Privat- und Prozessrecht. Peter Förschler

Privat- und Prozessrecht - Peter Förschler


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Vereinbarten, dessen Inhalt allerdings – mangels schriftlicher Fixierung – regelmäßig nur schwer zu beweisen ist.

      Durch den Vertragsschluss entstehen die von den Vertragsparteien durch ihre Willenserklärungen übernommenen Verpflichtungen. Beim Vertragspartner führt dies zu einem Anspruch (das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen, § 194 Abs. 1 BGB).

      Je nachdem, welcher Vertrag geschlossen wurde, bedeutet das: Der Verkäufer muss liefern (§ 433 Abs. 1 BGB), der Käufer bezahlen (§ 433 Abs. 2 BGB); der Unternehmer muss das versprochene Werk herstellen (§ 631 Abs. 1 1. HS BGB), der Besteller die Vergütung entrichten (§ 631 Abs. 1 2. HS BGB); der Vermieter muss die Mietsache zum Gebrauch überlassen (§ 535 Abs. 1 Satz 1 BGB), der Mieter die Miete bezahlen (§ 535 Abs. 2 BGB).

      Diese Vertragspflichten sind bindend (lat.: „pacta sunt servanda“). Jeder Vertragspartner kann seinen Anspruch notfalls auch im Wege der Klage durchsetzen.

      Die wirksam entstandenen Vertragswirkungen können grundsätzlich nur in beiderseitigem Einverständnis, etwa durch einen Aufhebungsvertrag, wieder beseitigt werden. Eine einseitige Lösung aus dem Vertragsverhältnis ist nur unter besonderen Umständen möglich:

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      > Vertragliches Rücktrittsrecht für einen oder beide Vertragspartner (§ 346 BGB).

      > Gesetzliches Rücktrittsrecht in den Fällen des Ausbleibens der fälligen Leistung des Schuldners (Verspätung), des Vorliegens eines Mangels nach angemessener Fristsetzung, bei Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag infolge Verletzung der Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter oder Interessen des Vertragspartners oder bei Unmöglichkeit der Leistung (§§ 323, 324, 326 Abs. 5 BGB).

      > Kündigungsrecht bei Dauerschuldverhältnissen wie dem Mietvertrag, dem Darlehensvertrag, dem Arbeitsvertrag oder dem Werkvertrag (§§ 573 ff., 489 f., 620 Abs.2, 621 ff., 648 BGB).

      > Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen, also bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, Fernabsatz- und Verbraucherdarlehensverträgen (§§ 310 Abs. 3, 312b, 312c, 491 BGB) aufgrund besonderer Schutzbestimmungen (§§ 312g, 495 BGB) zugunsten eines Verbrauchers (§ 13 BGB) gegenüber einem Unternehmer (§ 14 BGB), das sogar das Zustandekommen des abgeschlossenen Vertrages rückwirkend verhindert (§ 355 BGB).

      Achtung! Vom Vertragsschluss ist die Vertragserfüllung strikt zu trennen. Nicht selten fallen aber bei den Geschäften des täglichen Lebens Vertragsabschluss (Verpflichtungsgeschäft) und Vertragsabwicklung (Erfüllungsgeschäft/ Verfügungsgeschäft) scheinbar in einem Vorgang zusammen.

      Der Passant legt am Kiosk ein 2-€-Stück auf den Tisch und nimmt mit Zustimmung des Händlers eine der dort aufgestapelten Zeitungen weg. Der Zeitungshändler legt das Geld in seine Kasse: Bereitstellen der Zeitung und Ablegen des Geldes bedeuten Verkaufsantrag und Vertragsannahme (Vertragsschluss, §§ 433, 145 BGB). Durch das einverständliche Wegnehmen von Zeitung und 2-€-Stück wird der Vertrag gleich auch erfüllt (Übereignung durch Einigung und Übergabe – § 929 BGB).

      Nicht jede Willensübereinstimmung oder Absprache führt jedoch zu einer vertraglichen Verpflichtung. Es gibt auch Vereinbarungen, die ohne Rechtsbindungswillen getroffen werden, und damit keine Willenserklärungen sind. Sie sind weder erzwingbar, noch haben sie im Falle der Nichteinhaltung Folgen.

      Werden im Rahmen freundschaftlicher Beziehungen oder gesellschaftlichen Kontakts Absprachen getroffen, so ist es ein Gebot des Anstands, sich daran zu halten.

