Der Fänger im Gras. Nicole Brandes
zurücklassen. Mir ist jetzt klar, dass
– wenn wir die richtigen Rahmenbedingungen schaf-
fen und uns gut um sie kümmern – Katzen unser
Herz erfreuen.
GREG GODEK, Bestsellerautor von „How to be
Mildly Brilliant” und „1001 Ways to Be Romantic”
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P ROLOG
Es war an einem trägen Samstagnachmittag im
Spätsommer, als ich mich nach einer weiteren über-
arbeiteten Woche in luftigem Kleid und mit bloßen
Füßen zum Lesen in den Garten setzte. Golden legte
sich die Sonne auf meine Haut und bezauberte mich
mit wohliger Wärme und einem sanften Lichtspiel
– beides Dinge, die ich an dieser Jahreszeit so liebe.
Meine Rosen verschönerten die Sicht und kitzelten
meine Nase mit ihrem betörenden Duft. Gedämpfter,
fröhlicher Lärm spielender Kinder drang von fern
herüber.
Wie so oft war Cappuccino, der Katzentiger ei-
ner Nachbarin, zu Besuch. Leise stupste er mich am
Bein an und forderte liebevoll seine Streicheleinhei-
ten. Faul streckte ich mich und genoss die Ruhe und
die Gesellschaft dieses entzückenden und einigerma-
ßen domestizierten Tieres. In diesem Moment platz-
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te Miljana herein. Miljana ist meine Nachbarin, eine
lebensfrohe Russin mit riesigen Kulleraugen, denen
weder Mann noch Frau etwas abschlagen kann – ein
Umstand, den sie schamlos ausnutzt.
Sie wohnt einen Stock über mir, lebt jedoch ein
entrücktes Leben hoch in den Wolken, fernab vom
Boden der Realität, auf welchem gewöhnliche Sterb-
liche ihren Lebensunterhalt durch Arbeit verdienen.
Der Alltag ohne Saus und Braus ist zu profan für sie.
Ihre Wirklichkeit ist simpel: Was teuer ist, liebt sie.
Was vier Beine hat, vergöttert sie (und umgekehrt).
Gäbe es den Wettbewerb des größten Herzens für
Tiere, Miljana würde die Goldmedaille gewinnen
(aber bitte mit Diamanten besetzt!).
Vorsichtig, mit einem Glas in der Hand, stieg
Miljana über Cappuccino und setzte sich zu mir. Wir
plauderten und besprachen die Welt; ich bei Mine-
ralwasser, sie bei Wodka (nur im äußersten Notfall
ersetzte sie dieses Gesöff mit Whiskey). Cappuccino
lag eingekuschelt auf meinen Knien und ließ sich von
mir an seinen Ohren zupfen. Alle beide schnurrten
vor Zufriedenheit. „Wann legst du dir endlich eine
Katze zu?“, fragte Miljana plötzlich und schüttete das
randvolle Glas auf ex in ihre Kehle.
„Was?!?“, fragte ich verdattert zurück. Miljana
schaute erst mich, dann Cappuccino an. Dann wie-
derholte sie ruhig und langsam, als ob ich schwach-
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sinnig wäre: „Wann legst du dir endlich eine Katze
zu?“
Verständnislos starrte ich meine Nachbarin an.
Sie und Cappuccino erwiderten meinen Blick gelassen.
„Wie meinst du das?!“
Immerhin gelang es mir, diese hochintelligente
Frage zu formulieren. Ein Haustier? Für mich?! Was
für eine absurde Idee. Das war lächerlich. Das war
unmöglich. Selbst wenn ich eine Katze gewollt hät-
te – was definitiv nicht der Fall war – dazu hatte der
Tag einfach nicht genügend Stunden! Meine Zeit war
besetzt mit Arbeit. Oder mit Nachdenken über die
Arbeit. Ich war eine preisgekrönte Expertin auf mei-
nem Fachgebiet. Von plüschigen Zehengängern hatte
ich keinen blassen Schimmer. Das Wenige, was ich zu
wissen vermeinte – Katzen sind Einzelgänger, Katzen
trinken Milch, Katzen sind nicht erziehbar – war ge-
prägt von Mythen, Unsinn und falschem Volkswissen.
Ich blickte zu Miljana hinüber und sah, dass sie
entschlossen nickte. Ich senkte meinen Blick und sah,
dass auch Cappuccino nickte – ich schwöre es! Das ist
die reinste Wahrheit!
Miljana empfahl sich als Patentante. Sie wür-
de während meiner Reisen auf meinen zukünftigen
Liebling aufpassen. Mit erhobenem Becher (jetzt leer)
schwor sie inbrünstig, ihn heroisch und unter Einsatz
ihres Lebens zu beschützen. Und ich wusste, dass sie es
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ernst meinte. Beinahe hatte ich Mitleid mit dem törich-
ten Rüpel, der es wagte, meiner Katze zu nahe zu treten.
Moment mal – meiner Katze???
Aus mir heute noch unerfindlichen Gründen
hatte ich zwei Tage später ein unwiderstehliches vier-
beiniges Kuschelbaby. Weiß der Himmel, was ich mir
dabei dachte, denn ich hatte keine Ahnung, worauf ich
mich da eingelassen hatte.
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ES IST EIN JUNGE!
Liebe Familie, liebe Freunde,
ich hoffe, es geht Euch gut. Und mir? Tja, es ist etwas
ganz Unverhofftes passiert. (Vielleicht solltet Ihr Euch
vor dem Weiterlesen hinsetzen.) Ich habe etwas sehr
Überraschendes getan. Oder besser – mir ist etwas
sehr Überraschendes passiert. Äh … Ich bin Mama
geworden … eines Kätzchens.
Jawohl. Ein Kätzchen. Eine Katze. Felis silvestris
catus.
Ja. Ich. Eine Karrierefrau. Mulier professio opus.
Nein, ich mache keine Witze. Nein, ich habe kei-
nen Jetlag. Nein, ich bin nicht verrückt. Aber ich bin
verrückt – nach ihm!