Der ermordete Gärtner. Uwe Schimunek
Geschichten in Dresden zu überzeugen.
«Also, was ist, Konrad», fragte Eggebrecht, «bist du dabei?»
«In Ordnung. Ich frage Leistner, ob ich ein bisschen Platz für die Sache bekomme. Wir treffen uns, und du erzählst mir alles.»
«Wie wär’s mal wieder mit ’nem Bier?»
«Gut, wir treffen uns heute Abend. Bis dahin hab ich mir die offizielle Version von Bölke geholt.» Katzmann merkte, wie seine Gedanken in Schwung kamen. Er sah schon einen kleinen Vierzeiler vor sich. Den konnte er noch in die morgige Ausgabe bringen. In den kommenden Tagen würde er sich ein bisschen umhören. «Wo bist du eigentlich über die Leiche gestolpert?», fragte er Eggebrecht.
«Bei uns im Garten!»
«Wo?» Katzmann traute seinen Ohren nicht.
«Mein Vater hat seit ein paar Jahren eine Parzelle in der Schrebergartenanlage. Und dort lag der Tote in einer Laube. Als ich heute Morgen ankam, hab ich die Polizisten gesehen.» Eggebrecht zögerte kurz. «Ich erzähle dir heute Abend alles in Ruhe. Kommst du mit deinem Knatterofen zu mir in den Westen?»
Manni fasste an seine Jacke. Die Waffe steckte noch in der Innentasche. Genauso wie vor zwei Minuten, vor fünf Minuten, vor zehn Minuten. Er stand auf der Plagwitzer Brücke und sah hinunter zum Klingerhain. Dort war er mit Höker-Hannes verabredet. Die Glocken der Heilandskirche schlugen dreimal. Ihm blieb also noch eine Viertelstunde bis zum Treffen um zwei.
Keine Polente. Manni hatte einen Blick dafür. Die Gegend war sauber wie ein frisch geputzter Lackschuh.
Er hatte kein gutes Gefühl bei der Sache. Eine Wumme gehörte nicht zu seinem Geschäftsbereich. Damit wollte er auch gar nicht erst anfangen. Deswegen versuchte er, das Ding so schnell wie irgend möglich loszuwerden – und dabei möglichst viel Geld herauszuschlagen. Andere Beute hatte er von der Gartentour schließlich nicht, und in seinem Sparstrumpf war kein Pfennig mehr zu finden.
Manni schlenderte stadteinwärts auf die Plagwitzer Straße. Die Waffe war noch da. Ein Passant kam ihm entgegen und sah ihn aufmerksam an. Vielleicht sollte er sich nicht so oft an die Brust fassen. Er bog links in den Klingerhain. Das Parkstück war durch verschiedene Arme der Luppe von den Villen der KarlHeine-Straße und der Elisabethallee abgetrennt. Hier herrschte an einem Montagmittag völlige Ruhe. Manni bog in den Parkweg und dann gleich nach links in Richtung Elster. Er lief im Schutz der Bäume, nur für den Fall, dass Höker-Hannes seine Meute dabei hatte. Dann konnte Manni unentdeckt die Kurve kratzen.
Die Waffe steckte unverändert in der Innentasche seiner Jacke, und Manni hatte immer noch kein gutes Gefühl. Dabei lief alles nach Plan. In seinem Rücken bimmelte eine Glocke viermal. Dann folgten zwei tiefere Glockenschläge. Im selben Moment kam Höker-Hannes über die Brücke vom Palmengarten herübergeschlendert. Allein. Er trug einen langen schwarzen Mantel und einen Hut mit einer breiten Krempe, was ihm ein gespenstisches Aussehen gab. Mit einer Sense über der Schulter könnte er Gevatter Tod spielen.
Nein, Manni hatte bei der Sache kein gutes Gefühl. Er merkte, wie er langsamer ging. Höker-Hannes lehnte sich an einen Baum. Wegen seiner schwarzen Kleidung verschmolz er beinahe mit dem Stamm. Manni blieben noch ein paar Meter. Er griff an seine Brust. Die Waffe war noch da.
Höker-Hannes bemerkte ihn. Er löste sich vom Baumstamm und kam Manni entgegen. «Pünktlich. Sehr gut.» Höker-Hannes sprach mit heiserer Stimme, so als würde er seinen Hals mit Sandpapier auskratzen.
Manni nickte. Er stand vor Höker-Hannes. Aus der Nähe wirkte der Kerl in seinen schwarzen Sachen viel kleiner.
«Nu erzähl mal! Was hast du für mich?»
Manni zog die Pistole aus der Innentasche.
«Gottverdammich, das ist eine Knarre!» Höker-Hannes wich zurück.
Manni nickte.
«He, was denkst du, wer ich bin? Ein Jagdausstatter? Verdammt!»
