Der Wende-Journalismus. Verraten und verkauft?. Martin Naumann

Der Wende-Journalismus. Verraten und verkauft? - Martin Naumann


Скачать книгу
Telefon klingelte, ein Anruf vom 1. Sekretär: am Peterskirchhof und vor der Thomaskirche wären Gruppen mit Spruchbändern aufgetaucht, die sollten fotografiert werden. Außerdem wolle er von allen Aufnahmen des Tages Vergrößerungen haben. Conrad fühlte sich unwohl, aber die Fotos konnten ihm nicht verweigert werden, denn er vertrat den Herausgeber.

      So hatten sich die beiden noch einmal auf den Weg gemacht. Die Situation war unverändert, durch die Dunkelheit jedoch ins Gespenstische verzerrt. Hinzugekommen war nur ein Wasserwerfer, der kurze Salven in die Menge spritzte. Spruchbänder waren nicht zu entdecken. Auf die gleiche konspirative Art gelangten sie dann wieder in die Redaktion.

      Conrad war unruhig geworden, seine Frau machte sich gewiss Sorgen, weil er längst überfällig war. Er verfluchte dieses verlotterte Telefonsystem, das ihm den Anschluss seit vielen Jahren vorenthielt. Wie hatte der Postminister gesagt?: Wir haben ein Wohnungsbauprogramm und kein Telefonbauprogramm. Und Conrad gehörte nicht zu den Privilegierten, die ganz überraschend einen Anschluss oder sogar vor der üblichen Zeit ein Auto bekamen. So bat Conrad seinen Kollegen, die Filme für ihn mit zu entwickeln, während er schnell nach Hause fuhr, um Bescheid zu sagen.

      „Du kommst aber spät“, wurde er von Erika begrüßt.

      „Ja, und ich muss gleich wieder weg, mach mir schnell ein paar Brote.“ Während sie einige Schnitten schmierte, auch für seinen Kollegen, erzählte Conrad, was sich in der Stadt ereignet hatte.

      „Das musste so kommen“, sagte sie, „da ist die Rechnung der alten Männer im Politbüro nicht aufgegangen, von wegen: Solange wir leben, wird es schon noch gehen und nach uns die Sündflut.“ Erika entließ ihren Mann mit der Mahnung aufzupassen, dass er nicht zwischen die Fronten gerate.

      Die Filme waren bereits trocken und die Bildreporter vergrößerten, was sie für wichtig hielten, während der Fahrer aus der Bezirksleitung ungeduldig wartete. Sie banden ihm nicht auf die Nase, dass sie alles dreimal vergrößerten, einmal für seinen Chef, einmal für die Redaktion und einmal für das persönliche Archiv. Seine Filme aber nahm Conrad mit und versteckte sie zu Hause.

      Diese Vorsicht war nicht unbegründet. Einige Tage später kam ein Mann zu ihm in die Redaktion, klappte seinen Ausweis auf: Ministerium für Staatssicherheit, also ein Offizier der „Firma“. Der Mann sagte, er hätte mit Conrads Chef gesprochen, er dürfe sich die Filme vom 7. Oktober einmal ausleihen, interessehalber, sie müssten einigen Anzeigen nachgehen. Doch Conrad weigerte sich. Drei Wochen zuvor hätte er sich das nicht gewagt.

      Daraufhin war der Offizier wutentbrannt wieder zum Chef gelaufen und seine Sekretärin hatte dessen letzte Worte noch gehört: „Wenn alle so handeln würden, dann könnten wir ja einpacken.“ Dem wäre nichts hinzuzufügen gewesen. Kurz darauf wurde Conrad zum Chef gerufen. Der wand sich ein wenig hin und her, er verstehe schon, dass Conrad die Filme nicht herausgeben könne, wir würden ja die Leser verraten. Aber vielleicht hätte er wenigstens einige unscharfe Negative?

      „Nein“, sagte Conrad, „meine Negative sind alle scharf“, und dachte sich, bis auf das eine, auf dem fünf Polizisten einen Mann zusammenschlagen. Aber gerade das, bei dem er vor lauter Angst vergessen hatte, scharf zu stellen, würde er nicht ausliefern. Doch der Chef hätte ihn zwingen können; dem wollte Conrad zuvorkommen und so griff er zu dem Mittel der Erpressung: „Du könnest darauf bestehen, aber das bliebe dann nicht im Haus, ebenso würde auch nicht im Haus bleiben, wenn du dich hinter mich stellst.“

      Der Chef stellte sich hinter ihn und Conrad konnte sich revanchieren und später dem Bürgerkomitee sagen, dass auch der Chefredakteur die Herausgabe der Filme verhindert habe. Aber da war er bereits kein Chefredakteur mehr.

      Und noch viel später erfuhr Conrad, dass der Stasichef, Generalleutnant Hummitsch, persönlich beim Chef seiner Zeitung protestierte, wieso sich der Fotograf weigere, die Filme herauszugeben? Und noch später erfuhr Conrad, dass daraufhin ein lieber Kollege von der Stasi auf ihn angesetzt wurde, aber die Ereignisse waren schneller als irgendwelche Maßnahmen.

      Nach einiger Zeit interessierte sich noch einmal jemand für diese Fotos. Da kam ein Abgesandter des Generalstaatsanwaltes der DDR und wollte sie haben, Material für einen geplanten Hochverratsprozess gegen Honecker. Da hatte sich der Mann aber auch mächtig wenden müssen. Sicher hing lange Zeit das Bild von Honecker hinter seinem Schreibtisch und nun wollte er ihm den Prozess machen.

