Das schwarze Korps. Dominique Manotti

Das schwarze Korps - Dominique  Manotti


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Lattenkisten verdeckten Tür die in Fässern gelagerten Buttervorräte, Kanister mit Milch, Käselaibe in Regalen. Binnen Minuten ist alles in die Lastwagen verladen. Oben im Haus schleppen die Männer Leinenwäsche weg, kippen Schubladen aus, lassen ein paar edle Tropfen mitgehen. Man kann sich nicht lange aufhalten. Schon dirigiert Morandot sie zum Haus der alten Blanchot, das kleinste im Dorf, ganz mit wildem Wein bewachsen. Er hat den Hühnerstall entdeckt, rund dreißig Hühner, die geköpft werden wollen, im Halbdunkel, inmitten von Federn und schrillem Gegacker. Die Männer lachen und drängen mit hochgekrempelten Ärmeln heran, Kindheitserinnerungen werden wach. Und in der Anrichte im Esszimmer stehen etwa fünfzig Flaschen Obstler, die in Paris ein Vermögen wert sind. Dann das Haus von Vauvert und das der Petitots. Die Laster immer hinterher.

      Schließlich gelangt Morandots Kolonne auf den Dorfplatz, wo sie sich mit der von Martin zusammenschließt, die die Straße von Gisors heruntergekommen ist. Als die auf dem Platz zusammengepferchte kleine Schar in Schlafanzügen und Nachthemden sie eintreffen sieht, macht sich Unruhe breit. Die beiden da kennen wir doch. Den einen mit den schwarzen Knopfaugen, den muskelbepackten Armen, den kräftigen Arbeiterhänden, und den anderen, etwas rundlich, beginnende Glatze, rötlicher Schnauzer, ein netter Kerl, etwas einfältig, beide angeblich Arbeiter in einer Metallfabrik in Aubervilliers, kamen zwecks kleiner Schiebergeschäfte hergeradelt, um ihre Werkskantine mit Lebensmitteln zu versorgen, zweitägige Geheimverhandlungen, hier ein Gläschen, da ein Gläschen. Und jetzt Gestapo, sagt einer der Dorfbewohner, der die Ausweise an den Windschutzscheiben der Lkws erkannt hat. Waren bloß als Maquisards verkleidet, bestätigt die alte Blanchot. Ruhe, brüllt einer der Bewaffneten und feuert eine Salve in die Luft.

      Jetzt trifft auch der dritte Trupp ein. Loiseau steht auf den Stufen des Rathauses und überwacht das Ganze. Die Operation ist beendet. Die Lastwagen ordnen sich zu Kolonnen, Fahrtrichtung Paris. In der brennenden Schule kommt es zur Explosion, die Flammen schlagen tosend bis zum Dach empor. Die Männer drängen in die Lastwagen. Die drei Truppführer geben ihnen Deckung, indem sie ihre Maschinenpistolen auf die Menge richten, die grollt und zittert. Morandot eröffnet das Feuer, Martin, gegen ein Lkw-Rad gelehnt, die Hand um den Kolben der Waffe geklammert, betrachtet die Szene, schießt aber nicht. Hat noch nie getötet. Eiskalt die MP in seiner feuchten Hand. Gebannt sieht er zu. Die Kugeln bohren sich in die Menge, die Wucht der Einschläge spritzt sie auseinander. Menschen rennen auf die Häuser zu, Körper brechen im Zeitlupentempo zusammen, in zu Einzelbildern aufgelösten Bewegungen. Schreie, tosendes Feuer, durchsetzt mit dem Lärm der MP-Salven. Dann gleitet seine Hand zum Abzug, drückt ab. Zu voller Größe aufgerichtet und breitbeinig hat er die ruckende Waffe im Griff, auf den Lippen ein unbestimmtes Lächeln, erleichtert, befreit. Oben im Dorf bricht ein zweiter Brand aus. Morandot und Martin hören auf zu schießen und springen in die anfahrenden Lkws. Beim Verlassen des Dorfs nimmt ein Mann, der eben den ersten Schluck aus einer Flasche der alten Blanchot getrunken hat, das Ortsschild unter Beschuss: Mortemart.

      Als Loiseau bei Deslauriers erscheint, ist er gewaschen, umgezogen und sorgfältig gekämmt. Er wirkt fast entspannt, und das ist selten.

      »Wie das Dorf heißt, wussten wir nicht, aber anhand der Angaben von Hauptsturmführer Bauer haben wir die Organisation, die die Fallschirmspringer aus England und ihre Ausrüstung in Empfang genommen hat, identifiziert und zerschlagen.«

      Schweigen. Ende des Berichts? Deslauriers, ans Fenster gelehnt, lächelt. »Kann ich ein bisschen mehr erfahren?«

      »Das Gebiet, das Hauptsturmführer Bauer im Visier hatte, war der südliche Vexin français.« Deslauriers nickt. »Wir haben die Hochebenen abgesucht und ziemlich schnell ein Fallschirmabsprunggelände entdeckt. Daraufhin haben wir unter dem Vorwand von Schwarzmarktgeschäften Agenten in die drei nächstgelegenen Dörfer eingeschleust. Und dank der Schwatzhaftigkeit einiger Personen haben wir die Namen der Anführer der Organisation erfahren.«