      Gemeinsames Urlaubsvorhaben; Verabredung zum Tennismatch oder zum Skatabend; Bereitschaft, den Nachbarn im Pkw in die Stadt mitzunehmen.

      Maßgebliches Kriterium für das Vorliegen einer Willenserklärung bzw. eines Schuldverhältnisses ist das Vorliegen des Willens der Beteiligten, sich rechtlich binden zu wollen (Rechtsbindungswille). Wo er fehlt, ist von einem Gefälligkeitsverhältnis auszugehen, wo er vorhanden ist, liegt ein Schuldverhältnis vor. Da der Rechtsbindungswille nicht ausdrücklich formuliert wird, ist er anhand von Indizien zu ermitteln. Solche Indizien, die für oder gegen einen Rechtsbindungswillen sprechen, sind beispielsweise die Art, der Grund oder der Zweck der fraglichen Verabredung, die rechtliche Bedeutung für einen von beiden, die Umstände, unter denen die Verabredung getroffen wird, oder auch der Wert einer anvertrauten Sache.

      Die Verabredung zwischen Nachbarn, auf die Wohnung während der Urlaubsabwesenheit des anderen aufzupassen, ist wegen der bedeutenden Werte, die dem Beauftragten anvertraut werden, keine Gefälligkeit, sondern ein Auftragsvertrag nach § 662 BGB.

      Eine Einladung zum Abendessen unter Freunden, die der Eingeladene zwar annimmt, aber dann nicht erscheint, ist aufgrund des gesellschaftlichen Hintergrunds infolge fehlender rechtlicher Bedeutung reine Gefälligkeit.

      Wer sich bereit erklärt, für einen Nachbarn zwecks schnellerer Beförderung einen wichtigen Brief in einer Terminsache beim Hauptpostamt einzuwerfen, schließt wegen der rechtlichen Bedeutsamkeit für den Auftraggeber wiederum einen Auftragsvertrag nach § 662 BGB.

      Liegt mangels Rechtsbindungswillens eine Gefälligkeit vor, so besteht kein Erfüllungsanspruch, weshalb bei Nichterfüllung (Fernbleiben vom verabredeten Tennismatch oder Skatabend, Absage des gemeinsamen Urlaubs, Vergessen der Mitnahme des Nachbarn in die Stadt) regelmäßig auch keine Schadensersatzansprüche aus § 280 BGB gegeben sind, weil es am Tatbestandsmerkmal „Schuldverhältnis“ fehlt. Es ist in solchen Fällen daher jederzeit möglich, ohne rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen, vom Vorhaben wieder einseitig Abstand zu nehmen.

      Wer zum Abendessen als Gast nicht erscheint, muss die überflüssigerweise gekochten Speisen im Wege des Schadensersatzes nicht bezahlen.

      Es entsteht auch kein Schadensersatzanspruch, wenn der Freund seine Zusage zum gemeinsamen Skatspiel nicht einhält und die bitter enttäuschten Mitspieler sich in ihrer „Not“ bei der Studentenvermittlung einen Ersatzpartner gegen Bezahlung besorgen.

      Wer allerdings den ihm zur Wohnungsbeaufsichtigung während des Urlaubs übergebenen Schlüssel verliert und damit einem Finder den Diebstahl von Einrichtungsgegenständen ermöglicht, haftet auf Schadensersatz, weil der Auftragsvertrag ein Schuldverhältnis darstellt.

      Wer den wichtigen Brief beim Postamt einzuwerfen vergisst, obwohl er auf die Wichtigkeit ausdrücklich hingewiesen worden ist, begeht aus demselben Grund eine Pflichtverletzung.

      In den Grenzbereich zwischen Rechtsbindung und Gefälligkeitsverhältnis fällt das vom Bundesgerichtshof entschiedene Problem des leichtfertigen Teilnehmers einer Lotto-Tippgemeinschaft, der es übernommen hat, für die Freunde jede Woche mit im Voraus festgelegten gleichbleibenden Zahlen die Lottoscheine auszufüllen. Ausgerechnet in der Woche, in der auf diese Zahlen der Hauptgewinn fiel, war er nicht dazu gekommen, die Scheine abzugeben. Der Bundesgerichtshof hat ein Gefälligkeitsverhältnis angenommen und eine Schadensersatzpflicht verneint: Der Mitspieler hätte die Aufgabe nicht übernommen, wenn von vornherein an eine solche Schadensersatzpflicht gedacht worden wäre (fehlender Rechtsbindungswille).

      Das


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