Die Magie des Südens. Peter Rieprich

Die Magie des Südens - Peter Rieprich


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Kaktushecken und Steineichen, die wild an den Hängen wachsen. Erst beim Abstieg zur Südseite erschließen sich nach und nach die herrlichen Konstruktionen Gaudís. Wer also schneller in deren Genuss kommen will, sollte die Tour besser von der Metrostation Lesseps aus beginnen oder gleich mit dem Taxi fahren. Auch diese Oase mitten in Barcelona gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe.

      Weitere Bauwerke dieses außergewöhnlichen Architekten, zum Beispiel die Casa Batlló mit der schuppenartigen, in der Sonne schimmernden Fassade, die Casa Vicens mit dem starken arabischen Einschlag, die Casa Calvet mit den drei Heiligen und nicht zuletzt den Palacio Güell mit seinen skurrilen Schornsteinen, findet man entlang der legendären Ruta del Modernisme durch Barcelona.

      Von der schlangenförmigen, in bunten Mosaiken gestalteten, Bank hat man einen überwältigenden Blick auf Barcelona.

      In der Krypta Colònia Güell sind wunderbare Mosaikarbeiten zu entdecken. Die Fenstergitter sind aus alten Webernadeln gestaltet.

      Wer jemals in Barcelona auf der legendären Ruta del Modernisme wandelte und sich vom Charme der Bauwerke der großen Architekten des spanischen Jugendstils Josep Puig i Cadafalch, Lluis Domènech i Montaners oder Antoní Gaudí einfangen ließ, den wird es weitertreiben, auch im Umland der katalanischen Metropole die Perlen dieser überaus kreativen Architekturphase zu suchen. Südwestlich von Barcelona, am Rande des Penedès, dem großen Weinanbaugebiet und der Wiege des spanischen Cava – einem Qualitätssekt, der dem französischen Champagner ebenbürtig ist –, wo die Kellereien der weltbekannten Marken Freixenet oder Codorníu ihren Stammsitz haben, liegt in hügeliger Landschaft die Siedlung Santa Coloma de Cervelló.

      Gleißendes Sonnenlicht liegt über der kleinen ehemaligen Textilarbeiter-Siedlung, auch Colònia Güell genannt, deren Bau der Industrielle Eusebi Güell 1890, ungefähr 23 Kilometer westlich vor den Toren Barcelonas, bei Sant Vicenc dels Horts begründet und gefördert hat. Streunende Katzen suchen Kühlung im Schatten der alten Ziegelmauern, die sehr individuell und abwechslungsreich gestaltet sind. 1898 beauftragte der Mäzen den Architekten Antoní Gaudí eine Kirche für die Textilarbeiter-Siedlung zu bauen. Nach zehnjähriger Planungsphase begannen 1908 dann endlich die Arbeiten an dem ehrgeizigen Projekt, welches bedauerlicherweise im Jahre 1914 durch den Finanzierungsstopp der Familie Güell ein jähes Ende fand. Entstanden war bis dahin das untere von zwei geplanten Kirchenschiffen, seither als Krypta bezeichnet. Um das Gebäude nach seinen ausgefallenen Plänen gestalten zu können, hatte Gaudí eine völlig neue Methode der dreidimensionalen Projektion, das Polyfunikularmodell, erfunden. Revolutionär in der Geschichte der Architektur war ebenso seine Einführung von Flächen in Form hyperbolischer Paraboloide, die er für die, die Mauern und Bögen des Säulenvorbaus verbindenden Wölbungen verwendete. Nicht nur von diesen gewagten Konstruktionen wird die Schönheit der Krypta bestimmt. Auch die Vielfalt der zum Bau verwendeten Materialien, wie Basaltgestein, Kalkstein, keramische und gebrannte Ziegel, Glas, Keramik, verschiedene Mörtelarten oder gar recycelte Webernadeln aus den Textilbetrieben des Ortes, die für die zarten Fenstergitter verwendet wurden und die den direkten Bezug zur zukünftigen Gemeinde herstellten, macht dieses Gebäude zu einem einzigartigen Juwel. Ebenso trägt die mit Bedacht ausgewählte Lage, ein mit Pinien bewachsener kleiner Hügel, zur optimalen Integration des Bauwerks in seine natürliche Umgebung bei und unterstreicht seine bestechende Wirkung. Genauso traumhaft wie die verschiedenen funkelnden Keramikmosaike an Portal und Fenstern und die bunt leuchtenden Glasscheiben in Blütenform präsentiert sich das Innere der Krypta. Gewagte Bogenkonstruktionen überspannen dynamisch das Kirchenschiff. Das Weihwasser wird in riesigen philippinischen Meeresmuschelschalen dargeboten, und die bequemen Zweierbänke rund um den Altar sind ebenfalls in weicher abgerundeter Muschelform gehalten. Das durch die bunten Fenster fallende gebrochene Licht korrespondiert mit allen Stilelementen des Raumes, nur der nüchterne eckige Steinaltar steht im Gegensatz zu all den verspielten Formen. Unser Blick fängt sich an den vielen, immer wieder verschieden gestalteten, Säulenkonstruktionen, die mal in gerader Form, mal schräg das ausgefallene Bauwerk stützen und sich rund oder eckig, oft an pflanzliche Elemente erinnernd und nie ganz einheitlich, präsentieren. Benommen von so viel Schönheit und Einfallsreichtum mag man gar nicht zurückkehren in die schnöde Alltagswelt. Mit einem Spaziergang durch die kleine Siedlung Santa Coloma de Cervelló wird der Übergang etwas fließender, denn auch hier überwiegt eine sehr spielerische abwechslungsreiche Architektur, recht ausgefallen und ungewöhnlich für eine Arbeitersiedlung.

      Die Vision Eusebi Güells, mit dieser Siedlung einen homogenen Ort zu schaffen, blieb leider – wie auch beim Parc Güell in Barcelona – unvollendet. Dennoch erzählen die vorhandenen Fragmente überzeugend vom Glauben an eine bessere Welt. Das nächste Highlight in dieser Region sind die repräsentativen Gebäude der Sektkellerei Codorníu, konzipiert von Josep Puig i Cadafalch, einem weiteren Stararchitekten seiner Zeit.

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