      »All das in zwei Tagen?«

      Gelassen: »Es war das Lehrerehepaar im Dorf Mortemart.« Er hält einen Moment inne. Deslauriers verdreht die Augen, Loiseau, aus dem Dienst entfernter Grundschullehrer, hat auf ewig eine Rechnung mit seinem Berufsstand offen, aber er sagt nichts. »Also haben wir letzte Nacht eine Razzia in dem Dorf veranstaltet. Bei den Lehrern fanden wir die Signallichter, englische Zigaretten und ein Radiofunkgerät. Wir haben das Ehepaar vor den Augen des gesamten Dorfes erschossen, und ihr Haus wurde niedergebrannt. Die Informationen von Hauptsturmführer Bauer haben sich bestätigt, und das ist ein Sieg über die Terroristen, den errungen zu haben wir stolz sind.«

      »Hast du deinen Bericht auswendig gelernt?«

      Loiseau, merkwürdig ruhig und selbstsicher, streichelt mit den Fingerspitzen die Brust einer der Schreibtischkaryatiden und antwortet nicht.

      Deslauriers blickt zur Straße hinaus. Sonne, Ruhe. Ein Satz will ihm nicht aus dem Kopf: Ich glaube kein Wort, und ich pfeif drauf. Ich glaube kein Wort, und ich pfeif drauf.

      Bauer wird entzückt sein. Er kann weiter mit seinem Amerikaner spielen, und mehr verlangt er nicht. Dann: Dieser Frühling ist der schönste, den ich in Paris erlebt habe … Stopp. Dreht sich um.

      »Sehr gut. Ich werde deinen Bericht noch etwas ausschmücken und ihn dann an Hauptsturmführer Bauer weiterleiten, der hochzufrieden sein wird. Mach mir eine Liste der Männer, die bei der Expedition dabei waren, ich sorge dafür, dass sie bezahlt werden.«

      Gegen Mittag geht Domecq ins Capucin in der Rue Blanche. Die Bar ist noch geschlossen, und im Keller ist man mit Saubermachen beschäftigt. Der Wirt steht hinter der Theke und ist dabei, seine Flaschen zu zählen und die Kasse zu kontrollieren.

      »Tag, Inspecteur. Was darf ’s sein?«

      »Kaffee, danke.«

      »Doch wohl mit einem Schuss Cognac …«

      »Von mir aus auch mit Cognac.«

      »Ich trink einen mit, aber ohne Kaffee.«

      Der Wirt unterbricht das Schweigen nicht, trinkt in kleinen Schlucken und wirft hin und wieder einen Blick zu Domecq, der nicht von seiner Tasse aufsieht. Dann: »Angélique ist nicht mehr hier.« Domecq zeigt keine Reaktion. »Letzten Sonntag war Deslauriers da und hat Falicons Mädchen abgeholt, Angélique und Rose. Kein Wort der Erklärung, keine Entschädigung. Und ich sitze in der Scheiße, wenn die Kunden kommen.« Beugt sich zu Domecq, halb spöttisch: »Wenn du zum Schuss kommen willst, musst du noch mal wiederkommen, Inspecteur.«

      Das Wetter ist sehr schön, schon ein wenig heiß. Der Tisch ist im Sommer-Esszimmer im Gartengeschoss gedeckt, die Türen zu Terrasse und Garten stehen weit offen. Ein runder Tisch, weißes Tischtuch, drei Gedecke, rot-weißes Porzellangeschirr, Kristallgläser, Silberbesteck. In der Mitte ein Strauß roter und weißer Orchideen. Auf der Anrichte steht unter schützenden Glasglocken ein kaltes Mahl für drei Personen bereit. Im Garten betätigt sich Dora Belle im Schatten einer Linde. Mit Gummihandschuhen und einer großen Gartenschere gerüstet, schneidet sie hier und da eine verwelkte Rose ab, liest ein paar vertrocknete Blätter auf. Sie ist ganz in Weiß, trägt eine Bluse, die einen großen Teil der Schultern unbedeckt lässt, eine weite Leinenhose, flache Sandalen und auf dem Haar einen großen Strohhut.

      Im Erdgeschoss klingelt es. Dora entledigt sich des Huts und der Gartenhandschuhe, legt alles in der Orangerie ab, aus der die Betten wieder entfernt sind, mit der sie beim Fest am 6. Juni vollgestellt war, und geht hinauf, um ihren Gast Pierre Laval zu empfangen. Dora kennt ihn seit langem. Vor dem Krieg war er Stammkunde im Perroquet bleu, und sie mochte ihn nicht. Er hielt sich stets viel auf seine Eleganz zugute, aber Dora fand ihn immer vulgär in seinen Anzügen mit den gepolsterten Schultern, den weißen Hemden und weißen Krawatten, gedrungene Gestalt und verschlagenes Lächeln. Doch sie geht mit einem professionellen Strahlen auf ihn zu. Er küsst ihre Hand.

      »Herr Präsident, es ist mir eine Ehre, Sie hier zu empfangen …«

      »Gnädige Frau, ich bin es, der sich geehrt fühlen darf, eine große Schauspielerin wie Sie zu begrüßen.« Sie nimmt ihm Hut, Stock und Handschuhe ab. »Sie wissen, welch großes Interesse ich unserem Film entgegenbringe.« Sie geleitet ihn zur Treppe. »Und folglich Ihnen, deren glühender


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