsidenten, aber unmittelbar daneben mit Ehrengästen aus der Wirtschaft. Viele zeigten sich erfreut, den aufstrebenden Politiker und seine reizende Gattin persönlich kennenzulernen.
»Gestatten Sie, mein Name ist Neumann. Ich vertrete hier den Arbeitgeberverbund«, sagte sein Nachbar zur Linken und reichte ihm die Hand, »angenehm.«
»Ganz meinerseits.«
»Wenn ich, ohne mit der Tür ins Haus fallen zu wollen, meine Erwartungen direkt äußern darf, ich sehe Sie bereits im nächsten Bundestag sitzen.«
»Vermuten Sie das, weil ich meinen Wohnsitz von Westberlin nach Frankfurt verlegt habe?«
»Auch deshalb. Dieses Signal hat jeder Insider verstanden. Zumindest alle, die wissen, dass Westberliner nicht in den Bundestag gewählt werden können.«
»Genau aus diesem Grund bin ich umgezogen.«
»Sie werden aber für die Landesgruppe Niedersachsen kandidieren?«
»Nein, für Hessen.«
»Auf Platz 1?«
»Ja.«
»Dann wünsche ich Ihnen viel Erfolg. Nach der Wahl werden wir uns ja in Bonn gelegentlich begegnen.«
»Gehören Sie zu den Lobbyisten?«
»Ehrlich gesagt, ich mag dieses Wort nicht. Es hat so einen negativen Touch bekommen. Wir sehen uns eher als Berater. Beratung schadet niemandem, auch keinem Politiker.«
»Auch uns nicht, meinen Sie? Aber können Sie darauf hoffen? In den Medien werden wir doch als beratungsresistente, bornierte Ideologen bezeichnet.«
»In denen vielleicht, aber wir bemühen uns um ein detaillierteres Bild. Und wir wissen, dass auch in Ihrer Partei die Einen so und die anderen so sind.«
Ihr Gespräch wurde unterbrochen, denn die Kellner servierten den ersten Gang des leckeren Menüs mit ausgewählten Weinen. Magda hielt sich lieber an den köstlichen, prickelnden Champagner. Ein junger Kellner, der sie ungeniert anhimmelte, schenkte ihr immer wieder nach.
»Ein schöner Tag«, sagte sie beschwipst so laut, dass es Neuman hörte.
»Ein interessanter«, meinte Joseph.
»Wirst du solche Einladungen jetzt öfter annehmen?«
»Wenn du willst, warum nicht?«
»Ich will.«
Neumann berichtete seinem Verbandschef brühwarm jedes Detail dieses Zusammentreffens.
»Dann könnten wir also auch bei seiner Frau ansetzen«, antwortete der.
»Mein Respekt, wie immer haben Sie sofort des Pudels Kern erfasst.«
Neumann überreichte einen Kurzbericht. »Das ist ihre Vita.«
»Na, lassen Sie mal sehen. Sie ist also mit ihrem Studium fertig und sucht in Frankfurt noch eine Arbeit. Sie will nicht nur die Politikergattin spielen. Sehr löblich. Und sie vermisst dort schon ihren Berliner Freundinnenkreis, muss sich in Frankfurt erst einen aufbauen. Okay. Und Sie meinten, dass ihr die erste Feier in der VIP-Lounge gefallen hätte?«
»Offensichtlich sehr.«
»Okay, dann haben wir ja einige Ansatzpunkte. Fangen wir bei ihrem Arbeitsplatz an, natürlich mit der gebotenen Vorsicht. Keiner aus Adams Partei darf erkennen, dass wir an den Stellschrauben drehen. Sie schreiben hier, dass sie BWL studiert hätte, aber auch künstlerisch