Der Fänger im Gras. Nicole Brandes
nicht, wenn wir das nächs-
te Mal miteinander sprechen, und seid geduldig und
nachsichtig mit mir, denn ich habe mir bereits die
Sprache junger Mütter angeeignet – etwas, das mich
früher leicht befremdet hat. „Oh! Sieh mal! Er hat dick
gemacht!“ „Was für ein braver Junge!“ „Er ist schon
so weit für sein Alter!“ Dabei stoße ich kleine Entzü-
ckensschreie aus.
Zorro ist wirklich ein erstaunliches, kluges, mu-
tiges und einzigartiges kleines Geschöpf. Wenn Ihr
ihn endlich kennenlernt, werdet Ihr mir garantiert
zustimmen!
Habe ich mich bereits dem Stereotypen „Dame
mit Katze“ angenähert? Oh Graus! Im Anbetracht
der unglaublichen Freude, die das kleine Kerlchen
mir bereitet, ist mir das aber wurscht. Eines kann ich
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Euch jedoch sagen: Ich werde kein Hütchen aufset-
zen und meinen Kater vom Tisch mit Kuchen füt-
tern. Niemals!
Viele Grüße
SAM
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HIER KOMMT ZORRO!
Hallo Leute!
Nun bin ich schon seit drei Wochen in meinem neu-
en Zuhause, bei meiner neuen Mama. Obwohl ich
ein tapferer und furchterregender Katzenkrieger bin,
muss ich zugeben, dass ich ein klein wenig Angst ver-
spürte – genauer gesagt: Es hat mir die Gedärme vor
Schreck zusammengezogen. Entsetzen, Trauer, Ver-
lust und ein komplettes Gefühlschaos sind über mich
gekommen. Ich war am Boden zerstört, als ich von
meinen beiden Schwestern und meiner vierbeinigen
Mama getrennt wurde. Schließlich hätte das für alle
traumatisch enden können. Aber wie ein echter Kö-
nig des Dschungels etabliere ich mich langsam als
Herrscher über dieses seltsame, fremde Reich.
Natürlich war ich verwirrt und erstaunt, als ich
feststellte, dass ich plötzlich eine neue, zweibeinige
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Mama habe. Na, das war faszinierend! Meine neue
Mama kümmert sich rührend um mich und es ist klar,
dass sie nur das Beste für mich will – obwohl sie von
einem wilden Raubtier wie mir keine Ahnung hat. Da
muss ich ihr noch ein paar Kardinalpunkte erklären.
Aber sie liebt mich offensichtlich abgöttisch.
Denn wehe mir träte jemand zu nahe oder behandel-
te mich nicht mit allem gebührenden Respekt, dann
bekäme es dieser jemand mit der Aurenberger Mafia
zu tun (die einzig und allein aus meiner Mama be-
steht). Dieses Schutzversprechen hat sie mir ins Ohr
geflüstert. Leute, das blähte mein Herz und gab mir
Trost und Hoffnung. Wenn die richtige Zeit gekom-
men ist, werde ich ihre Liebe erwidern. Im Augen-
blick muss ich erst einmal in aller Ruhe die Situati-
on einschätzen. Aber die Liebe, ja die Liebe ist eine
zentrale Sache für uns Katzen und körperliche Nähe
ist für uns unabdingbar, erst recht für Babys. Die kön-
nen noch nicht allein schlafen. Logischerweise bin ich
mit fast vier Monaten längst aus diesem Alter heraus.
Aber trotzdem ist es herrlich, mich an Mamas weiche
Haut zu kuscheln und in der Nacht auf ihrem duften-
den Haar zu entspannen. Vorher muss ich natürlich
auf ihren Bauch klettern und ein paar Minuten lang
mit meinen Pranken treteln. Das findet sie bestimmt
genauso schön wie ich. Wieso Mama sich genau dann
verkrampft und angestrengt die Luft anhält, ist mir
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ein Rätsel. Ich verstehe auch nicht, warum sie mich
dann hochhebt und vorsichtig meine Krallen aus ih-
rem Seidenpyjama löst. Menschen sind schon seltsa-
me Geschöpfe.
Ich verstehe auch nicht, warum ich so lange
nicht nach draußen durfte. Mama spricht von einer
Gewöhnphase, damit ich mich nicht „verirre“. Ich?
Verirren? Pah!
Aber endlich war auch dieser Stubenarrest (pff !)
vorbei. Hurra! Endlich konnte ich durch den Garten
rennen, überall meine Nase hineinstecken und mein
neues Revier beschnüffeln. Dabei hörte ich per Zufall
einen Nachbarn am Telefon über Mama tuscheln:
„... Karriereweib ... Bankerin, stell dir vor ... bschbsch
... viel auf Reisen ... bschbsch ... was will die mit einer
Katze?“ „Was will die mit einer Katze?“ – Also wirklich.
So was Blödes, der hat ja keine Ahnung, wie wunder-
bar Katzen sind! Mama, sei unbesorgt! Ich beschütze
dich vor aufdringlichen Mäusen, zudringlichen Vö-
geln und tratschenden Nachbarn. Ich bin's, Zorro,
der Unerschrockene, tapfer wie ein Tiger, stark wie
ein Löwe, schnell wie ein Gepard – und dein persönli-
cher Beschützer.
Allerdings muss ich sagen, dass hier vieles noch
immer gewöhnungsbedürftig ist. Und Leute, was ist
ein „Karriereweib“? Kann man das essen? Das wäre
wirklich gut, denn Mama guckt mich immer ratlos
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an, wenn ich mich nicht auf die Katzensalami stürze,
die sie mir als Leckerbissen hinlegt. Was soll ich mit
einer ganzen Stange? Stelzenlaufen oder was? Mama
hat noch nicht begriffen, dass man die zerstückeln
muss. Das muss ich ihr unbedingt beibringen. Dosen
kann sie schon öffnen – immerhin. Ich bin also guter
Dinge.