«Ist ziemlich neu. Kriegst du bestimmt ’nen ordentlichen Batzen für.»
«’nen Batzen? Ich glaube eher an einen Riesenärger. Wo hast’n die her?»
«Gefunden.»
Höker-Hannes guckte blöd wie ein Ochse. Es fehlten nur noch Hörner unter der Hutkrempe. Mannis schlechtes Gefühl wich Ärger.
«Eigentlich will ich’s gar nicht wissen», sagte Höker-Hannes. Seine heisere Stimme klang nun, als müsse er gleich husten. «An deiner Stelle würde ich aufpassen.»
Wollte der ihm drohen? Manni ließ die Pistole um den Zeigefinger kreisen. Das hatte er geübt. «Was nun? Willst du mir Ratschläge erteilen, oder wollen wir Geschäfte machen?»
Höker-Hannes kam näher. Ohne die Waffe zu berühren, inspizierte er Lauf, Verschluss, Abzug und so weiter. «Die ist tatsächlich nicht alt. Hast du die ’nem Schutzmann geklaut?»
«Ich dachte, du wolltest das nicht wissen.»
«Hm.» Höker-Hannes zögerte. Er runzelte die Stirn. «Es ist nur … Die Vögelchen zwitschern, dass gestern einer hopsgegangen ist. Bei einem Bruch in ’nem Garten.»
Woher wusste der das schon wieder? Mannis schlechtes Gefühl kam zurück.
Höker-Hannes richtete sich auf. «Und in diesem Metier hast du ja auch Beziehungen, oder?»
«Ich weiß nicht, wovon du redest.»
«Ich meine, dass ich keine Mordwaffen aufkaufe.»
Manni überlegte. Der Tote sah nicht aus wie ein Erschossener. Und warum sollte jemand erst einen Mann erschießen, um ihm dann noch den Kopf zu zerfetzen? Außerdem war die Schatulle verstaubt gewesen. Da konnte doch keiner wenige Minuten vorher eine Wumme drin versteckt haben, oder?
«Wenn du das Ding bei mir loswerden willst, musst du draufzahlen. Dann würde ich dafür sorgen, dass die Bleispritze verschwindet. Für immer.»
«Ach nee. Lass gut sein!» Manni steckte die Pistole wieder ein.
Höker-Hannes zog den Hut ein Stück nach hinten. Seine Stirn wollte nicht enden – vier Falten, fünf Falten … «Dann werde glücklich mit deiner Mordknarre.»
Manni versuchte, die Gedanken hinter der hohen Stirn zu lesen. Würde der Kerl ihn verpfeifen? Manni klopfte auf die Brusttasche mit der Knarre und sagte laut: «Mit dieser Pistole ist niemand erschossen worden. Und das soll auch so bleiben.»
Die Falten in Höker-Hannes’ Stirn wurden noch tiefer. Da hatte Manni sich in etwas hineingeritten!
Die Frau trug schwarz – vom Hut bis zum Schuh. Heinz Eggebrecht hatte sie auf dem Weg vom Postamt das erste Mal auf dem Lindenauer Markt bemerkt. Vielleicht war sie aus einem der Krämerläden gekommen oder aus einer Haustür getreten. Das hatte er nicht beobachtet. Doch dann lief sie vor ihm die Rietschelstraße entlang und bog an der Nathanaelkirche nach links in die Roßmarktstraße. Nach dem Abzweig zur Burgauenstraße gab es kaum noch Passanten, und Eggebrecht konnte sie gar nicht übersehen. Ihr Gang erinnerte an den einer Königin im Märchen, beinahe schien es ihm, als berührte sie mit den Füßen gar nicht den Boden.
Sie schwebte die Leutzscher Straße entlang. Eggebrecht folgte ihr, auch als sie ein paar Meter weiter nach links in die Hebelstraße bog. Eigentlich hätte er hier geradeaus weitergehen müssen, um nach Hause in die Albertinerstraße zu kommen. Doch dies war sein freier Tag, und er wusste ohnehin nicht, was er in der Kammer bei seinem Vater sollte. Also schlenderte er der schwarzen Dame hinterher. Sie lief gut zwanzig Meter vor ihm. Seit dem Lindenauer Markt hatte sie sich nicht ein einziges Mal umgeschaut. Inmitten der Mietskasernen gab es nicht viel zu sehen. Eggebrecht musste nicht damit rechnen, entdeckt zu werden. Andererseits konnte er auch ihr Gesicht nicht sehen …
Er stellte sich volle Lippen vor und Augenbrauen wie mit der Feder gezogen, außerdem Wangenknochen, die sich unter der Haut abzeichneten, und eine zierliche Nase. Vielleicht hatte die Frau aber auch Gesichtszüge wie eine zerknautschte Tüte. Vielleicht bekam er einen Schreck, wenn sie sich