      Conrad erzählte von den versteckten Filmen. „Oh, welche Naivität“, sagte der Mann, „im Haus versteckt? Die hätten angefangen, Ihr Haus auseinander zu nehmen, lange hätten Sie da nicht zugesehen.“

      Конец ознакомительного фрагмента.

      Текст предоставлен ООО «ЛитРес».

      Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.

      Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.

/9j/4AAQSkZJRgABAgAAAQABAAD/2wBDAAMCAgMCAgMDAwMEAwMEBQgFBQQEBQoHBwYIDAoMDAsK CwsNDhIQDQ4RDgsLEBYQERMUFRUVDA8XGBYUGBIUFRT/2wBDAQMEBAUEBQkFBQkUDQsNFBQUFBQU FBQUFBQUFBQUFBQUFBQUFBQUFBQUFBQUFBQUFBQUFBQUFBQUFBQUFBQUFBT/wAARCAEaAMgDASIA AhEBAxEB/8QAHwAAAQUBAQEBAQEAAAAAAAAAAAECAwQFBgcICQoL/8QAtRAAAgEDAwIEAwUFBAQA AAF9AQIDAAQRBRIhMUEGE1FhByJxFDKBkaEII0KxwRVS0fAkM2JyggkKFhcYGRolJicoKSo0NTY3 ODk6Q0RFRkdISUpTVFVWV1hZWmNkZWZnaGlqc3R1dnd4eXqDhIWGh4iJipKTlJWWl5iZmqKjpKWm p6ipqrKztLW2t7i5usLDxMXGx8jJytLT1NXW19jZ2uHi4+Tl5ufo6erx8vP09fb3+Pn6/8QAHwEA AwEBAQEBAQEBAQAAAAAAAAECAwQFBgcICQoL/8QAtREAAgECBAQDBAcFBAQAAQJ3AAECAxEEBSEx BhJBUQdhcRMiMoEIFEKRobHBCSMzUvAVYnLRChYkNOEl8RcYGRomJygpKjU2Nzg5OkNERUZHSElK U1RVVldYWVpjZGVmZ2hpanN0dXZ3eHl6goOEhYaHiImKkpOUlZaXmJmaoqOkpaanqKmqsrO0tba3 uLm6wsPExcbHyMnK0tPU1dbX2Nna4uPk5ebn6Onq8vP09fb3+Pn6/9oADAMBAAIRAxEAPwD53ooo rU1Ciipr+xudKupba/tZ7C5i/wBZBdxNFJHxn5lYArwQeR3oAhoqa9sbrTLqS1vbWeyuozh4LmJo pEPXlWAI4weR3qOSJ4X2SI0b7Vfa6lTtZQynB7FWVge4YEcEUANorQPhzWFsftraPqSWPlef9ray lEPl7iofzCu3buBXdnGQR1pum6Bq2tMo03SNR1Mu/lL9hspZ8vx8vyKfm5HHXketAFGitAeHdYN3 a2n9jamLu7fy7a2NjKJZ34+WNNu5z8w4UHqPWqqWN1JbTXKWlw1tCwWWcQsY4mOcK7YwpODgHBOD 6UAQ0VJHazywSzRwTSQRY82VI2ZI88LuYDC57Z69qS3t5rueOC3hluJ5GCRwwoXd2PQKoBJJ9BQA yinvBLHO0DxSLOrmMxFDvDA4K7euc8Y65p4srk3os/s0/wBsMnki28pvNMmcbNmN27PG3Gc8UAQ0 VJZ282oTwwWkMt5POwSKG2QyPKx6BVXJYnsB1qa30m/vLia3t9PvLi5gR5JYIbZ3kiVAS7OoGVCg EsSMKAc4xQBVoqYWNybE3otpzYiVYDdeU3kiQqzLHvxt3FUdguckKxxgGkS0nktprlIJXtoWRJZ1 jYxxs+7YrNjCltj4BPOxsZwcAEVFOSJ5VkZI3dYl8yQqpIRdyrub0G5lXJ7so6kVLbWF1eR3Elva 3FzFbR+dPJDEzrCmQu9yBhVyyjJwMsB1IoAgoqSK2muFlaKGWVYU8yVo4ywjXIXcxA+UZZRk8ZYD uKdPZXNrDBNPbTwQ3Cl4JJYmRZlBwWQkYYZBGRkZBoAhr039nP8A5Kfbf9es38hXm0trPDFDLLBN FFMC0UjxsqyAEglCRhgCCDjOCMV6T+zn/wAlOtv+vWb+QoGfWFFFFBR8BUUUUECrb3F4wt7RPNu5 T5cKf3nPCj8SRXq3jv8As7xtpcHjWwlVrTS55tIv4lwGKoWOlsoH8MsGyDjG0WUj4bBry2zu5rC8 gureQxXEEiyxSL1V1IKkfQgGmRSvb2ptonaO3O3MKHCHaCF46cAnHpk0Aei/GS2HiD4uXF/G6W1r 4htNP10XBXKol1YQXU8xUclVZ5nIHOFOOeKPHd3beMvAOg+ILYSvc6NK2gXTywrE32c+ZNYBgrsC yxi4h3DqtvHnHFcNea5f6h5H2m6ebyLSOxi34OyBBhIx7ADA9qZa6ve2Wn39hBcPHZ34jF1APuTe W26PcP8AZbkHsaBWPZdFhm/tj4dzaTdLH4pTwTOmlWUyDytQme+1OM2xbP3nSSTbGRiRlWPKmQEc T8AI1Hx1+HHy5x4i07BYcj/SY65C61e9vRYie5kf7DCLe1OcGGMO8gVSOg3yO31YnvVtvFurnxGn iAXrR62k4uxfxIqSmcNu84soGZN3zFzli3JOeaBm98BUVPjH4DCqAP7asugx/wAtkqj8NPFl

Скачать книгу